24. September 2019

Titelgeschichte aus unserer neuen "Hoffnung auf Partnerschaft" (Herbst 2019)

Inika Shames in ihrem kleinen Laden. Foto: DAHW Indien / DAHW

Inika Shames kam im Norden Indiens taub zur Welt und ist seit Geburt taubstumm. Heute führt sie ein selbstständiges Leben als Besitzerin eines eigenen Ladens ...

Die 38-jährige Inika Shames* wurde 1981 in Rural Uttar Pradesh, einer Bergregion im Norden Indiens, geboren. Sie kam taub zur Welt und ist seit Geburt taubstumm. Die Familie zog nach Neu Delhi, hoffend, dass der Vater in der Großstadt Arbeit finden würde.

Doch diese Hoffnung erfüllte sich für die Familie nicht. Sie lebten weiter am Rande des Existenzminimums. Inika Shames ist in dem Slum Kalender Colony nahe der indischen Hauptstadt aufgewachsen. In der Schule war es schwer für sie, dem Unterricht zu folgen. Die Lehrer*innen hatten kaum Möglichkeiten, individuell auf ihre Einschränkung einzugehen und sie zu fördern.

Es war unmöglich für Inika Shames, eine reguläre Arbeit zu finden. Bis zu ihrem dreißigsten Lebensjahr lebte sie zu Hause und unterstützte ihre Mutter bei der Hausarbeit.

Sie empfand es als großes Glück, als sie einen Mann fand, der sie heiratete. Aber dieses Hochgefühl hielt nicht lange an. Ihr Mann verließ sie schon bald nach der Hochzeit. Die Eltern nahmen ihre Tochter wieder bei sich auf. Sie suchte erneut nach Arbeit, um sich und ihre Eltern vor dem Verhungern zu bewahren. Sie tat sich sehr schwer, zum einen wegen ihrer Behinderung und zum anderen aufgrund der fehlenden qualifizierten Berufsausbildung aufgrund ihres Handicaps.

Eines Tages erfuhr sie, dass eine lokale Hilfsorganisation eine Befragung durchführt. Das Ziel war, herauszufinden, wie viele Menschen mit Behinderungen bzw. Beeinträchtigungen ohne Hilfe ihr Dasein fristeten und wie diesen gegebenenfalls geholfen werden könnte.

Inika Shames wurde mittels eines Fragebogens durch die „Delhi Brotherhood Society“ ( Delhi Bruderschaft Gesellschaft), einer Partnerorganisation der DAHW Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe e.V. in Indien, befragt und zur Teilnahme an einem Förderprogramm eingeladen.

Zuerst nahm die junge Frau an den monatlichen Treffen der Selbsthilfegruppe teil. Hier wurde ihre Einschränkung immer berücksichtigt, zum Beispiel in der Form, dass sie alle Informationen schriftlich bekam und auch die Beiträge der anderen Teilnehmenden für sie aufgeschrieben wurden. Umgekehrt schrieb sie auf, was sie den anderen mitteilen wollte.

Durch die Unterstützung der DAHW (über ihre Partnerorganisation „Delhi Brotherhood Society“) erhielt Frau Shames einen Kleinkredit, der es ihr ermöglichte, im Haus ihrer Eltern einen Shop einzurichten. Hier verkauft sie Süßigkeiten und andere Dinge des täglichen Bedarfs. Dadurch kann sie jetzt ein eigenes Einkommen erwirtschaften und ein eigenständiges, selbstbestimmtes Leben führen.

Sie ist sehr dankbar, dass sie diese Chance bekommen hat: „Die Unterstützung, die ich erhalten habe, war eine große Hilfe für mich und meine Eltern, die inzwischen zu alt sind, um noch arbeiten zu können. Mit dem Verdienst aus dem kleinen Laden, den ich dank des Kredites eröffnen konnte, kann ich den Lebensunterhalt für uns verdienen. Es macht mich glücklich, dass ich meine Eltern unterstützen und ihnen das zurückgeben kann, was sie über viele Jahre für mich getan haben“.

Das Beispiel von Frau Shames zeigt, dass wir mit einer verhältnismäßig kleinen Unterstützung großes bewirken können. Sie steht dafür, dass Menschen mit Beeinträchtigungen selbstständig leben und für sich eintreten können. Mit etwas individueller Unterstützung oder einer Anschubhilfe. Sie ist eine von vielen, denen wir auf ähnliche Weise helfen können. Mit Ihrer Unterstützung.

Weitere Informationen zum Thema "Behinderung und Inklusion" in der Arbeit der DAHW finden Sie hier.

*Name geändert.


Unsere "Hoffnung auf Partnerschaft"

... informiert DAHW-Spender*innen regelmäßig über unsere weltweite Arbeit. Die Ausgabe Herbst 2019 widmet sich dem Thema "Inklusion".


Community Based Inclusive Development (CBID) = gemeindegetragene inklusive Entwicklung

Die DAHW strebt eine integrative Gesellschaft an, in der jeder akzeptiert wird und gleichberechtigt und selbstbestimmt teilnehmen kann – unabhängig von Geschlecht, Alter, Herkunft und Beeinträchtigung bzw. Behinderung. Unser Verständnis von Behinderung und Integration basiert auf der 2006 von den Vereinten Nationen (UN) verabschiedeten „Behindertenrechtskonvention“ (UN-BRK), die 2009 auch in Deutschland ratifiziert wurde (Stichwort Inklusion).

Weltweit leben etwa 15 Prozent der Bevölkerung oder eine Milliarde Menschen mit einer oder mehreren Beeinträchtigungen. 80 Prozent von ihnen leben in Entwicklungs- und Schwellenländern und sind überproportional von extremer Armut betroffen. Behinderung darf kein Grund oder Kriterium für den mangelnden Zugang zu Bildung, Beschäftigung, Gesundheitseinrichtungen sein. Ob Krankenhäuser, Flüchtlingslager, Schulen, lokale Gemeinschaften usw., Menschen mit Behinderungen sollten immer konsultiert und einbezogen werden.

Wir zählen es zu unseren Kernkompetenzen, Regierungen, NGOs, Unternehmen usw. bei der Inklusion dieser Menschen zu beraten. Das Ziel ist ihre Befähigung zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, egal von welcher Art der Beeinträchtigung sie betroffen sind.