Die gute Nachricht: Lepra ist heilbar. Die eigentliche Chemotherapie der Lepra konnte in den letzten beiden Jahrzehnten extrem vereinfacht und standardisiert werden.

Zugleich entstanden neuere, komplexere Konzepte einer Behandlung der Infektion und ihrer Folgen, die die Prävention von Körperbehinderungen, rekonstruktive chirurgische Maßnahmen und die sozioökonomische Rehabilitation der ehemaligen Patienten in die Gesellschaft mit einbeziehen.

7.1 Chemotherapie

Die von der WHO (World Health Organisation) empfohlene Chemotherapie der Lepra basiert unmittelbar auf der o. a. klinischen Einteilung:

Mutibacilläre Lepra (MB)Paucibacilläre Lepra (PB)Single skin lession
Rifampicin600mg 1x monatlich über 12 Monate600 mg 1x monatlich über 6 Monate600mg einmalig
Dapson100mg täglich über 12 Monate100mg täglich über 6 Monate
Clofazimin50mg täglich über 12 Monate -
einmal Monatlich 300mg
Ofloxacin400mg einmalig
Minocycline100mg einmalig

In der Feldarbeit der DAHW Projekte werden die Medikamente in speziellen Tablettenverpackungen, sogenannten Blistern ausgegeben, die die komplette Dosis für einen Monat enthalten. Um den allgegenwärtigen Versorgungs- und Transportproblemen in den endemischen Gebieten weitergehend gerecht zu werden, kann bei MB Lepra die Einnahme von 12 Monatsdosen über maximal 18 Monate verteilt werden, bei PB Lepra die Einnahme von 6 Dosen über 9 Monaten.

Vorläufige Ergebnisse einer großen klinischen Studie weisen darauf hin, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit eine auf 6 Monate verkürzte Therapiedauer bei der MB-Lepra genauso effektiv sein könnte wie das 12-monatige Schema. Sollten sich die Ergebnisse bestätigen, darf von einer auf Empfehlung der WHO raschen Einführung des 6-monatigen uniformen Schemas, basierend auf Rifampicin, Dapson und Clofazimin für beide Lepra-Typen ausgegangen werden.

7.2 Therapie der Reaktionen

Fast ebenso bedeutungsvoll ist die Behandlung der Reaktionen: Wichtigstes Therapeutikum ist Predniso(lo)n, dass in (gewichtsbezogenen) Dosen (1mg/kg) täglich verabreicht wird und langsam über 6-12 Wochen ausgeschlichen wird. Die – bei MB-Lepra 100 mg täglich betragende – Clofazimin-Dosis kann zusätzlich auf 200-300 mg erhöht werden. Bei Reaktionen vom Typ 2 ist Thalidomid in Dosen bis 300 mg täglich hoch effektiv. Die Verwendbarkeit ist freilich bei bekanntem teratogenen Effekt vielfach durch die Rechtslage eingeschränkt. Die progrediente Affektion von Nerven im Rahmen der Reaktionen kann die chirurgische Dekompression erforderlich machen. Bei diesem Verfahren werden die befallenen Nerven von einengendem Gewebe befreit.

7.3 Prävention von Behinderungen (Prevention of Disabilities - PoD)

In den vielen Jahren praktischer Arbeit mit akut und vormals an Lepra Erkrankten wurde eine Reihe sich ergänzenden Maßnahmen entwickelt, die allesamt die Prävention von Behinderungen verfolgen. Die Bedeutung der sachgerechten Behandlung von Neuritiden wurde schon angesprochen. Ebenso wichtig ist die praktische Unterweisung der Betroffenen zur eigenen Durchführung folgender Maßnahmen:

