02. Juli 2015

"Die Kranken bleiben in den Familien!"

Lepra als soziale Krankheit in Südsudan

Seit dem erneuten Ausbruch des blutigen Konfliktes im Dezember 2013 sind sämtliche staatlichen Wohlfahrtsfunktionen weggefallen. Die Konsequenzen trägt die notleidende Zivilbevölkerung: Bislang gibt es über 1,5 Millionen Binnenflüchtlinge. Umso wichtiger ist die Arbeit der DAHW Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe vor Ort.

Yei, im Süden des Landes: Schwester Isabella und Schwester Veronika sind heute mit Krankenpfleger Francis Dumba unterwegs. Die Arbeit der Schwestern, die der Diözese Yei angehören, wird von der DAHW finanziell unterstützt. Die Frauen gehören dem Orden der Steyler Missionare an. Beide kamen 2010 als Ordensfrauen in den Südsudan. Schon damals war das Land vom lange anhaltenden Bürgerkrieg zerstört und Infrastruktur gab es nicht.

Schwester Veronika: „Die Hilfe, die wir aus Deutschland bekommen, ermöglicht uns, die Arbeit fortzusetzen.“ Foto: Enric Boixadós / DAHW

Genau wie Schwester Veronika möchte auch Schwester Isabella nicht mehr weg aus dem Land, dessen Menschen ihr ans Herz gewachsen sind. Die Bestimmung, einmal als Lepra-Krankenschwester zu arbeiten, wurde ihr in die Wiege gelegt. Buchstäblich! Denn kurz nach der Entbindung kam eine Leprakranke an das Bett ihrer Mutter und streichelte der kleinen Isabella über die Wange. „Mein Weg war somit vorgezeichnet“, sagt die 53-Jährige heute.

Schon als junges Mädchen wusste sie genau, was sie wollte: Missionarin und Krankenschwester werden! Denn ihre Schulbildung erhielt sie von Nonnen, die ihr immer wieder zeigten, was Barmherzigkeit bedeutet. 20 Jahre arbeitete Schwester Isabella in ihrer indonesischen Heimat Flores im Dienst der Leprapatienten.

Krankenpfleger Francis übergibt Verbandmaterial an die Patienten. Foto: Enric Boixadós / DAHW

Der Südsudan ist nun ihre erste Auslandsstation. Gemeinsam mit Schwester Veronika, einer Ärztin, sitzt sie im Geländewagen nach Lasu. Nach zwei Stunden erreichen sie den kleinen staubigen Ort unweit der kongolesischen Grenze. Krankenpfleger Francis Dumba erwartet sie bereits. Die Leprastation im Krankenhaus Bakhita, das zur Diözese gehört, wurde von der DAHW gegründet. „Die Hilfe, die wir aus Deutschland bekommen, ermöglicht uns, die Arbeit fortzusetzen“, betont Schwester Veronika.

Durch dichtes Gras geht es tiefer hinein in den Busch. Zu Fuß! Die drei wissen, dass sie von Daniel Suraba Willa und seiner Frau Mariana schon sehnlichst erwartet werden. Doch zuvor muss noch ein Bach überquert werden. Es gibt keine Brücke, lediglich ein Baumstamm verbindet die beiden Ufer. Francis überquert sicheren Schrittes den glitschigen Stumpf, stellt die Metallbox mit den Verbandsmaterialien ab und balanciert zurück zu den Schwestern. Sie haben Angst, abzurutschen und ins Wasser zu fallen. Francis spricht ihnen Mut zu. Mit sicherer Hand führt er die beiden Ordensfrauen zum gegenüberliegenden Ufer.

„Wir wüssten gar nicht, was wir ohne Francis tun würden“, sagt Schwester Isabella. „Hier im Süden gibt es keine Leprakolonien, die Betroffenen bleiben in den Familien“, betont sie. Nur die schweren Fälle werden ins Bakhita-Krankenhaus der Diözese gebracht. „Dort versorgen wir sie. Wir haben das Glück, gleich nebenan zu wohnen und können Tag und Nacht für die Kranken da sein“, ergänzt Schwester Veronika. Die DAHW finanziert die Gehälter von zwölf Mitarbeitern sowie Aus- und Fortbildungen im Gesundheitssektor.

Das Krankenpflegeteam von Yei: Den Patienten Hoffnung schenken. Foto: Enric Boixadós / DAHW

„Die Aufklärungskampagnen gegen Diskriminierung laufen meist über das Radio“, sagt Schwester Isabella. Damit erreicht die Botschaft, Menschen mit Lepra nicht auszugrenzen, die Bevölkerung direkt. „Denn viele Angehörige wissen nicht einmal, dass Kranke, die behandelt werden, nicht mehr ansteckend sind.“ Und das Radio gehört zu den ganz wichtigen Medien in einem Land, in dem die Mehrzahl der Menschen Analphabeten sind. „Hinzu kommt, dass wir unsere Patienten auch draußen in den Dörfern regelmäßig besuchen, sie ermutigen und nachbehandeln“, wirft Schwester Veronika ein.

Endlich hat die Gruppe das alte Ehepaar erreicht. Sogleich versammeln sich Kinder und Enkel um die Besucher. Stühle werden herbeigetragen und aufgestellt. Die Gäste dürfen sich setzen. Der alte Daniel ist der einzige innerhalb seiner Großfamilie, der noch nie Lepra hatte. Seine Frau und alle seine Kinder sind betroffen. Die Schwestern hören sich die großen und kleinen Probleme an, Francis übersetzt bei Verständigungsschwierigkeiten, und nach der Behandlung von zwei Familienmitgliedern beginnt der lange Weg zurück.

Die drei sind zufrieden, denn sie haben wieder ein paar Menschen durch ihren Besuch glücklich machen und ihre Beschwerden lindern können. Trotz der kritischen Situation im ganzen Land verlieren die Menschen nicht ihre Hoffnung. Und das ist mit das Wichtigste, das die Arbeit der DAHW vor Ort auszeichnet.


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