21. März 2019

Christinas langer Kampf gegen Tuberkulose

Die deutsche Ärztin und Ordensfrau Dr. Chris Schmotzer ist medizinische Leiterin des Krankenhauses von Rawalpindi, das von der DAHW unterstützt wird. Regelmäßig besucht sie ihre Patientin Christina.

Eine deutsche Ärztin im Norden Pakistans und ihr unermüdlicher Einsatz, Menschen zu helfen.

Christina A. sitzt in der Sonne und genießt die angenehm warmen Strahlen. Sie hat die Augen geschlossen und ihre Mütze tief in die Stirn gezogen. Eigentlich ist es warm genug, doch sie möchte die Geschwüre am Kopf nicht zeigen. Nicht den Fremden und nicht den Mitpatientinnen, mit denen sie das Zimmer im Krankenhaus von Rawalpindi im Norden Pakistans teilt. Mit dem Daumen und Zeigefinger ihrer rechten Hand hält sie das kleine Metallkreuz an ihrer Halskette fest umschlossen. Christina ist Christin und gehört damit zu einer religiösen Minderheit in Pakistan. Es geht ihr gut. Endlich wieder. Die Hustenanfälle sind selten geworden, aber noch nicht ganz überwunden. Die 12-Jährige hat Tuberkulose (TB), die schlimmste Form, die man in Fachkreisen multiresistent nennt. Das heißt, ihr Heilungsprozess dauert viel länger als bei einer normalen TB. „Eine Entzündung des Schädelknochens kam hinzu“, sagt Dr. Chris Schmotzer. Sie sieht sich die Kopfhaut des Mädchens an, die zögernd die Mütze abgenommen hat. „Ein seltener Fall, der in Zusammenhang mit der TB-Erkrankung steht“, sagt die deutsche Ärztin, die seit fast 30 Jahren die medizinische Leitung des Krankenhauses innehat und von der DAHW Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe e. V. unterstützt wird.

Mit der Behandlung zufrieden

Dr. Schmotzer ist mit dem Behandlungserfolg zufrieden. Christina ist nicht mehr ansteckend, trägt aber doch noch den Mundschutz, wie die anderen Patienten auch. Sie erinnert sich, wie es anfing. Damals, vor einem Jahr, im Kreise ihrer Familie in der ärmlichen Unterkunft in einem Stadtviertel von Rawalpindi. Daran, dass ihre zwei Schwestern und der jüngere Bruder nicht mehr mit ihr spielen wollten, weil sie immer hustete und so schwach war. Hinzu kamen die Wunden am Kopf und die ständigen Kopfschmerzen. So sehr, dass Christina oft weinte und die Hände gegen die Schläfen presste. Doch besser wurde es nicht.

„TB kann überall im Körper vorkommen“, betont die Ärztin, während sie Christinas Kopf betrachtet. „Am Kopf als Hirnhautentzündung, im Bauchraum, an der Wirbelsäule. Wenn die Patienten rechtzeitig kommen, sind ihre Heilungschancen gut“, sagt die evangelische Ordensfrau von der Christusträger Schwesternschaft. „Denn Tuberkulose ist mit Medikamenten gut heilbar.“ Auch bei Christina. Da ihre TB hochansteckend war, hat sie sich entschieden, die Schülerin stationär aufnehmen zu lassen. „Insgesamt dauert ihre Behandlung zwei Jahre“, sagt die heute 63-Jährige.

Tägliche Visite

Zuhause, in der ärmlichen Familienunterkunft sieht sie keine Behandlungsmöglichkeit. „Christina wird noch sechs Monate im Krankenhaus bleiben müssen.“ Betreut wird sie von ihrer Mutter Sadia. Christina ist das älteste Kind der 30-Jährigen. Ihre drei anderen Kinder gehen zurzeit nicht mehr zur Schule. „Wenn ich weg bin, ist es so. Der Vater ist meist aus dem Haus und die Kinder sind unbeaufsichtigt.“ Sadia zuckt mit den Schultern. Das Familienleben funktioniert nicht mehr so, wie sie es gewohnt ist. Sie hofft, dass es anders wird, sobald beide wieder zuhause sind. Und heim möchte das junge Mädchen ganz dringend. Nicht nur, um die Geschwister und den Vater wieder zu sehen, sondern vor allem, um in die Schule zu gehen. Sonst klappt nämlich ihr größter Wunsch nicht, später selbst einmal Lehrerin zu werden. „Am liebsten für Englisch“, sagt sie leise und blickt auf den Boden.

Dr. Schmotzers Visite durch die Krankensäle der weiträumigen Anlage ist beendet, und sie kehrt zu den ambulanten Patienten zurück, die vor dem Behandlungsraum bereits warten. Die gebürtige Hersbruckerin weiß, wie die Ausbreitung hochansteckender TB ganze Familien zerstören kann. „Umso wichtiger ist die frühe Diagnose und Behandlung.“

Mit Unterstützung der DAHW kann sie täglich viele Menschen kostenlos behandeln. Sowohl ambulant wie auch stationär. So wie den kleinen Atif H., der auf dem Schoß seiner Mutter sitzt. Dr. Schmotzer bittet die beiden ins Behandlungszimmer. Der Vater kommt hinzu. Die Familie hat eine lange Anreise hinter sich. Sie kommen aus den Bergen im Norden, in der Nähe von Balakot, aus einem Erdbebengebiet.

Dr. Schmotzer hatte bei dem Jungen den Verdacht auf TB geäußert und einen Lymphknoten entfernt. Der Befund ist negativ. Die Mutter lächelt. Nochmal Glück gehabt. Doch Entwarnung gibt die Ärztin nicht. Denn der Sechsjährige zeigt eindeutige Anzeichen einer Mangelernährung. „Eine Wurmkur ist angebracht“, sagt sie und stellt das Rezept aus. Sichtlich erleichtert verlassen die drei das Behandlungszimmer.

Als Dr. Schmotzer schließlich den letzten Patienten untersucht hat, tritt sie selbst hinaus in die Dämmerung. Sie läuft noch einmal an den Patientenzimmern vorbei. Und sieht Christina, die noch draußen sitzt und mit ihrer Mutter der untergehenden Sonne zuschaut. Dabei lächelt die Ärztin mit der Gewissheit, dass sich der Tag mit all seinen Mühen mal wieder gelohnt hat.