16. Januar 2025

Lepra-Expertin zu Impfstoff-Forschung: „Das wäre der große Gamechanger.“

LepVax Dosis. Foto: IDRI

Ein zugelassener Impfstoff könnte den entscheidenden Erfolg in der Lepra-Bekämpfung bringen, davon ist Dr. Christa Kasang, Forschungskoordinatorin der DAHW Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe, überzeugt. Sie arbeitet seit Jahren mit daran, ein Vakzin zu entwickeln und stößt dabei immer wieder auf Hindernisse. Das größte, sagt sie, ist das mangelnde Interesse der Industriestaaten – und der Pharmaindustrie. Nun geht die Forschung in eine neue Phase.

Frau Dr. Kasang, wann wird es einen Lepra-Impfstoff geben?

Es gibt ihn bereits – er ist aber noch nicht zugelassen. Leider haben wir durch Verzögerungen während der Corona-Pandemie fast fünf Jahre verloren, aber in diesen Tagen beginnt eine wichtige neue Phase des Zulassungsverfahrens: Bisher haben wir den Impfstoff nur in den USA auf Verträglichkeit getestet, das heißt, die Proband:innen hatten sicherlich noch nie in ihrem Leben Kontakt zu Lepra, weil die Krankheit in den USA quasi nicht vorkommt. Die nun beginnende Testphase wird aber in Brasilien stattfinden, einem Land, in dem es 2023 rund 23.000 neue Lepra-Fälle gab. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass unter den Proband:innen schon jemand Kontakt zu Lepra hatte und davon erhoffen wir uns neue Erkenntnisse. Wenn alles gut läuft, könnte der Impfstoff in etwa zehn Jahren zugelassen werden.

Was erhoffen Sie sich von der Lepra-Impfung?

Der Impfstoff kann im besten Fall sowohl zur Prävention als auch zur Behandlung eingesetzt werden. Aktuell behandeln wir Lepra mit einer Antibiotika-Therapie und verabreichen Kontaktpersonen eine medikamentöse Prophylaxe. Diese Post-Expositions-Prophylaxe, auch PEP genannt, die 2018 von der WHO empfohlen wurde, war für uns der erste große „Gamechanger“ bei der Lepra-Bekämpfung. Ein zugelassener Impfstoff könnte einen zweiten, riesigen Unterschied machen – und im Endeffekt dafür sorgen, dass Lepra endgültig besiegt wird.

Warum wäre der Effekt so groß?

Einfach ausgedrückt: Weil die Betroffenen so schwer zu finden sind. Lepra betrifft oft Menschen, die abseits der großen Städte in schwer zugänglichen Regionen leben, sei es im Uluguru-Gebirge in Tansania, in Krisenregionen wie dem Jemen oder in den Nuba-Bergen im Sudan, wohin kaum eine Straße führt. Aktuell können sich Menschen, die eine Post-Expositions-Prophylaxe bekommen haben, jederzeit wieder mit dem Lepra-Bakterium infizieren. Das macht eine regelmäßige prophylaktische Behandlung notwendig. Unsere Teams müssen also häufig beschwerliche und komplizierte Reisen unternehmen, um die endemischen Gebiete zu erreichen. Bei einem Impfstoff hingegen gehen wir von einem Schutz aus, der bis zu zehn Jahre anhalten könnte.

Man könnte also Ressourcen nachhaltiger einsetzen?

Ja, und schließlich das schaffen, was jetzt zum Beispiel bei den lebensgefährlichen Pocken erreicht wurde, die früher weit verbreitet waren: Dass wir wirklich keine neuen Fälle mehr sehen, weltweit. Aktuell wird die Behandlung der Risikogruppen mit PEP immer wieder unterbrochen – weil wir zum Beispiel im Krisen- oder Katastrophenfall nicht in die endemischen Regionen gehen können, keine aktive Fallsuche durchführen können und keine Prophylaxe ausgeben können. Dort beobachten wir, dass sich Lepra wieder verbreitet.

Während der Corona-Pandemie wurde in Rekordzeit ein Impfstoff gefunden. Lepra existiert schon seit Menschengedenken – warum gibt es immer noch keine zugelassene Impfung?

Dafür gibt es mehrere Gründe. Einerseits ist Corona ein Virus, Lepra aber eine bakterielle Infektion – da ist es ungleich schwieriger, eine Impfung zu entwickeln. Aber vor allem ist Lepra eine vernachlässigte Krankheit, das heißt, Industrieländer sind nicht oder nicht primär betroffen. Da fehlt das Interesse. Und in den Ländern, in denen Lepra vorkommt, stecken sich vor allem Menschen an, die von Armut betroffen sind oder zu stigmatisierten Gruppen gehören, die also keine Lobby haben und wenig Fürsprache.

Was bräuchte es auf einer gesellschaftlichen Ebene, um das zu ändern?

Wir brauchen das Interesse von Wirtschaftsunternehmen. Mit einer Lepra-Impfung lässt sich kein Geld verdienen. Nötig wären entweder eine institutionelle Förderung durch die Politik oder direkte Gelder für die Bekämpfung von Erkrankungen, die nicht von wirtschaftlichem Interesse sind.

Was können wir als Zivilgesellschaft tun, um zu helfen?

Wir müssen das Gesundheitssystem immer wieder daran erinnern, dass es nicht nur um Nutzen und Geld geht, sondern um Menschen und Erkrankungen. Dafür müssen wir einstehen und wir müssen einfordern, dass im Gesundheitsbereich eben nicht unterschieden wird zwischen lukrativer Forschung und nicht lukrativer Forschung. Ich denke, das liegt in der Verantwortung aller Bürger:innen in der Bundesrepublik, in der Europäischen Union, in den USA: Uns dafür stark zu machen, dass wir für unser Gesundheitssystem Regularien brauchen. Und auch von Mediziner:innen im Globalen Norden brauchen wir Fürsprache im Bereich vernachlässigte Tropenkrankheiten.


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Prävention von Lepra: Prophylaxe, Medikation, Impfung. 



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