01. Juli 2017

JB 2016 - Jacob muss das Lachen erst wieder lernen

Eine Mischung aus Angst und etwas Hoffnung prägt die jungen Patienten von Pasada. Jacob hat hier Spielkameraden gefunden, doch kurz vor den Untersuchungen sind alle angespannt.
Eine Mischung aus Angst und etwas Hoffnung prägt die jungen Patienten von Pasada. Jacob hat hier Spielkameraden gefunden, doch kurz vor den Untersuchungen sind alle angespannt. Foto: Jochen Hövekenmeier / DAHW

Viele Kinder in Dar es Salaam leben mit HIV und Tuberkulose

Tansania hat viele Probleme, zwei der größten sind HIV/Aids und Tuberkulose (TB). Besonders schlimm ist es in der ehemaligen Hauptstadt Dar es Salaam: Rund 4,5 Mio. Einwohner hat die Stadt offiziell, viele der täglich neu hinzukommenden Menschen sind seit der letzten Schätzung vor fünf Jahren noch gar nicht mitgezählt. Die meisten davon leben in engen, dunklen Verhältnissen, in den ausgedehnten und überfüllten Slums oft auch ohne Anschluss an Wasser oder Kanalisation. Idealer Nährboden für Krankheiten der Armut, besonders Tuberkulose. Doch in der Nähe einiger Armutsviertel liegt PASADA, ein Ort, der Hoffnung gibt und mit Unterstützung der DAHW den Menschen hilft, die an HIV und TB erkrankt sind.

Sieben Jahre alt sei er, sagt Jacob G., aber so genau wisse er das nicht. Seinen Vater hat er nie kennengelernt, vor knapp drei Jahren ist seine Mutter an HIV gestorben. „Mindestens neun ist Jacob“, sagt Dr. Ayubu Omari, der ihn heute untersucht, „aber das ist eigentlich doch egal. Wichtig ist, dass er heute noch lebt.“

Zwei Jahre hat Jacob auf der Straße gelebt, gebettelt, gestohlen, sich mit anderen Kindern um die besten Plätze dafür gestritten. Bis er so krank wurde, dass ihn andere Straßenkinder nach PASADA gebracht haben. „Pastoral Activities and Services for people with AIDS Dar es Salaam Archdiocese“, so heißt diese Einrichtung der Erzdiözese genau, wird seit einvielen Jahren durch die DAHW unterstützt und kümmert sich seit 25 Jahren um die an HIV leidenden oder bereits an Aids erkrankten Menschen in der Millionenstadt, darunter auch viele, die gleichzeitig an TB leiden.

„Diese Kombination kann tödlich sein“, bestätigt Dr. Omari und belegt es sogleich mit Zahlen: Von den 164.000 TB-Patienten, die im vergangenen Jahr neu an TB erkrankt sind, ist jeder dritte mit HIV infiziert. Von den 55.000 Patienten, die im gleichen Zeitraum an TB gestorben sind, sogar jeder zweite. Die Gefahr, an TB zu sterben, ist für HIV-Patienten doppelt so hoch. Jacob hat überlebt, weil er gerade noch rechtzeitig hier ankam. Dr. Omari erinnert sich noch: „Erstmal aufpäppeln, haben wir uns damals gesagt und ihn stationär aufgenommen. Doch dann kam schnell die Diagnose: TB und HIV positiv. Wir haben uns gewundert, dass er überhaupt noch lebte.“

Und hier waren sich alle schnell einig: Jacob sollte weiter leben und ein Kind sein dürfen, sich wie andere Kinder entwickeln. Geholfen haben die Nonnen der benachbarten Kirchengemeinde mit ihrem Waisenhaus. Hier geht Jacob auch zur Schule, hat das erste Schuljahr bald beendet. „Vielleicht ist es ganz gut, dass er selbst glaubt, er sei erst sieben Jahre alt,“ meint Dr. Omari, „dann hat er das Erfolgserlebnis, der größte in seiner Klasse zu sein, statt den Makel des Spätstarters.“

Alle zwei Wochen kommt er hierher und wird untersucht, die Medikamente nimmt er im Waisenhaus ein. Andere Kinder müssen ein- bis zweimal pro Woche hier erscheinen und unter Aufsicht ihre Tabletten schlucken, aber das machen bei Jacob besser die Nonnen. Sie und Dr. Omari sind die einzigen Menschen, denen Jacob vertraut: „Was ihm alles widerfahren ist während seiner Zeit als Straßenkind, können wir nur erahnen. Und all diese Ahnungen enden schrecklich.“

Auf der Wartebank in PASADA sitzt er einfach nur still, während andere Kinder spielen und toben, lachen oder singen. Manchmal hockt er sich mit auf den Teppich, auf dem buntes Spielzeug liegt, und manchmal spielt er auch ein paar Minuten damit. Allein für sich, nicht mit den anderen Kindern. Und schnell geht sein Blick wieder ins Leere. Ob er Angst hat, an seine tote Mutter denkt oder noch schlimmere Erinnerungen durchlebt, sagt er nicht. So weit geht das Vertrauen wohl doch noch nicht. „Das wird schon noch“, sagt der Arzt, der schon viele Kinder betreut hat, die von der Straße ins Waisenhaus gekommen sind, „wichtig ist jetzt erstmal, dass wir die Tuberkulose ganz ausheilen und er dann regelmäßig seine antiretroviralen Medikamente wegen der HIV-Infektion bekommt.“
Und dann muss Jacob auch noch lernen, dass er diese Medikamente wohl sein Leben lang einnehmen muss, oder zumindest so lange, bis HIV heilbar sein wird. Er wird es lernen, da sind sich hier alle sicher, die ihn kennen, und er wird schnell begreifen, dass er nicht wie seine Mutter an Aids erkranken und sterben wird, solange er diese Medikamente einnimmt.

