Hier treffen Heuteund Gestern frontalaufeinander. Kinder wachsen heran, die den
Bürgerkrieg nicht erlebt haben, unmittelbar mit oder neben Menschen, die alles
verloren haben, deren Familien niedergemetzelt wurden. Vielfach finden
sichOpfer und Täter heute als Patienten
hier vereint. Einige der Leprapatienten waren noch wirklich brutalste und bis
heute traumatisierte Kämpfer in den Rebellentruppen, bevor sie an Lepra
erkrankten und dort aus Angst vor der Lepra herausgeworfen wurden. Die Angst in
der unaufgeklärten Bevölkerung ist auch heute noch groß. Wir konnten dies bei
der Zollabfertigung bei der Einreise nach Liberia positiv nutzen. So wir unsere
Koffer öffnen mussten, reichte es zu sagen, dass wir ins Lepraprojekt fahren
wollen. Und der Koffer fiel wieder zu.
Was nur schwer zu beschreiben ist: Ganta ist die zweitgrößte Stadt in Liberia.
Ganta liegt fußläufigzur Grenze nach
Guinea. Ganta hat keine asphaltierte Straße. Keine Häuser, die höher wären als
zwei Stockwerke – bis auf ein Gebäude nahe der „Hauptstraße“, in dem ein mutiger Investor Ladenlokale und
Appartements nach europäischem Stil errichtet hat. Es sieht aus wie ein
Fremdkörper. Das an der Hauptstraße gelegene Zentrum besteht aus kleinen
Lokalen, Geschäften, Kiosken, Marktständen, Straßenständen, Tankstellen, Restaurants,
Bars, und unendlich vielen Menschen, Motorrädern, Trucks, Autos. Laute Musik
läuft überall. Hupen ersetzt Verkehrsregeln. Und was auffällt, das Durchschnittsalter
scheint sich um die 20 zu bewegen. Der Krieghat ganze Generationen ausgelöscht oder ins Ausland vertrieben.
Und hier ein bisschen am Ende der Welt liegt das Ganta Rehabilitations
Center.
Es ist Lepra- und Tuberkulose-Referenzcenter. Gleiches gilt
für Buruli Ulcer – die Krankheit, die oft auch als die kleine Schwester der
Lepra bezeichnet wird, da sie zu Geschwüren und zu Verstümmelungen führt. Und
meist sind Kinder die Opfer des brutalen Erregers, von dem man glaubt, er
verbreite sich hauptsächlich über Gewässer. Der verantwortliche Mediziner, der
für die DAHW dort arbeitet, ist Holländer. Pieter de Koning. Er kennt sich aus
in Afrika. Er ist der Typ Mediziner, der seinen Beruf und seine Patienten
liebt. Er kann zuhören, ehrliche, aber angemessene Antworten geben, ist
zugewandt, respektvoll. Und das gibt ihm jeder im Projekt zurück.
Ganta ist neuerdings auch Referenzzentrum für die
multiresistente TB. Behandeln kann das Team um Pieter de Koning dort aber nur
„normale“ TB-Fälle. Der seitens der Regierung zugesagte, neue Krankenhaustrakt
für die MDR-TB Patienten sollte im Sommer 2013 fertig sein. Faktisch hat damit
aber noch niemand begonnen. Ebenso wartet Pieter auf die Medikamente, mit denen
man diese MDR-TB behandeln könnte. Das ist eben auch Liberia. Es geschieht
nicht alles, was gesagt wird. Und es dauert. Im Moment träumen alle davon, 24
Stunden langStrom zu haben, statt nur
stundenweise den eigenen Generator nutzen zu können.Wie die Verhandlungen mit dem staatlichen
Stromanbieter ausgehen, weiß noch keiner. Bestechungsgelder würden es sicher
beschleunigen, doch dieses Spiel spielen die Mitarbeiter des Projekts nicht mit. Darauf sind sie sehr stolz.
Für das Reiseteam
Harald
Meyer-Porzky
Öffentlichkeitsarbeit
& Fundraising
Stellvertr.
Geschäftsführer