16. November 2004

Nepal: Lepra-Arbeit auf dem Dach der Welt

Lepra ist in Nepal zu einer normalen Krankheit geworden. Doch bis zur Ausrottung ist es noch ein langer Weg.

"Wenn du helle Flecken auf deinem Körper siehst, könnte es Lepra sein. Geh zum Arzt, denn Lepra ist heilbar!" steht auf dem Jeep der "International Nepal Fellowship" (INF) in der Landessprache Nepali.

 

 

Geh zum Arzt, denn Lepra ist heilbar!" steht auf dem Jeep der "International Nepal Fellowship (INF) in der Landessprache Nepali. Foto: DAHW / Jürgen Hammelehle.

"Das Stigma macht die Menschen zu Behinderten und nicht die Krankheit", erklärt Karen Baxter von INF. "Seit im Radio regelmäßig gesendet wird, dass Lepra heilbar ist, gibt es zum Glück nicht mehr so viele Menschen mit Behinderungen wie noch vor zehn Jahren." Die Statistik gibt ihr und vor allem der erfolgreichen Lepraarbeit Recht: Waren 1994 noch 17 Prozent der an Lepra Erkrankten behindert, sind es im Jahr 2003 nur noch etwa drei Prozent - ein Erfolg professioneller Lepra-Arbeit!

Wie viele andere Maßnahmen, so haben auch die Jeeps der INF als ein Mosaikstein zur Eindämmung der Lepra geholfen. Auch wenn das Eliminationsziel der WHO, der mächtigen Weltgesundheitsorganisation - weniger als ein neuer Leprafall auf 10.000 Einwohner - in vielen Teilen Nepals schon erreicht ist, sind jährlich etwa sechs Prozent der Neuerkrankten Kinder. Seit mehr als 50 Jahren ist die INF und das Hospital in der Gesundheitsarbeit tätig, seit über 30 Jahren unterstützt von der Deutschen Lepra- und Tuberkulosehilfe (DAHW).

Ein deutliches Zeichen, dass an eine Ausrottung der Lepra noch längst nicht zu denken ist, so die Experten von INF. Dieselbe Erfahrung gibt es im Green Pastures Hospital, das als Lepra-Referenzklinik im Westen des Landes tätig ist. Dorthin kommen seit vielen Jahren etwa gleich viele neu erkrankte Patientinnen und Patienten.

"Wir müssen die Bemühungen der Regierung zur Elimination der Lepra unterstützen, aber gleichzeitig auf die Zeit nach dem Jahr 2005 blicken, wenn die WHO eventuell die Lepra für eliminiert erklärt und trotzdem die Zahl der Leprakranken nicht nachlässt. So dürfen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in Gesundheitsposten ihre Erfahrungen im Entdecken von Leprakranken nicht verlieren!", sagt Dr. Alison Anderson, Ansprechpartnerin der Deutschen Lepra- und Tuberkulosehilfe bei der INF.

Das Green Pastures Hospital in Pokhara ist schon gut für die Zukunft aufgestellt. Freigewordene Betten, die nicht mehr für die stationäre Behandlung von Leprakranken genutzt werden, sind mit anderen Patienten belegt. Viele Leprakranke, die heute glücklicherweise in einem sehr frühen Stadium erkannt werden, können ambulant behandelt werden.

Nur die schweren Fälle werden auch aus weit entfernten Gebieten zur Behandlung in das Green Pastures Hospital gebracht. So auch die 35-jährige Punni Sarki, die aus einem Dorf ca. 800 km westlich von Pokhara stammt. Bei ihr war die Lepra schon so weit fortgeschritten, dass sie durch die Nervenschäden eine "Klauenhand" bekommen hat. Nun wird zunächst mit einer Sensibilitätsprüfung festgestellt, welche Teile der Hand und der Finger betroffen sind und dann mit Physiotherapie und eventuell sogar mit einer Operation die Hand wieder so weit als möglich beweglich gemacht.

In der Rehabilitationsabteilung des Hospitals wird nicht nur durch Operationen und Physiotherapie die bestmögliche Bewegungsfähigkeit der Patienten wieder hergestellt. Manche, die bereits Gliedmaßen durch die Krankheit verloren haben, bekommen Prothesen angepasst. Dann erhalten die Patienten ein 14-tägiges Training, bei dem sie lernen können, wie sie trotz ihrer Behinderung gut weiterleben können. Die Frauen üben die Arbeit am Herd, traditionell steht der mit Holz befeuerte Herd auf dem Boden und kann so sitzend bedient werden. Selbst landwirtschaftliche Demonstrationsfelder sind angelegt, auf denen die Bauern trotz Behinderung selbst Gemüse anbauen können.

