19. Januar 2023

Kapazitäten aufbauen, Wissen weitergeben, Lepra weiter eindämmen!

Irgendwo im Nirgendwo: Dr. Saskia Kreibich auf dem Weg in das einzige Krankenhaus in einem sehr entlegenen Gebiet im Süden des Sudan. Die Global Health Beraterin der DAHW begann dort, gemeinsam mit ihrem Kollegen Dr. Tanyous, Gesundheitsmitarbeitende in der Lepra-Diagnose und -Behandlung zu schulen. Foto: Saskia Kreibich / DAHW

Wie kann Lepra behandelt und bekämpft werden? Die DAHW Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe trainiert und unterrichtet medizinisches Personal – selbst da, wo sonst keiner hinkommt.

Zum Welt-Lepra-Tag am 29. Januar und dem Welttag gegen Vernachlässigte Tropenkrankheiten (Neglected Tropical Diseases, NTDs) am 30. Januar ruft die DAHW Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe dazu auf, in den Aufbau von medizinischen Kapazitäten zu investieren, um das gesamte Spektrum der Patient:innenversorgung abzudecken. Nur wenn vernachlässigte Krankheiten wie Lepra richtig und frühzeitig erkannt werden, besteht eine Chance, sie eines Tages auszurotten. Die DAHW unterstützt dafür die Ausbildung von medizinischem Fachpersonal in ihren Projektländern des Globalen Südens – mit dem Ziel, dass das gelernte Know-how angewandt und weitergegeben wird.

Würzburg / Addis Abeba / Kauda, den 29. Januar 2023: Das All Africa Leprosy Tuberculosis and Rehabilitation Training Centre (ALERT) ist ein Ausbildungszentrum in Addis Abeba in Äthiopien, das seit vielen Jahren von der DAHW Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe unterstützt wird. „Erst im vergangenen Herbst haben wir dort ein zweiwöchiges Ausbildungsprogramm für medizinische Berater:innen durchgeführt“, berichtet Dr. Christa Kasang, Forschungskoordinatorin bei der DAHW.

Während der Schulung erhielten die Teilnehmer:innen eine intensive und gründliche Ausbildung in allen relevanten Bereichen der Lepraversorgung. Dazu gehört neben der Prävention, Frühdiagnose, und Behandlung beispielsweise auch der Umgang mit sozialen Aspekten der Krankheit. Mithilfe des erworbenen Wissens können sie nach ihrer Rückkehr in die Programmbüros andere Mitarbeiter:innen, die am nationalen Lepraprogramm und anderen Projekten beteiligt sind, effektiv ausbilden. „Wir schulen und trainieren die Ausbilder:innen und statten sie mit Lehrmaterial aus. So stellen wir eine qualitativ hochwertige Patient:innenversorgung sicher. Hinzu kommt: Je umfassender und tiefer die Kenntnisse über Lepra, desto besser kann uns gemeinsam die Bekämpfung von Stigmatisierung und Mythen in Zusammenhang mit der Krankheit gelingen“, so Dr. Kasang. „Wir sehen solche Trainings auch als Plattform. Die Teilnehmer:innen stammten selbst aus mindestens sieben verschiedenen Ländern. Sie konnten sich austauschen und viel über die länderspezifische Lepra-Arbeit voneinander erfahren und lernen“, resümiert sie.

