30. Juni 2015

"Es lohnt sich zu kämpfen"

Bei Edem entdeckt Dr. Amedifou verdächtige Flecken. Foto: Michael Röhm / DAHW

Dr. Charlotte Amedifou, DAHW-Ärztin in Togo, hilft Menschen, die an Lepra leiden

Es ist Zeit zu kämpfen. Das ist Ambele Adoto sofort klar, als er die Flecken auf der Haut seines Neffen Felix sieht. Zu oft schon musste der 52-Jährige hilflos mit ansehen, wie Lepra das Leben von Familienmitgliedern zerstörte.

Mit hellen Flecken geht es los, die Finger und Zehen fühlen sich taub an. In einem späteren Stadium kommen Geschwüre und Lähmungen dazu. Im schlimmsten Fall führen die Nervenschädigungen zu Verstümmelungen an Händen und Füßen.

„Einige meine Cousins und ein Onkel sind schwer an Lepra erkrankt“, erinnert sich Adoto. Seinem Neffen sollte dieses Schicksal erspart bleiben. „Ich war so glücklich, als mir die Gesundheitshelfer erklärten, dass die Krankheit mittlerweile heilbar ist“, sagt der Familienvater.

Den Teufelskreis aus Armut und Krankheit durchbrechen

Ambele Adoto lebt mit seiner Familie in einem abgelegenen Dorf in Togo. Seit über 50 Jahren arbeitet die DAHW Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe e.V. in dem westafrikanischen Land. Damals erkrankten noch über 15.000 Menschen jedes Jahr an Lepra. Die Krankheit verursachte unermessliches Leid für die Kranken und ihre Familien, die häufig ausgegrenzt wurden.

Vieles hat sich seitdem verbessert. Zusammen mit den Gesundheitsbehörden legte die DAHW ein landesweites Kontrollprogramm für Lepra, später auch für Tuberkulose und Buruli Ulcer auf. Die Fallzahlen gingen rapide zurück. Die meisten Kranken können während der Behandlung weiter in ihren Dörfern weiter leben.

Doch trotz aller Anstrengungen und Erfolge: Lepra ist noch immer nicht ausgerottet. „Ja, es gibt die Krankheit noch“, betont Dr. Charlotte Amedifou, DAHW-Ärztin in der togolesischen Hauptstadt Lomé. „Sie stürzt auch heute noch Familien ins Elend. Deshalb müssen wir weiterkämpfen. Wir müssen den Teufelskreis aus Armut und Krankheit endlich durchbrechen.“

Dr. Amedifous Arbeitstage sind oft lang. Vor allem dann, wenn sie zusammen mit örtlichen Gesundheitshelfern in weit entfernte und entlegene Dörfer fährt. Um 7:30 Uhr lädt sie dann ihre Arzttasche und Medikamente in das Auto und macht sich auf den Weg in die umliegenden Krankenhäuser und Gesundheitsstationen. Viele Menschen warten schon auf die 42-jährige Ärztin. Die Schlange vor dem Sprechzimmer ist lang. Dr. Amedifou nimmt sich Zeit für jeden Einzelnen. Welche Symptome zeigen die Patienten? Gibt es Hinweise auf Lepra, Tuberkulose oder Buruli Ulcer, eine bakterielle Erkrankung, die auch als „kleine Schwester“ der Lepra bezeichnet wird? Wenn ja, wie weit ist die Krankheit schon fortgeschritten? „Es ist sehr wichtig, dass wir diese Krankheiten früh erkennen. Denn dann sind sie in der Regel gut heilbar“, betont Dr. Amedifou.

Frühe Diagnose rettet Leben

Das hat auch Ambele Adoto erfahren. Nachdem sein Neffe Felix an Lepra erkrankt war, brachte Ambele Adoto auch drei seiner Söhne in die Gesundheitsstation. Besorgt hatte er zuvor seine Frau und seine zehn Kinder nach den verdächtigen Flecken abgesucht und war bei den drei Jungen fündig geworden. Der Gesundheitshelfer machte einen Nasen- und Ohrenabstrich bei den Kindern. Dieser einfache Test zur Diagnose kostet nur etwa 10 Euro und kann auch in entlegenen Gebieten durchgeführt werden. Bei Edem (7) und Ablam (15) war der Test positiv. Doch die Leiden hatten Glück, die Krankheit war noch in einem relativ frühen Stadium.

Ein halbes Jahr bekam Ablam Antibiotika, Edem musste sie ein ganzes Jahr lang schlucken. „Sie haben sehr gut auf die Therapie angesprochen“, sagt Dr. Amedifou zufrieden. Es gab keinerlei Komplikationen oder Nebenwirkungen. „Nur bei Edem sind noch ein paar Flecken an der Schulter zu sehen. Aber die werden auch noch verschwinden“, ist Amedifou überzeugt. Wie seine Cousins hat auch Felix die Krankheit gut überstanden.

Regionale und lokale Strukturen sind der Schlüssel

In den kommenden Jahren hat sich die DAHW deshalb zum Ziel gesetzt, noch stärker aktiv nach Lepra-Fällen in den Dörfern zu suchen. Wichtig ist dabei die gute Zusammenarbeit mit den 46 Lepra-Kontrolleuren des Landes sowie den regionalen staatlichen Gesundheitsdiensten und Krankenhäusern. Außerdem sind die lokalen Gesundheitshelfer in den Dörfern wichtige Ansprechpartner für Dr. Charlotte Amedifou. Sie berichten ihr von neuen Patienten, fragen um Rat, wenn es um eine geeignete Behandlung geht. „Manchmal halten sie mich auch einfach auf der Straße auf, wenn ich vorbei komme“, sagt Dr. Amedifou und lacht. Das bringt zwar die Planung der Ärztin gehörig durcheinander, aber sie nimmt das gelassen. Schließlich habe sie genau deshalb diesen Beruf ergriffen, um Menschen in Not zu helfen.

Auf dem Rückweg von ihren Außensprechstunden nimmt Dr. Amedifou sich deshalb viel Zeit, zusammen mit den Gesundheitshelfern nach den Patienten zu sehen. Sie ist froh über das Vertrauen, dass ihr entgegengebracht wird. Das hilft ihr, wenn es darum geht, die Menschen über die Krankheit aufzuklären. „Viele Dorfbewohner wissen zum Beispiel nicht, wie Lepra übertragen wird“, sagt Dr. Amedifou, „und dass eine gute Hygiene vor Ansteckung schützt.“ Woran erkennt man die Krankheit? Wie geht es nach der Diagnose weiter? Wie lange müssen Medikamente genommen werden? Geduldig beantwortet die Ärztin alle Fragen.

Ambele Adoto muss nicht mehr aufgeklärt werden. Im Gegenteil. In seinem Dorf ist er zum „Aufklärer“ geworden. „Ich rate jedem, sofort in die Gesundheitsstation zu gehen, wenn Lepra-Symptome auftreten“, sagt er bestimmt. Seine Söhne und sein Neffe sind heute wieder gesund, weil sie rechtzeitig behandelt wurden. Dafür ist Ambele Adoto sehr dankbar. „Ich habe gesehen, wie Verwandte wegen der Lepra entsetzliche Geschwüre bekamen und schließlich sogar gestorben sind. Heute werden wir geheilt, weil es Medikamente gegen die Krankheit gibt. Es lohnt sich zu kämpfen.“