21. Oktober 2022

Memento-Preisverleihung 2022: Schlafkrankheit und Schlangenbisse im Fokus

„Grundlagenforschung an vernachlässigten Krankheiten ist Forschung für eine nachhaltige Entwicklung.“

Berlin, 20.10.2022. Für seine Leistungen in der Grundlagenforschung zum Erreger der Schlafkrankheit wird Markus Engstler vom Biozentrum der Universität Würzburg mit dem Memento Forschungspreis 2022 ausgezeichnet. Der Memento Medienpreis geht in diesem Jahr an die freie Journalistin Clara Hellner. Ihr geplantes Projekt widmet sich der schwierigen Versorgung von Menschen, die Vergiftungen durch Schlangenbisse erlitten haben. Beide Preise sind mit 5.000 Euro dotiert, die Verleihung findet am 20. Oktober nach zwei Jahren erstmals wieder in Präsenz in Berlin statt.

Die meisten Fälle der Schlafkrankheit treten in Ländern südlich der Sahara auf, vor allem in entlegenen ländlichen Gegenden. Ihre Erreger, sogenannte Trypanosomen, werden durch die Tsetsefliege übertragen. Zugleich bilden Wild- und Nutztiere wichtige Reservoirs für die Parasiten. Memento Forschungspreisträger Markus Engstler weist auf eine besorgniserregende Dynamik hin: „Vernachlässigte Krankheiten wie die Schlafkrankheit, welche derzeit nicht in sehr großen Fallzahlen auftritt, werden kaum oder gar nicht mehr erforscht. Neue Medikamente und Therapien können aber ohne ein grundlegendes Verständnis von Erreger und Krankheit nicht entwickelt werden und dieses Know-how geht unwiederbringlich verloren.“ Das One Health-Konzept ist zwar in aller Munde, aber die große Gefahr der Übertragung weiterer Trypanosomenarten von Tieren auf den Menschen – nicht zuletzt getrieben durch den globalen Wandel – wird weitgehend ignoriert. „Zudem stellen asymptomatische Infektionen ein unkontrollierbares Risiko dar, denn wir wissen quasi nichts über sie“, erläutert Engstler. Die Pharmaindustrie sieht dieses Arbeitsfeld nicht als lukrativ genug an. Es kommt zu einem Marktversagen zulasten der Patient*innen. Deshalb spielt öffentliche Förderung eine elementare Rolle. „Leider ist zu beobachten, dass die Mittel für die Grundlagenforschung zu vernachlässigten Krankheiten weltweit rapide abnehmen,“ so Engstler, der zugleich hervorhebt: „Grundlagenforschung an vernachlässigten Krankheiten ist Forschung für eine nachhaltige Entwicklung, nicht nur im globalen Süden.“

Die dramatischen Auswirkungen eines global ungerechten Systems medizinischer Forschung und Produktion werden auch im geplanten Projekt von Clara Hellner, Empfängerin des Medienpreises 2022, deutlich. Mit der Unterstützung durch das Memento-Stipendium möchte sie in einer Reportage aufzeigen, wie Mediziner*innen, Tierärzt*innen und Pfleger*innen in Kenia gegen Schlangenbisse und ihre Folgen kämpfen. Während Vergiftungen durch Reptilien im globalen Norden selten sind und meist eher glimpflich verlaufen, stellen sie in vielen Gegenden des Südens ein massives Gesundheitsproblem dar. „Amputationen und Todesfälle wären vielfach vermeidbar, gäbe es nicht einen horrenden Mangel am rettenden Gegengift. Es muss teuer importiert werden, wird deshalb oft durch Fälschungen oder gegen bei lokalen Schlangen unwirksame Präparate ersetzt“, erklärt Hellner. Dies ist ein direktes Resultat der Vernachlässigung wichtiger Gesundheitsbedürfnisse durch kommerzielle Akteure. Die Patient*innen sind meist arm, immer weniger Anbieter engagieren sich daher in dem Bereich. Lokale Lösungen in der Forschung und Herstellung sind umso notwendiger. Auch mit Blick auf die Zukunft, wie Hellner deutlich macht: „Der primär von reichen Staaten verursachte Klimawandel trifft Länder wie Kenia hart. Er bringt auch die Beziehung zwischen der häufig am Existenzminimum lebenden Landbevölkerung und den Giftschlangen aus dem Gleichgewicht. Überflutungen und Dürren schränken den Lebensraum der Tiere immer weiter ein und zwingen sie für Nahrung und Schutz in die Dörfer, während zugleich Menschen weiter in die Natur eindringen.“

Der Memento Preis für vernachlässigte Krankheiten wird 2022 zum neunten Mal vom Memento Bündnis vergeben, das aus Ärzte ohne Grenzen, Brot für die Welt, der BUKO Pharma-Kampagne und der DAHW Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe e.V. besteht. Ziel der Organisationen ist es, mehr Aufmerksamkeit für die vernachlässigten Gesundheitsbedürfnisse von Menschen in ärmeren Ländern zu schaffen.