20. März 2014

Medikamentenresistente Tuberkulose in Pakistan

Dr. Eva-Maria Schwienhorst arbeitet als beratende Medizinerin für die DAHW. Vor kurzem besuchte sie ihre Kollegin Dr. Chris Schmotzer in Pakistan. Dort begegnete ihr die MDR-Patientin Fatima (Name von der Redaktion geändert).

19 Jahre alt ist Fatima gerade geworden und hat ihr letztes halbes Lebensjahr im Krankenhaus verbracht. Ihr 17-jähriger Bruder ist schon länger dort, auf der Männerstation im anderen Flügel. Beide haben Tuberkulose. Sechs Monate wurde Fatima entsprechend den in Pakistan für Tuberkulose geltenden Behandlungsrichtlinien mit der normalen Kombination aus vier verschiedenen Medikamenten behandelt.

Aber diese Therapie war nicht erfolgreich. In weiteren Tests wurden die Befürchtungen bestätigt: die Tuberkulose-Erreger sind resistent gegenüber allen vier Standardmedikamenten. Schon wenn Resistenzen gegenüber Isoniazid und Rifampicin – den beiden wichtigsten Medikamenten – bestehen, spricht man von MDR (multi drug resistant), der multiresistenten Tuberkulose.

Chris Schmotzer (links) und Eva-Maria Schwienhorst (rechts) mit ihrer Kollegin Dr. Mehwish Ali. Foto: DAHW

In vielen Ländern des Südens kommt diese Diagnose nach wie vor einem Todesurteil gleich. Doch zum Glück bieten langsam immer mehr Länder die deutlich teureren Medikamente für die MDR-TB-Behandlung in ihren Nationalprogrammen an. Aber nicht für alle Patienten gibt es Therapieplätze. Viele überleben die Zeit auf den Wartelisten nicht und können in der Wartezeit ihre Umgebung weiter infi zieren. Zudem ist die Behandlung lang, sehr komplex und vor allem mit extrem vielen Nebenwirkungen verbunden. Vier bis sechs verschiedene Medikamente werden verabreicht. Bis zu zwei Jahre lang müssen durchschnittlich 20 Tabletten pro Tag eingenommen werden! Am schlimmsten zu ertragen sind aber die ersten Monate – mindestens acht. Jeden Tag müssen die Patienten schmerzhafte Injektionen über sich ergehen lassen.

Was für dramatische Folgen die Nebenwirkungen haben, wird bei Fatima auf traurige Weise ersichtlich. Sie merkt, wie durch eines der Medikamente, Amikacin, ihr Gehör immer schlechter wird, sie hat Angst taub zu werden. Dazu kommen die typischen Nebenwirkungen von Cycloserin: sie entwickelt eine schwere Depression. Man kann bei Fatima aber nicht auf Cycloserin verzichten, nur vorübergehend die Dosis reduzieren und sie mit Antidepressiva behandeln. Und vor allem: psychosoziale Unterstützung geben, um einen Therapieabbruch zu vermeiden.

Ein Hörtest soll klären, wie stark das Gehör von Fatima geschädigt ist. Foto: Schwienhorst / DAHW

Für die Patienten sind die Nachteile der Behandlung, wie die hohen Kosten durch Arbeitsausfall, Laboruntersuchungen und zusätzliche Medikamente sowie die Nebenwirkungen selbst sehr belastend. Ohne Hilfe würde kaum jemand die Therapie durchstehen. Wenn diese aber abgebrochen wird, können weitere Resistenzen entstehen und die Umgebung des Patienten kann infiziert werden. Das bedeutet, bei Therapieabbruch steigt das Risiko immens, sodass sich die MDR-TB noch schneller verbreitet.

Daher ist es so enorm wichtig, die Patienten zu unterstützen: mit Therapiebetreuern, Psychologen, Sozialarbeitern, durch Übernahme der zusätzlichen Labor- und Medikamentenkosten, die oft vom Nationalprogramm nicht abgedeckt sind. Hier leistet die DAHW einen wertvollen Beitrag in Projekten wie in Rawalpindi in Pakistan und sorgt dafür, dass eine adäquate Behandlung erst möglich wird.

Die multiresistente Tuberkulose ist in vielen Ländern auf dem Vormarsch und wird als eine der ganz großen Herausforderungen im Bereich der globalen Gesundheit gesehen. Die Dynamik ist nicht unter Kontrolle und stellt viele Länder mit geringen und mittleren Einkommen vor schier unlösbare Aufgaben. Der Entwicklung von Resistenzen kann nur dann vorgebeugt werden, wenn Tuberkulose-Nationalprogramme gut funktionieren, alle Mitarbeiter des Gesundheitssystems gut geschult und Medikamente flächendeckend vorhanden sind.

Hier wird die DAHW in Zusammenarbeit mit anderen Partnern sowohl global als auch lokal weiter nach Lösungen suchen, um das Menschenrecht auf Gesundheitsversorgung einzufordern. Denn häufig sind von der Tuberkulose Menschen in Armut betroff en, die oft nicht ausreichend Möglichkeiten haben, gegen die herrschenden Ungerechtigkeiten selber Ihre Stimme zu erheben.