Und irgendwann wird er auch wieder lernen, zu lachen und zu spielen wie die anderen Kinder, die hier von ihren Müttern oder Vätern begleitet werden. Irgendwann wird auch das passieren, da sind sich alle sicher. Dann wird Jacob ein ganz normaler Junge sein, der zwar mit HIV infiziert ist, damit aber ein ganz normales Leben führen kann. Solange es PASADA oder andere Einrichtungen gibt, in denen die Menschen versorgt werden, die sich dies ansonsten nicht leisten können.


Gefährliche Resistenzen

Resistenzen gegen Antibiotika sind von Menschen verursacht: Wird eine Therapie mit Antibiotika vorzeitig abgebrochen, werden überlebende Bakterien gegen die bislang eingesetzten Medikamente resistent und geben diese Information bei ihrer Teilung weiter.

Eine „einfache“ Tuberkulose ist relativ gut zu behandeln: Die Standard-Therapie mit den Antibiotika Rifampizin, Isoniazid, Ethambutol und Pyrazinamid muss über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten eingenommen werden – die ersten beiden Monate alle vier, danach noch Rifampizin und Isoniazid.

Einfache / mehrfache Resistenz

Ist der Bakterienstamm gegen ein oder mehrere Antibiotika der Standard-Therapie resistent, kann man diese austauschen und die Therapie verlängern.

Multiresistente Tuberkulose (MDR-TB)

Hier sind TB-Erreger gleichzeitig resistent gegen Rifampizin und Isoniazid, die beiden wichtigsten Medikamente der Standard-Therapie. Es reicht nicht aus, diese beiden Medikamente auszutauschen. Hilfe kann es nur durch einen Mix aus anderen Antibiotika geben, z.B. Capreomycin, Kanamycin, Thionamide wie Ethionamid, Fluorchinolone wie Moxifloxacin, sowie Bakteriostatika wie Cycloserin.

Extrem resistente Tuberkulose (XDR-TB)

Bakterienstämme der XDR-TB haben zusätzlich zu den Resistenzen der MDR-TB auch Resistenzen gegen Fluorchinolone sowie ein weiteres Second-Line-Medikament. Dadurch wird die Auswahl der Ersatzmedikamente eingeschränkt.
Auch die Diagnose ist sehr aufwendig und teuer, in Entwicklungsländern gibt es nur wenige Labore, die eine XDR-TB eindeutig identifizieren können. So sterben viele Patienten während der bis zu zwei Jahre dauernden MDR-Behandlung, weil die Bakterien zusätzliche Resistenzen der XDR-TB hatten.

Total resistente Tuberkulose (TDR-TB)

Resistenzen gegen weitere Ausweichmedikamente führen zu einer total resistenten TB. Patienten, deren Erkrankung durch derartige Bakterienstämme hervorgerufen wird, können nach heutigem Stand nicht behandelt werden. Sie können lediglich darauf hoffen, dass die neu in der Forschung befindlichen Medikamente bald fertig entwickelt und getestet sind. Allerdings werden die oft nur rudimentär vorhandenen Gesundheitssysteme in Entwicklungsländern diese teuren Medikamente nicht bezahlen können. So sterben Menschen, weil sie arm sind.


Statistiken zu Tuberkulose

TB ist die am häufigsten zum Tod führende, behandelbare Infektionskrankheit. Seit 2005 sind mehr als 100 Millionen Menschen an Tuberkulose erkrankt und fast 20 Millionen Menschen daran gestorben. Jeder sechste Patient stirbt heute noch an dieser Krankheit, obwohl sie relativ einfach zu behandeln ist.

Die meisten Neuerkrankungen gab es 2015 mit rund 2,8 Mio. in Indien, eine Steigerung von rund 700.000 Neuerkrankungen im Vergleich zum Vorjahr. In China sind mehr als 900.000 Menschen neu an TB erkrankt, in Pakistan mehr als 500.000.

Während in Asien die vielen erkrankten Menschen in den überbevölkerten Slums Sorgen bereiten, sind es in Afrika die Menschen, die an einer TB-HIV-Koinfektion leiden. Beispiel Südafrika: Von rund 55 Mio. Einwohnern sind 454.000 neu an TB erkrankt, 258.000 davon (57%) waren HIV-Positiv. Todesopfer: 98.000, davon 73.000 (74%) HIV-Positiv.

Weltweit sind rund 11,3% aller TB-Patienten HIV-Positiv, was die Behandlung kompliziert und sehr teuer macht sowie oft zu schweren Nebenwirkungen führt. Von den fast 1,2 Mio. Patienten mit TB-HIV-Koinfektion leben 830.000 in Afrika.

Von den insgesamt 10,4 Millionen Neuerkrankungen stammen 9 Millionen (87%) aus 30 Schwerpunktländern, in denen es auch 1,54 der 1,79 Millionen Todesopfer gab (86%). Die DAHW ist in acht dieser Schwerpunktländer mit Programmen und Projekten vertreten (Äthiopien, Brasilien, Indien, Liberia, Nigeria, Pakistan, Uganda und Tansania).