20. November 2013

Elie weint nicht

Viele Kinder sind Opfer von Buruli Ulcer - der "kleinen Schwester" der Lepra

Eine Träne kullert langsam über Elies Wange. Doch der Achtjährige weint nicht. Immer wieder kommen Tränen aus seinem linken Auge, seit er an Buruli Ulcer erkrankt ist. Das Geschwür hat sein Auge lichtempfindlich gemacht. Franz Wiedemann, Repräsentant der DAHW in Togo, hält Elie für „den tapfersten Jungen, den ich kenne“.

Seit 20 Jahren ist der gebürtige Augsburger in dem westafrikanischen Land. Er hat schnell gelernt, dass die meisten Buruli-Patienten Kinder sind. Warum das so ist, ist immer noch unbekannt: „Wir wissen nicht einmal genau, wie die Krankheit übertragen wird, wir können es nur vermuten.“


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Wiedemann hat viele Kinder gesehen, die an den schlimmen Folgen dieser seltenen Krankheit leiden, aber an den Tag vor fast zwei Jahren, als Elie zu ihm kam, erinnert er sich genau: „Damals hat er geweint – vor Schmerzen, weil sein Auge fast zugewachsen war, und vor Angst, weil er weit entfernt von Zuhause zu fremden Menschen kam und nicht wusste, was hier mit ihm geschehen sollte. Und weil alle befürchtet hatten, dass er blind wird.“

Für Elie sind die vielen Untersuchungen (hier durch Dr. Nitschke) bereits zur Routine geworden. Foto: Röhm / DAHW

Inzwischen weiß Elie, dass er Glück hatte, nach Tsévié zu kommen, in das Behandlungszentrum der DAHW für Buruli Ulcer. Monatelang schon hatte das Geschwür auf sein Auge gedrückt, ein Arzt – der einzige in erreichbarer Nähe seines Dorfes – hatte ihm Augentropfen gegeben. Um die Behandlung zu bezahlen, mussten sich seine Eltern verschulden, genutzt haben die Tropfen nicht.

Erst ein Mitarbeiter einer Gesundheitsstation erkannte, dass Buruli die Ursache für das Geschwür sein könnte. „Genau deshalb fahren unsere Gesundheitsmitarbeiter in die abgelegenen Dörfer“, erklärt Wiedemann die Strategie der DAHW. „Unsere Leute sind speziell auf Lepra und Buruli geschult, sie untersuchen Patienten bei akutem Verdacht oder schulen die örtlichen Mitarbeiter der Gesundheitsposten.“

So kam Elie nach Monaten des Leidens nach Tsévié. Untersuchungen, Medikamente und bislang eine Operation hat er überstanden und dennoch ist sein linkes Auge immer noch gezeichnet. „Mein komisches Auge“, nennt er es selbst und macht sich so über Mitschüler lustig, die sich über ihn lustig gemacht haben.

Aufklärungsplakate sensibilisieren für die Symptome von Buruli Ulcer. Foto: Röhm / DAHW

Aber das ist lange her, das war in der Schule seines Heimatdorfes, weit entfernt von Tsévié. Ein Jahr lang konnte Elie dort nicht zur Schule gehen. Dann ging er mit den anderen Kindern, die an Buruli erkrankt waren, in die Schule nahe der Klinik. Fast alle der kleinen Patienten müssen ein Jahr in Tsévié bleiben, manche sogar viel länger. Die Verbindung zwischen Klinik und Schule ist eine logische Konsequenz und hilft den Kindern die Fehlzeiten zu überbrücken.

Elies Vater ist die Eleichterung heute noch anzumerken – die Erleichterung, dass die DAHW-Mitarbeiter gerade noch rechtzeitig die Diagnose für seinen Sohn gestellt und die richtige Behandlung eingeleitet hatten. Und es entlastet ihn sehr, dass sein ältestes Kind hier versorgt wird, ohne dass er dafür bezahlen muss.

Um die Schulden für Elies erste Behandlungen abzahlen zu können, musste er eine Fortbildung abbrechen, die er zuvor begonnen hatte. Facharbeiter wollte er werden, heute arbeitet er wieder in der Landwirtschaft. Aber nur so kann er für seine Frau und die vier weiteren Kinder sorgen. Dass er Elie trotz aller Sorgen in guten Händen weiß, macht die Situation für die Familie etwas erträglicher.

Elie mit seinen Eltern, seinem Großvater und seinen vier Geschwistern. Foto: Röhm / DAHW

Elie meint, ihm gehe es doch noch gut. Er hat in seiner Zeit hier in Tsévié Kinder gesehen, deren Ellenbogen- oder Kniegelenke durch die Geschwüre völlig verwachsen waren und die ihre Arme oder Beine nicht mehr richtig benutzen konnten. „Ich kann doch alles sehen, mein Auge funktioniert. Nur die Tränen stören mich, weil die anderen Kinder oft meinen, ich würde weinen.“

Für einen achtjährigen Jungen ist das fast schlimmer als die Erkrankung selbst, schließlich weint er nicht. „Die Tränen kommen, weil ich noch nicht wieder ganz gesund bin“, weiß er selbst. Mindestens eine Operation muss er noch über sich ergehen lassen, doch davor hat er keine Angst: „Wenn ich ganz gesund bin, darf ich wieder nach Hause. Und dann kann Papa wieder zur Schule gehen, damit es uns besser geht.“



Die Fondation Follereau Luxembourg (FFL)

hat die DAHW bei ihren Hilfsmaßnahmen für die Opfer von

Armutskrankheiten in Togo seit dem Jahre 2000 mit 750.000 Euro

unterstützt. (Stand 2013)


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