26. Juni 2012

Leprapatienten in Bolivien: "Ohne Dr. Baptista wären sie vergessen"

Die DAHW ermöglicht den landesweiten Einsatz des Lepraexperten

Fast schon widerwillig war Manuel C. (Name geändert) nach Monteagudo gekommen, um sich untersuchen zu lassen. Dass er an Lepra erkrankt ist, hat er schon geahnt - lange, bevor die Mitarbeiter im Gesundheitsposten ihn auf die lange Reise nach Monteagudo schickten zu dem Krankenhaus, das die DAHW Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe seit 1968 unterstützt. Und jetzt: „Ganz eindeutig Lepra“, sagt Dr. Abundio Baptista. Der 59-jährige Mediziner arbeitet schon lange für die DAHW und ist der wichtigste Lepra-Experte in ganz Bolivien. Ein Mal pro Monat kommt Dr. Baptista für Untersuchungen nach Monteagudo, und jedes Mal sind neue Leprapatienten dabei, wie heute Manuel C.

Lepra – Krankheit der Armen

Dass sein Patient die Untersuchung so lange hinausgezögert hat, kann der Arzt gut nachvollziehen: „Diese Region ist das Armenhaus Boliviens, eine der ärmsten Regionen von ganz Südamerika. Für die Menschen hier zählt nicht, was in ein oder zwei Jahren sein könnte. Sie haben jeden Tag die Sorge, ob ihre Familie morgen noch satt wird.“ Dieses Verständnis tut Manuel gut, langsam fasst er Vertrauen in den Arzt. Er berichtet, wie er schon vor zwei Jahren die Flecken bemerkte, wie er sie versteckt hat, weil sie in seinem Dorf alle Angst vor Lepra haben und schon mehrfach Kranke einfach davongejagt wurden.

Und Manuel erzählt, was die Reise nach Monteagudo für ihn bedeutet: „Drei Tage kann ich nicht als Tagelöhner arbeiten, die Felder nicht bestellen. Das heißt, drei Tage keinen Lohn und drei Tage kaum etwas auf dem Tisch für meine Frau und die vier Kinder.“ Für die Untersuchung benötigt er zwar nur einen Tag, aber schon die Reise nach Monteagudo hat einen ganzen Tag gedauert, und die Rückreise wird ebenso lang werden. Und das für ganze 70 Kilometer bis zu seinem Dorf in der Nähe des Rio Grande.

Die Lepra ist noch nicht besiegt

Jedes Jahr wird in Bolivien bei etwa 150 Menschen wie bei Manuel eine Lepraerkrankung neu diagnostiziert. Zu viele, sagt Dr. Baptista, aber doch zu wenige, um die Behörden von der Wichtigkeit der Lepra-Kontrolle zu überzeugen: „Wir haben es schwer, Geld vom Staat zu bekommen.“ Das nationale Lepraprogramm besteht zur einen Hälfte aus einer Verwalterin im Ministerium, die andere Hälfte ist Dr. Baptista: „Und das auch nur, weil ich von der DAHW bezahlt werde.“ Und dabei brauchen nicht nur die Neuerkrankten Hilfe und Unterstützung. Auch tausende ehemalige Leprapatienten, die noch an den Folgen der Krankheit leiden und behindert sind, brauchen weiterhin medizinische Betreuung.

Fast jeden Tag ist der Lepra-Arzt unterwegs in dem Land, in dem es kaum asphaltierte Straßen gibt. Viele Krankenhäuser gibt es nicht in den ländlichen Gegenden, doch die wenigen kennt er alle. Und keines sei so gut wie das hier in Monteagudo: „Schon bei der Gründung hat die DAHW geholfen. Damals war es noch ein reines Lepra-Hospital, deshalb liegt es außerhalb der Stadt. Inzwischen behandeln meine Kollegen hier sämtliche Krankheiten, besonders diejenigen, die der Armut in dieser Region geschuldet sind - Tuberkulose, Chagas, Leishmaniose und viele andere.“

Hier werden viele Menschen ausgebildet, die in kleineren Krankenhäusern oder Gesundheitsposten im ganzen Land arbeiten. Dr. Baptista lehrt diese Mitarbeiter, wie sie Lepra erkennen und was sie machen müssen, wenn sie Patienten entdeckt haben.

Straßenrand als Ambulanz

Auch Dr. Boris Apodaca gehört zum Ärztestab des Krankenhauses in Monteagudo. Mit Hilfe der finanziellen Unterstützung der DAHW konnte er sich zum Facharzt für Tropenkrankheiten weiterbilden. Dr. Apodaca ist der „Reisearzt“ der DAHW in Bolivien. So wie Dr. Baptista fährt er mit dem Auto des Krankenhauses überall dort hin, wo Patienten auf ihn warten, für die der Weg ins Hospital zu weit und zu anstrengend ist. Er bringt ihnen lebensrettende Medikamente - und nicht selten wird bei diesen Fahrten der Straßenrand zur „Ambulanz“. Auch zufällig vorbeikommende Dorfbewohner werden hier auf Lepra-Symptome untersucht.

Für Dr. Baptista ist das Team mit Dr. Apodaca, den Schwestern, Pflegern und Ärzten in Monteagudo ein Hoffnungsschimmer in dieser armen Region. Er sieht aber auch, wie dringend Hilfe nötig ist: „Es reicht leider nur für das Nötigste, und ohne die DAHW wären wir hier alle auf verlorenem Posten.“ „Und ohne Dr. Baptistas Einsatz wären die Leprakranken in Bolivien allein und vergessen“, ergänzt Dr. Apodaca und nimmt seine Tasche, um sich wieder auf den Weg zu seinen Patienten zu machen.