  • aktive und passive Physiotherapie paretischer (gelähmter) oder kontrakter, also verkrümmter, Gliedmaßen einschließlich der Augenmuskulatur
  • tägliche Hautpflege
  • Protektion von Augen und Akren durch Salben, Sonnenbrillen, Handschuhe und spezielle Schuhe mit Gummieinlage, aber auch durch solche Details wie Kochutensilien mit wärmeisoliertem Griff und Zigarettenmundstücke für Raucher
  • Identifikation und Vermeiden aller sonstigen Gefahrenquellen in Haushalt und Arbeitsleben (Bagatellverletzungen)
  • Da die Therapie als oberstes Ziel die Rückführung der Patienten in ein normales Sozialleben ohne permanente medizinische Betreuung verfolgt, kommt gerade der Unterrichtung in Präventionsmethoden eine Schlüsselrolle zu; nur sie ermöglicht es den Betroffenen, sich selbst um die Vorsorge zu kümmern. Die DAHW arbeitet hier nach dem Konzept der CBR. Die community based rehabilitation steht für die Rehabilitation im gewohnten Umfeld, wie z.B. bei unserem Projekt in Tansania (Link zum Artikel über CBR in Tansania?)

7.4 Wiederherstellungschirurgie

Die plastische Chirurgie in der Lepratherapie dient zum einen funktionell-anatomisch der sekundären und tertiären Prävention, indem sie die kosmetische Akzeptanz eines vormals an Lepra Erkrankten in der Gesellschaft verbessert. Einige gängige Operationen seien aufgeführt:

  • plastische Rekonstruktion der Nase
  • Rekonstruktion des Lidschlusses durch Tarsorrhaphie (Verkleinerung der Lidspalte), Gewichtimplantation (Gold), Transfer einer Schlinge des M. temporalis (Schläfenmuskel) Nervendekompression, Neurolyse
  • Korrektur der Krallenhand durch Insertionstransfer von M. flexor digitorum superficialis (Fingerbeuger) oder M. extensor carpi radialis longus sive brevis (Handstrecker)
  • Rekonstruktion der Opposition des Daumens durch Insertionstransfer des M. abductor pollicis brevis (Daumenspreizer)
  • Insertionstransfer M. tibialis posterior (hinterer Schienbeinmuskel) zur Korrektur des Fallfußes
  • Arthrodese (Gelenkversteifung) des Sprunggelenks bei Kollaps des Fußgewölbes
  • Hauttransplantation bei chronischen Geschwüren

Die Komplexität der geschilderten Eingriffe macht deutlich, dass sie erhebliche Ansprüche an Operateur wie Patienten stellen. Sie sind sowohl an ausgewählte Zentren als auch an sorgfältige Indikationsstellung, Vor- und Nachbehandlung gebunden. Letztlich ist Wiederherstellungschirurgie wohl in der Lage, wichtige funktionelle und ästhetische Verbesserungen bei Deformitäten zu erzielen. Sie kann selten ganz davon befreien.

7.5 Sozio-ökonomische Rehabilitation (Community based rehabilitation, CBR)

Das überlieferte Stigma, das der Lepra und den an Lepra Erkrankten anhaftet, rechtfertigt besondere Bemühungen um die Rückführung der Betroffenen ins gesellschaftliche Leben. Sozioökonomische Rehabilitationsprojekte streben eine möglichst umfassende Reintegration an. Sie müssen daher sowohl die Eigeninitiative der Betroffenen wecken als auch die Bereitschaft der Gemeinschaft zur Eingliederung ehemaliger Patienten fördern. Wesentliche Maßnahmen auf diesem Wege sind zum Beispiel:

  • (die im Idealfall leihweise) Bereitstellung der notwendigen finanziellen Mittel etwa zur Begründung einer selbständigen Existenz
  • die Beschaffung von Wohnraum
  • berufliches Training vom Schnellkurs bis hin zur kompletten Ausbildung
  • Informationskampagnen zur Aufklärung der Bevölkerung mit Betonung des zu vernachlässigenden Ansteckungsrisikos durch ausbehandelte Lepra-Patienten
  • die Unterstützung in Richtung selbständige Versorgung der Betroffenen, um einer fortwährende Abhängigkeit Vorschub zu leisten
  • aktives Empowerment der Patienten

Die folgende Matrix illustriert die fünf Hauptsäulen der CBR und der damit zusammenhängenden Interventionen.