31. Dezember 2020

Corona-Pandemie - Nur eine von vielen Barrieren

Isolation und Abstandsregeln sind für Menschen mit Behinderungen zusätzliche Barrieren im Alltag. Foto: DAHW Äthiopien

Für Menschen, die mit einer Behinderung leben, stellt eine Pandemie eine noch größere Gefahr dar als für die meisten anderen. Denn sie bedürfen eigentlich genau dem Gegenteil von Abstandsregeln und Isolation:

menschlicher Fürsorge, körperlicher Hilfe und aktiver Unterstützung. Rund 80 Prozent der weltweit ca. eine Milliarde Menschen mit einer oder mehreren körperlichen Beeinträchtigungen oder Behinderungen leben in Ländern des sog. Globalen Südens und sind überproportional von extremer Armut betroffen. Sie sind es, die während der Coronakrise individuell unterstützt, beachtet und versorgt werden müssen. Alles, nur nicht vergessen!

Wie soll ein Mensch, der beim Kochen, Waschen oder Baden auf die Betreuung und körperliche Hilfe durch Familienangehörige und Freund*innen angewiesen ist, eine Quarantäne einhalten? Wie kann diesem Menschen trotz Abstandregelung geholfen werden? Wie ist es möglich, körperlich beeinträchtigte Menschen, die vielleicht auch nicht lesen können, über eine bisher unbekannte Krankheit und notwendige Hygienemaßnahmen aufzuklären? Wenn Ausgangssperren herrschen, wer holt dann Wasser am kilometerweit entfernten Brunnen für einen Menschen, der selbst nicht laufen kann, sich aber bitte die Hände regelmäßig waschen soll?

All diese Menschen sind auf unsere Unterstützung angewiesen

Die Betroffenen brauchen andere an ihrer Seite, die sich um sie kümmern – auch in Zeiten höchster Infektionsgefahr. Und nicht nur das: Die DAHW hat schnell erkannt, dass sie neue Wege gehen muss, um auch diese Menschen zu erreichen. Die „International Disability Alliance“, eine Dachorganisation, die sich für die Rechte von Menschen mit Behinderungen auf der ganzen Welt einsetzt, hat in ihren Forderungen genau auf den Punkt gebracht, was die Schwierigkeiten für beeinträchtigte Menschen sind und was sie jetzt dringend benötigen. „Diesen Forderungen können wir uns nur anschließen und die Empfehlungen, soweit möglich, in unseren Projekten umsetzen“, erklärt Sahayarani Antony, Fachkraft für Inklusion bei der DAHW. Darin gefordert wird zum Beispiel der Zugang zu lebensnotwendigen Gütern wie Nahrungsmitteln und Hygieneprodukten, zusätzliche Schutzmaßnahmen für Menschen mit Behinderungen und ihre Pfleger*innen, Unterstützungspakete für Menschen, die aufgrund von Ausgangsbeschränkungen nicht arbeiten gehen können, ausführliche Aufklärungsmaßnahmen und Informationsmaterialien in barrierefreien Formaten auf unterschiedlichen Kanälen.

Letzteres hat die DAHW in Nigeria zum Beispiel in Form von kurzfristig organisierten Radiosendungen umsetzen können. Im Fokus der interaktiven Live-Sendungen standen Menschen mit Behinderung und ihre ganz besondere Situation in der Corona-Krise. Infektionsschutz, Präventionsmaßnahmen für kranke Menschen und Menschen mit Behinderungen wurden live am Mikro erklärt und behandelt. Auch die Betroffenen selbst sowie ein medizinischer Berater der DAHW nahmen an der Radiosendung teil.

Ein weiteres Beispiel aus unserem Projektland Myanmar verdeutlicht, wie wichtig neue Wege der Aufklärung für die betroffenen Menschen sind. In den Geflüchtetencamps an der Grenze zu Bangladesch leben die seit vielen Jahren unterdrückten muslimischen Rohingya. Bei den Nothilfemaßnahmen wie der Verteilung von Lebensmitteln und Hygieneprodukten stellte sich heraus, wie wenig die Menschen über die globale Pandemie und das Virus wussten – zum Beispiel aufgrund eines fehlenden Internetzugangs oder weil viele Campbewohner*innen weder lesen noch schreiben können. Es ging also darum, möglichst schnell und möglichst verständlich Informationen über COVID-19 zu vermitteln. Das gelang uns weitestgehend durch Plakate, die hauptsächlich über die Bildsprache funktionieren oder in burmesischer Sprache verfasst werden, sodass die Kinder, die hier zur Schule gehen, die Texte lesen können.

Zusammenhalt mit Abstand

„Social distancing“ trifft Menschen mit Behinderung stärker als ihre Mitmenschen. Wir müssen ihnen auch und gerade in Krisensituationen zeigen, dass sie nicht alleine sind. Die DAHW kämpft mit Hilfsmaßnahmen unterschiedlichster Art Tag für Tag dafür, diesen verletzlichen Personenin diesen Zeiten möglichst „nah“ zu sein.