23. August 2022

Dr. Ruth Pfau - eine Frau, die man nicht vergisst

Dr. Ruth Pfau
Bild: Jörg-Henning Meyer

Sie kam, sah und blieb. Ein besonderes Leben und bemerkenswertes Lebenswerk.

Die Geschichte der DAHW und das Wirken von Ruth Pfau sind untrennbar verbunden. Das hat der 10. August, der fünfte Todestag von Dr. Ruth Pfau, wieder bewusst gemacht. Viele Erinnerungen an Begegnungen mit Dr. Pfau sind im Gedächtnis geblieben. Denn niemand konnte sich ihrem Charisma entziehen. Niemand, den sie nicht mit ihrer menschlichen Wärme und Zugewandtheit berührt hat. Gleichzeitig war sie eine zielstrebige und starke Persönlichkeit. Sie gründete das Marie Adelaide Leprosy Center (MALC). Die erfolgreiche Zusammenarbeit der DAHW mit dem MALC besteht bis heute und wird auch in Zukunft fortgesetzt im Sinne von Dr. Ruth Pfau - weiter auf dem Weg, Lepra weltweit auszurotten.

In Erinnerung an Dr. Ruth Pfau: Anfänge der Lepraarbeit in Karachi

Die Lepraarbeit wurde 1956 von einer Gruppe sozial engagierter Menschen in den Slumvierteln der McLeod Road in Karachi begonnen. Die Freiwilligengruppe wurde geleitet von Frau Beatrix Menezes, Sr. Bernice Vargas, Dr. Anne Rochs und Sr. Mary Doyale.

Die Lebensbedingungen in der Leprakolonie waren unmenschlich. Es gab keine geeigneten Medikamente zur Behandlung der Lepra, keine medizinische Ausstattung, keinen Strom, kein Wasser, nur eine kleine Krankenstation, die die Gruppe mit Hilfe von Holzkisten eingerichtet hatte. Das Abwasser vermischte sich mit dem Müll. Es herrschte ein bestialischer Gestank, der aus den offenen Abflüssen quoll. Es gab lange Schlangen von Menschen, die von Lepra betroffen und gezeichnet waren.

Trotz all dieser Herausforderungen nahm die Gruppe den Kampf gegen die Lepra auf. Die Frauen führten ihre gesamte Arbeit von der Krankenstation aus durch. Hilfe in Form von Verbandsmaterial und Nahrungsmitteln für die Patient:innen kam von verschiedenen Spendenorganisationen.

Sie kam und blieb

Im Jahr 1960 kam Dr. Ruth Pfau nach Karachi. Ihre eigentlich geplante Weiterreise nach Indien verzögerte sich wegen eines Problems mit dem Visum. Sie schloss sich der Gruppe an. Schon bei ihrem ersten Besuch in der Kolonie der Leprakranken war sie deprimiert über die Situation und beschloss schließlich, in Pakistan zu bleiben, um den betroffenen Leprakranken zu helfen. Schnell baute sie die grobschlächtige Krankenstation zu einem richtigen Krankenhaus um – ein vollwertiges Lepra-Behandlungs- und Rehabilitationszentrum, das für die Patient:innen kostenlos war und bis heute ist.

 

Eine Erinnerung von Mervyn Lobo

Ein Interview mit Dr. Ruth Pfaus langjährigen Weggefährten Mervyn Lobo finden Sie in der Ausgabe 10/22 von "einfach leben" ab Ende September. Mehr Infos finden Sie hier: www.herder.de/el/

Mit freundlicher Genehmigung ein Auszug aus diesem Interview:

einfach leben: "Vor fünf Jahren starb Ruth Pfau. Sie sind ihr Nachfolger in dem Projekt, das weiter wächst und sich über ein ganzes Land erstreckt."
Mervyn Lobo: Keine einzelne Person kann die Nachfolge von Dr. Pfau antreten kann, sie war eine Institution. Ich bin eines ihrer Teammitglieder, das versucht, ihre Arbeit fortzusetzen. Wie einer ihrer Freunde sagte: „Die Arbeit, die sie begonnen hat, hat kein Ende“. Es vergeht kein Tag, an dem wir uns nicht fragen: Wie hätte sie das gemacht? Für uns ist sie nach wie vor ein Wegweiser zu allen aktuellen und zukünftigen Lösungen.

"Sie haben Karriereperspektiven ausgeschlagen und unter schwierigen Umständen mit einer Nonne in einer Hilfsorganisation zusammengearbeitet. Wieso?"
Mervyn Lobo: Es war eher Zufall, dass ich an das Leprakrankenhaus geriet. Seit 1990 habe ich mit Dr. Pfau zusammengearbeitet, sehr eng bis zu ihrem Tod am 10. August 2017. In der Zentrale von MALC in Karachi waren wir jeden Tag von 7:30 Uhr bis spät in die Nacht zusammen. Es gab Zeiten im Außendienst, in denen ich mit ihr tagelang in einem Zimmer eingesperrt war. Sie war ein Workaholic, und ich als junger Mann hatte viele Hobbys und Freunde. Aber sie hat einfach mein Leben übernommen und mich zum Besseren verändert. Seit ich mit ihr arbeitete, fühlte ich: Jetzt hat mein Leben Sinn. Und warum ich andere lukrative Angebote abgelehnt habe? Ich hätte ihr sonst nicht mehr in die Augen schauen können. Sie war mein Vorbild und wird es bis zu meinem Tod bleiben. Sie hat viel von anderen gefordert, uns aber auch Zuversicht gegeben. Ich habe immer mit meiner Frau gescherzt und gesagt: Was immer passiert, ich werde in den Himmel kommen. Denn Dr. Pfau wird dort sein, und sie wird nach mir verlangen. Sie wird mich herbeizitieren.

Weitere Fragen, wie diese und seine spannenden Antworten sind dort in "einfach leben" zu finden. Auch spricht Mervyn Lobo zum ersten Mal über seinen Sohn, der erst vor kurzem gestorben ist. Ehrliche Antworten, die überraschen.

Komplettes Interview


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