20. Mai 2021

Britische Regierung plant Kürzungen in der Entwicklungsfinanzierung

Im Vorfeld des G7-Gipfels, der vom 11. bis 13. Juni 2021 in Cornwall in Großbritannien stattfinden wird, hat das Deutsche Netzwerk gegen Vernachlässigte Tropenkrankheiten (DNTDS), dem auch die DAHW angehört, unten stehende Stellungnahme an Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel veröffentlicht. Anlass sind die geplanten Kürzungen der Britischen Regierung im Bereich der öffentlichen Entwicklungsfinanzierung. Das Netzwerk fordert die Bundesregierung dazu auf, dass sie ihren Einfluss geltend macht, um die Britische Regierung dazu zu bewegen, ihre Pläne zu überdenken, und sich zugleich Strategien zu überlegen, ob und wie Deutschland die entstandenen Lücken füllen kann.

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,

das Deutsche Netzwerk gegen vernachlässigte Tropenkrankheiten (DNTDs) bittet die deutsche Regierung, zum einendie britische Regierung dazu zu bewegen, die geplanten Kürzungen der Britischen Regierung im Bereich der Öffentlichen Entwicklungsfinanzierung um 0,2 Prozent (von 0,7 auf 0,5 Prozent) zu überdenken und zum anderen zu prüfen, ob und wie Deutschland die entstandenen Lücken füllen kann.

Ein Weg dahin wäre, wenn die Bundesregierung die zugesagte Quote der Öffentlichen Entwicklungsfinanzierung von 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommen erfüllen und die derzeit noch fehlenden 0,1 Prozent auf den Bereich globale Gesundheit und insbesondere für One-Health/NTD-Programme verwenden würde.

Die geplanten Kürzungen der Britischen Regierung um 0,2 Prozent (von 0,7 auf 0,5 Prozent) werden erhebliche Auswirkungen auf die Gesundheitsprogramme in den Ländern mit mittleren und geringen Einkommen haben und die Lebensbedingungen der Menschen in diesen Ländern dramatisch verschlechtern. Betroffen sind vor allem auch die Menschen, die an vernachlässigten Tropenkrankheiten erkrankt sind. Ohnehin marginalisiert, werden sie von den Einschnitten besonders stark betroffen.

Warum es so wichtig ist, die Lücke zu schließen:

Argument 1

Die Bundesregierung hat in den letzten Jahren ihre Bemühungen, die Gesundheitssysteme zu stärken, intensiviert. Durch den Wegfall der Finanzierung durch Großbritannien sind finanzielle Lücken zu erwarten, die auch die deutschen Aktivitäten beeinträchtigen werden. Geschieht nichts, wird die Arbeit vieler Jahre dramatisch zurückgeworfen. Krankheiten, die kurz vor der Eliminierung stehen, werden wieder aufflammen.

Argument 2

1,7 Milliarden Menschen leiden an vernachlässigten Tropenkrankheiten. Sie gehören meist zu den Ärmsten der Armen und konnten in den vergangenen Jahren durch regelmäßige Gabe von Medikamenten, die von Pharmaunternehmen kostenlos gespendet wurden, behandelt werden. Die Gelder der britischen Regierung im Bereich NTDs wurden insbesondere für die Lieferketten eingesetzt. Das deutsche Unternehmen Merck, das sich seit Jahren stark engagiert, befürchtet dass durch den Ausfall Millionen von Medikamenten nicht mehr zu den Betroffenen gebracht werden können. Viele Präparate werden verfallen, und damit nicht für einen späteren Einsatz zur Verfügung stehen.  

Argument 3

Die Verabschiedung der WHO-NTD-Roadmap 2030 im Januar 2021 setzt auf partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Privatwirtschaft, Zivilgesellschaft und Wissenschaft. Wenn die Medikamente nicht mehr bei den Menschen ankommen, riskieren wir, dass die großzügigen Spenden aus der Industrie, die von Stiftungen und der Zivilgesellschaft in Absprache mit der WHO verteilt werden, nicht weiter durchgeführt werden.

Argument 4

Wenn die Behandlungen von NTDs mit Antibiotika eingestellt werden, können Antibiotikaresistenzen entstehen bzw. sich verbreiten und damit globale Auswirkungen nach sich ziehen. Gleichzeitig hat Großbritannien auf dem G7 Gipfel die Bekämpfung der Antibiotikaresistenzen auf die Agenda gesetzt. Das deutet auf eine inkohärente und inkonsistente britische Politik.

Argument 5

Ohne die Bekämpfung der NTDs kann das Entwicklungsziel 3/SDG 3: Gesundheit und Wohlergehen nicht erreicht werden.

In Großbritannien haben zahlreiche Nichtregierungsorganisationen, wissenschaftliche Institutionen und philanthropische Organisationen, die sich dem Kampf der NTDs widmen, einen offenen Brief an die britische Regierung geschrieben, in dem sie auf die Folgen für die Menschen, die von vernachlässigten Tropenkrankheiten betroffen sind, hinweisen. Sie hoffen, dass die britische Regierung die Hilfen für die Bekämpfung der NTDs nicht völlig streicht, sondern zunächst nur um 50 Prozent, um dann die entstandene Lücke in den nächsten Jahren wieder zu füllen.

Auch das Deutsche Netzwerk gegen vernachlässigte Tropenkrankheiten hofft, dass die britische Regierung die Maßnahmen überdenkt und bittet Sie, sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, um Ihre Unterstützung. 

Hochachtungsvoll

Digitales Commitment der DNTDs Mitglieder

Prof. Dr. Achim Hörauf

Sprecher des DNTDs, Direktor des Instituts für Med. Mikrobiologie, Immunologie und Parasitologie an der Uniklinik Bonn

Christian Griebenow

Managing Director bei Tierärzte ohne Grenzen e.V.

Dr. Dr. Carsten Köhler

Direktor des Kompetenzzentrums Tropenmedizin Baden-Württemberg, Institut für Tropenmedizin, Reisemedizin und Humanparasitologie, Universitätsklinikum, Eberhard-Karls-Universität Tübingen

Prof. Dr. med. Clarissa Prazeres da Costa

Center for Global Health, Institut für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene

Technische Universität München (TUM)

Johan Willems

NTD-Programm-Manager Christoffel-Blindenmission (CBM)

Harald Zimmer

Senior Referent Internationales, Verband der forschenden Arzneimittelhersteller (vfa)