Wissen vermitteln – auch da, wo keiner hinkommt

In einer Großstadt wie Addis Abeba ein solches Training zu organisieren und durchzuführen, ist für die DAHW dank der professionellen Aufstellung im äthiopischen Regionalbüro gut möglich. Weitaus schwieriger gestaltet sich die Wissensvermittlung und die Ausbildung von medizinischem Personal in den entlegensten Regionen dieser Welt, wie zum Beispiel im Sudan. „Gemeinsam mit Dr. Emile Tanyous, der für uns seit vielen Jahren sehr engagiert im Sudan arbeitet, war ich in diesem Jahr zum ersten Mal in den Nuba-Bergen. Das ist eine von der Infrastruktur vollkommen abgeschnittene Bergwelt im Süden des Landes“, erzählt Dr. Kreibich, Global Health-Beraterin bei der DAHW. „Dort gibt es kein fließendes Wasser, keine Telefonverbindung, keine Straßen, nur Berge – und geschätzte zwei Millionen Menschen, die hier leben. Da haben wir tatsächlich bei Null angefangen. Wir mussten selbst erst einmal ein Verständnis für die Lepra-Situation vor Ort gewinnen. Wir wussten, dass es ein einziges Krankenhaus gibt, in dem Lepra ,mit‘-behandelt wird. Bald stellten wir fest, dass es immerhin Medikamente gibt, eine gewisse Expertise und vor allem ein engagiertes Team, das offen ist für neues Wissen, aktuelle Richtlinien und die Grundlagen in der Lepra-Arbeit. Es gibt niemanden, der das medizinische Personal in diesem Krankenhaus oder gar der gesamten Region der Nuba Berge in den letzten Jahren bis Jahrzehnten zu Lepra geschult, unterstützt oder auf den neuesten Wissensstand gebracht hat.“ Und noch dazu ist die Klinik komplett überlastet. „Die Patient:innen verbringen die mindestens sechsmonatige Behandlungszeit hier, werden also nicht ambulant betreut, was durchaus möglich wäre. Manche werden sogar deutlich länger behandelt und verbringen mehrere Jahre stationär in der Klinik. Vor allem die vielen Kinder leiden unter dieser Situation, da sie den Anschluss in der Schule verlieren und sich ihre Bildungschancen dadurch verschlechtern“, erklärt die Gesundheitsexpertin.

Vom Labor bis zur Wundversorgung

Die DAHW aber gibt die Hoffnung nicht auf und fängt – wenn es sein muss – eben bei Null an. „Zusammen mit Dr. Tanyous habe ich eine erste eintägige Schulung für 18 Gesundheitsmitarbeitende aus verschiedensten Kliniken und kleinen, einfachen Gesundheitszentren durchgeführt“, erzählt die Global Health-Beraterin. „Natürlich ist das nur ein Auftakt.“ So wird Dr. Tanyous das Krankenhaus im April erneut besuchen und das Wissen der Teams zu klinischer Diagnose, Behandlung, Lepra-Management, Lepra-Reaktion und Kontaktnachverfolgung vertiefen. Bei einer Laborschulung sollen die Mitarbeitenden lernen, wie sie anhand von Lebendbakterien unter dem Mikroskop aktuell erkrankte Lepra-Patient:innen von ehemaligen unterscheiden können. „Da es dort weder Daten noch Patient:innenregister gibt, werden ehemalige Betroffene teilweise erneut stationär aufgenommen und behandelt. Dabei sind ihre Behinderungen Folgen einer Lepra-Erkrankung, die schon mehr als 10 Jahre zurückliegt“, erklärt Dr. Kreibich. Das DAHW-Team steht noch am Anfang der Bedarfsanalyse. „Wir können bislang noch nicht einschätzen, ob Lepra hier ein besonders dringliches oder eher ein langwierig verschlepptes Problem ist. Ob es nur an der richtigen Versorgung und an Fachwissen mangelt, wie viele Menschen tatsächlich betroffen sind und warum es so viele Kinder unter ihnen gibt.“ 

„Invest in NTDs!“

Um die ehrgeizigen Ziele der NTD-Roadmap 2030 der WHO zu erreichen, braucht es Investitionen. Die Initiatoren und teilnehmenden Organisationen des Welttags gegen Vernachlässigte Tropenkrankheiten (NTDs) am 30. Januar fordern daher, mehr Mittel bereitzustellen. „Für uns ist auch die Ausbildung von medizinischem Fachpersonal, der Aufbau von Kapazitäten und von Kompetenzen eine Investition in die Bekämpfung der vernachlässigten Krankheiten“, erklärt Dr. Kreibich. „Denn wir wollen medizinische Dienstleistungen in Gemeinden bringen, die bislang ohne Versorgung sind. Wir investieren in Menschen, in die Wissenschaft und in die Weitergabe von Know-how. Dafür fahren wir – wenn es sein muss – stundenlang durch verlassene Bergwelten im Sudan, bis wir das einzige Krankenhaus, das letzte Dorf und wirklich alle Menschen erreicht haben. Das ist unser Anspruch und mit jedem Training, das wir durchführen können, kommen wir dem Ziel, der Lepra und anderen NTDs ein Ende zu setzen, ein kleines Stück näher.“


Mehr zum Welt-Lepra-Tag


Helfen Sie jetzt mit einer Spende