Auch Deu Maya Nepali ist wieder auf die Beine gekommen, nachdem sie an Lepra erkrankt und von ihrem Mann verlassen worden war. Eine Hand und ein Fuß sind nach der Behandlung gefühllos geblieben. Doch durch eine Operation konnte sie ihre Beweglichkeit weitgehend zurück erhalten.

Vor einem Jahr hat sie von INF weitere Hilfe erhalten. Mit einem Kredit über
20.000 Rupien (ein Euro entspricht etwa 90 Rupien) konnte sie Zement, Mauersteine, Holz und Wellblech kaufen, um sich ein eigenes Haus zu bauen. Ihre Selbsthilfegruppe hat mitgeholfen, einen kleinen Garten anzulegen, in dem nun Gemüse für den Eigenverbrauch wächst. Ihrem Sohn wurde eine Ausbildung zum Schreiner ermöglicht, heute ist er in einer Möbelschreinerei beschäftigt und verdient etwa 1.700 Rupien im Monat. Genug, um gut damit leben zu können.

 

Deu Maya Nepali geht es verhältnismäßig gut, aber sie muss mit den Einschränkungen ihrer ehemaligen Erkrankung leben. Foto: DAHW / Jürgen Hammelehel

Deu Maya Nepali geht es verhältnismäßig gut, aber sie muss mit den Einschränkungen ihrer ehemaligen Erkrankung leben. "Die Rehabilitation von Lepra-Kranken ist ein lebenslanger Prozess. Menschen, die durch Lepra behindert sind, werden öfter krank, die Verkrüppelungen führen zu weiteren Erkrankungen durch Fehlstellungen, die vor allem im fortgeschrittenen Alter zunehmen!", so Dr. Alison Anderson.

In der Lepra-Arbeit hat sich in den letzten Jahrzehnten sehr viel verändert und diese Dynamik hält an. Ein Besuch im ehemaligen Leprosarium Khokana zeigt dies deutlich. 1850 erbaut, wurden damals die Leprakranken noch weit außerhalb der Städte und Dörfer untergebracht. Für die heutigen Bewohner ein Glück, so können sie ein wenig Landwirtschaft betreiben. Außerdem liegen die Gebäude fernab von der Hektik und den Abgasen der Großstadt. Vielleicht machen die Bewohnerinnen und Bewohner deswegen einen zufriedeneren Eindruck. Wenn es jemandem schlecht geht, nimmt Dr. Hire Mana Prahan ihn bei ihren wöchentlichen Konsultationen mit nach Kathmandu. Dort pflegt sie und ihr Team den Patienten.

Ein Bewohner, Newah Singh, ist inzwischen 81 Jahre alt. Seine Lepra-Erkrankung liegt bereits 60 Jahre zurück und erst Jahrzehnte später konnte er mit der Antibiotikatherapie geheilt werden. Er ist trotz seines hohen Alters und seiner Behinderung sehr aktiv und möchte sich mehr für die Selbstverwaltung der Leprapatienten einsetzen. Engagieren möchte sich auch Jandra Maya. Sie ist erst
28 Jahre alt. Im Alter von sieben Jahren erkrankte sie an Lepra und wurde zehn Jahre aus Scham daheim gehalten.

Als endlich mit der Medikamententherapie begonnen werden konnte, waren ihre Behinderungen schon weit fortgeschritten. Sie hat im Leprosarium ihren jetzigen Ehemann kennen gelernt und möchte sich mit Strickarbeiten ein kleines Einkommen dazu verdienen. Stolz zeigt sie auf den Pullover den sie anhat - natürlich selbst gestrickt.

Längst nicht mehr werden die etwa 5.500 neuen jährlichen Leprafälle ausgegrenzt, nur die wenigsten müssen stationär behandelt werden. Die überwiegende Zahl führt während der Behandlungszeit ihr normales Leben fort. Damit ist Lepra zu einer normalen Krankheit geworden und Fälle wie Deu Maya Nepali oder Jandra Maya werden zum Glück immer weniger. Das Stigma nimmt immer mehr ab.

Text: DAHW-Geschäftsführer Jürgen Hammelehle. Der Autor war im Februar in Nepal. Die Reportage basiert auf den Erlebnissen und Erfahrungen seiner Reise.