05. Oktober 2010

Sierra Leone - Ein Dorf entwickelt sich

Die Menschen aus Masanga meistern ihre Zukunft gemeinsam

Wie immer, wenn sich die Einwohner von Masanga versammeln, sitzt Jonathan R. mit seinem Rollstuhl ganz vorne. Seine Augen verraten, dass er schon viel Trauriges erleben musste in seinen 58 Lebensjahren, doch wenn er anfängt, seine Geschichte zu erzählen, dann leuchten sie wieder – so, wie früher, als er noch ein kräftiger junger Mann war und auf den Reisfeldern arbeiten konnte.

Das war in der Zeit vor dem schrecklichen Bürgerkrieg, der elf Jahre lang das Land überzogen hatte. Jonathan lebte schon damals in Masanga, gut einen Kilometer entfernt von einem Hospital, in dem früher auch ein Leprahelfer saß. Das Hospital wurde im Krieg komplett verwüstet, nur das Dorf blieb verschont, weil Jonathan und andere Leprapatienten sich schützend davor gestellt hatten – ohne Waffen, nur durch die Angst der Soldaten vor der Krankheit haben sie den Krieg unbeschadet überstehen können.

Doch das Dorf war in dieser Zeit fast völlig von der Außenwelt abgeschnitten – nicht einmal die Leprahelfer der DAHW, die in mehr als 70% des Landes weiter gearbeitet haben, haben die Soldaten passieren lassen. Nach dem Krieg konnten die Menschen auf ihren kleinen Feldern nur so viel anbauen, dass sie sich soeben selbst ernähren konnten. Kleidung, Medizin oder andere notwendige Dinge konnten sie sich damit nicht leisten. Doch vor zwei Jahren hat die DAHW ihren Sozialarbeiter Frederick Jabatie nach Masanga geschickt, der sich seither um die Zukunft des Dorfes kümmert.

 

Jonathan bei der Dorfversammlung

Das Dorf – durch die Erfahrungen im Krieg ohnehin schon eine eingeschworene Gemeinschaft – arbeitet nun zusammen an seiner Zukunft: Die vielen kleinen Felder haben sie auf Anraten des Sozialarbeiters zusammen gelegt, und neben Cassava, Erdnüssen, Mais und Gemüse bauen sie nun auch Reis auf einer größeren Fläche an. Dies dient nicht mehr nur dem Eigenbedarf, sondern sichert den rund 150 Menschen im ganzen Dorf auch gleichzeitig ein Einkommen.

Doch es gibt viele Menschen, die nicht auf den Feldern arbeiten können: Jonathan zum Beispiel – er war zu Beginn des Krieges an Lepra erkrankt und konnte erst viel zu spät eine rettende Behandlung bekommen. Als Folge davon ist er heute stark behindert, der linke Unterschenkel musste amputiert werden, den rechten Fuß und seine Hände kann er kaum benutzen. Auch sein jüngster Sohn Matthew war noch während des Krieges erkrankt, auch ihm fehlt heute ein Bein. Andere Dorfbewohner verloren Gliedmaßen in diesem fürchterlichen Bürgerkrieg, wieder andere leben mit Behinderungen aufgrund anderer Krankheiten oder durch Unfälle.

Für die jüngeren Dorfbewohner hat DAHW-Sozialarbeiter Jabatie ein Zentrum für Berufsausbildung gegründet: Zehn junge Menschen lernen dort das Schneiderhandwerk. Die DAHW hat einen erfahrenen Schneidermeister gefunden, der die Ausbildung leitet. Aufopferungsvoll kümmert er sich um die jungen Menschen, besonders um Matthew, der auch erst noch lernen muss, das Bein mit seiner neuen Prothese richtig einzusetzen.

 

Die Ausbildung gibt Matthew die Chance auf ein besseres Leben

Auch Jonathan würde gern arbeiten, aber was sollte er machen? Seine Hände kann er kaum benutzen, ohne Rollstuhl kann er sich nicht fortbewegen – ohnehin ist es schon schwierig für den Witwer, die normale Hausarbeit zu erledigen. Dass die Alten und Kranken, die nicht mehr arbeiten können, nicht zu kurz kommen bei der Verteilung, ist in Masanga normal. „Ich musste hier noch nie eingreifen“, berichtet Sozialarbeiter Jabatie stolz: „Von Anfang an war allen Menschen hier klar, dass sie eine Gemeinschaft des ganzen Dorfes sind und nicht nur eine der Jungen und Gesunden.“

Durch die Gründung der Genossenschaft arbeitet das ganze Dorf als kleines Sozialsystem. Felder und Saatgut gehören ebenso der Gemeinschaft wie der Ertrag, den sie für den Verkauf der Ernte bekommen. Gemeinsam entscheiden die Dorfbewohner darüber, wie sie das hart verdiente Geld aufteilen. Bei allen Entscheidungen sind Matthew und die anderen, die wegen ihrer Behinderungen nicht mehr arbeiten können, besonders gefragt. Ihre Ratschläge sind gern gehört und ihre Vorschläge werden von der gesamten Gruppe oft genau so entschieden, wie es aus ihren Mündern kam. Oft hört man von den Jüngeren, dass sie froh über deren Erfahrung in den Versammlungen sind.

Frederick Jabatie will möglichst oft dabei sein, doch das gestaltet sich schwierig: Besonders im Landesinnern, da wo die ärmsten der Armen leben, ist Hilfe ebenso mühsam wie schwierig: Rund die Hälfte des Jahres ist Regenzeit, dann sind die Straßen kaum befahrbar und die Dörfer fast von der Außenwelt abgeschnitten.

Doch die lange Regenzeit hat auch Vorteile: Der Boden ist fruchtbar – besonders Reis gedeiht hier prächtig, und das Land ist nur dünn besiedelt. Schon im nächsten Jahr will die Gemeinschaft von Masanga ihre Anbauflächen weiter vergrößern. Mit den Erträgen wollen die Einwohner dann auch einige Gebäude im nahen Krankenhaus wieder aufbauen – als sichtbares Zeichen, dass sie nur etwas Hilfe benötigen, um sich danach selbst helfen zu können.

 

 

Ein Dorf entwickelt sich - Hilfe zur Selbsthilfe


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