20. Juli 2016

MI und DAHW: Stellungnahme zum Amoklauf in Würzburg

Bei Ursachenforschung auch mögliche Trauma-Folgestörung des Minderjährigen in Betracht ziehen.

(Würzburg, 19.07.2016) Angesichts der schlimmen Ereignisse in der Nacht des 18.07.2016 sind die beiden Würzburger Hilfswerke MI und DAHW tief betroffen:

„Wir verurteilen die Tat aufs Schärfste und hoffen auf baldige vollständige Genesung aller verletzten Personen. Gleichzeitig appellieren wir an Öffentlichkeit und Behörden, differenzierte Ursachensuche zu betreiben. Aus unserer täglichen Arbeitserfahrung und internationalen Studien wissen wir, dass Traumatisierung durch die Zustände im Heimatland, die Erlebnisse auf der Flucht sowie durch das langwierige Asylverfahren zu schweren psychischen Störungen führen kann.“

Menschen, die vor Krieg, Gewalt und Armut – wie zum Beispiel in Afghanistan – fliehen, haben oft Furchtbares erlebt. Schnelle und kompetente Betreuung und Behandlung können ein Trauma mildern. Tatsächlich warten Menschen mit Traumatisierung oft vergeblich auf Hilfe. Vielfach werden die Auswirkungen hierzulande noch verstärkt. Die Ärzte und Fachkräfte von MI und DAHW weisen auf eine zunehmende Anzahl von Studien hin, die belegen, dass die lange Dauer des Asylverfahrens, die Art der Unterbringung in Heimen und die Häufigkeit von Umverteilungen einen destabilisierenden Effekt auf Asylsuchende, insbesondere auf Minderjährige, haben.

"Die Durchführung einer professionellen Traumatherapie oder auch nur von Maßnahmen zur psychischen Stabilisierung der Betroffenen werden uns oft erschwert", so Dr. Eva-Maria Schwienhorst, Ärztin bei der DAHW und zugleich tätig bei der medizinischen Versorgung von Flüchtlingskindern im Würzburger Raum. Die jahrelange Erfahrung des MI bei der Arbeit mit Geflüchteten lehre dies. Es fehle nicht nur an Therapieplätzen, sondern auch an qualifizierten Dolmetschern. Zudem verhinderten das schwerfällige Verfahren der Antragsstellung und rechtzeitige Genehmigung der Kostenübernahme durch die Behörden die notwendige zügige psychologische Behandlung.

Eine strukturierte Früherkennung und Versorgung von Trauma-Folgestörungen können einen wichtigen Beitrag zur Integration sowie Verhinderung von Radikalisierung und Amokläufen leisten.

Hintergrund:

Die DAHW Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe arbeitet seit vielen Jahren in von Krieg und Katastrophen betroffenen Ländern, u. a. in Afghanistan, und kennt aus erster Hand die Realität der schweren Lebensbedingungen vor Ort.

Das Missionsärztliche Institut leistet seit 2008 die medizinische Versorgung der Bewohner der Gemeinschaftsunterkunft und seit 2015 zusätzlich auch der Notunterkünfte im Würzburger Raum.

Am 28.07.2016 und 03.08.2016 finden im Missionsärztlichen Institut öffentliche Veranstaltungen mit Diskussion und Vertiefung zum Themenfeld Flüchtlingsgesundheit statt.