22. März 2023

Niemanden zurücklassen: Die DAHW unterstützt Tuberkulose-Patient:innen in äthiopischen Gefängnissen

Tuberkulose-Screening für weibliche Inhaftierte in einem äthiopischen Gefängnis (Foto: Ato Tesfaye Teka)

Wer in Äthiopien im Gefängnis sitzt, gehört vielleicht zu den vulnerabelsten Menschen im Land: Beengte Wohnverhältnisse in überbelegten Einrichtungen, unzureichende Versorgung mit Lebensmitteln, schlechte Hygienebedingungen und wenig Aussicht auf bessere Lebensumstände nach der Entlassung sind nur einige der Herausforderungen, mit denen die Insass:innen umgehen müssen. Dazu kommt: In den Haftanstalten hat die Tuberkulose ideale Voraussetzungen, um sich rasch zu verbreiten. Die DAHW Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe hat sich in einem ihrer Projekte in Ostafrika des Problems angenommen. Denn unter dem Motto der Weltgesundheitsorganisation WHO zum Welt-Tuberkulose-Tag 2023, „Yes! We can end TB!“, versteht die DAHW: Tuberkulose eliminieren – und zwar auch dort, wo sonst kaum jemand hinsieht.

Würzburg, Addis Abeba, 24.03.2023: Tuberkulose in Gefängnissen – das war lange kaum ein Thema in Äthiopien. Nicht etwa, weil die Krankheit in Haftanstalten nicht vorkäme – im Gegenteil –, sondern, weil die meisten Infektionen nicht erkannt wurden. „Zwar hat jedes Gefängnis eine Gesundheitsstation“, erklärt Dr. Saskia Kreibich, Global-Health-Beraterin bei der DAHW. „Aber viele dieser Stationen haben gar keine Möglichkeiten, Tuberkulose zu diagnostizieren. Zudem ist auch das Gefängnispersonal nicht dafür ausgebildet, Verdachtsfälle zu erkennen und den Gefangenen dann auch Zugang zu Gesundheitseinrichtungen zu verschaffen.“ Ein Problem, das die DAHW gemeinsam mit ihrer äthiopischen Partnerorganisation „Justice For All - Prison Fellowship Ethiopia“ angegangen ist. Beide Organisationen arbeiten nun schon fast zwei Jahre gemeinsam in dieser Sache – gemäß dem Prinzip „leave no one behind“ („niemanden zurücklassen“).

„Zuerst haben wir vor allem versucht, die Kapazitäten vor Ort zu stärken“, erklärt Dr. Kreibich, die das Projekt auf DAHW-Seite betreut, „durch Schulungen, aber auch, indem wir die öffentlichen Behörden mehr mit dem jeweiligen Gefängnis in Verbindung gebracht haben.“ Denn die Haftanstalten waren weitestgehend abgekapselt von der Außenwelt und meldeten beispielsweise auch kaum Daten zu Tuberkulose-Erkrankungen an die Regierung. „Über Tuberkulose in Gefängnissen wusste man sehr wenig, aber auch die medizinische Versorgung wurde kaum berücksichtigt, es gab keine Logistik und auch keine standardisierten Abläufe, wie mit einer Tuberkulose-Infektion im Gefängnis umgegangen werden soll.“ Nun sollen solche Standards auf nationaler Ebene etabliert werden. Außerdem ist geplant, Überweisungssysteme zu entwickeln und vor allem die Gefängnisstandorte mehr in das nationale Tuberkuloseprogramm mit einzubinden.

Projekt stärkt medizinische Versorgung und langfristige Rehabilitation

Es ist ein ganz spezieller Kreislauf aus Krankheit und Armut, dem viele Gefängnis-Insass:innen in Äthiopien ausgesetzt sind. Denn das enge Zusammenleben hinter den Gefängnismauern und die hohe Anzahl an HIV-Infizierten bieten auch der Tuberkulose beste Bedingungen. Können die Gefangenen ihre Erkrankung dann nicht auskurieren, weil diese gar nicht erst erkannt wurde oder die Gesundheitsstationen in den Haftanstalten dafür nicht ausgelegt sind, ist es für sie nach ihrer Entlassung noch schwieriger, selbst Geld zu verdienen. Die Betroffenen sind oftmals noch körperlich geschwächt, leiden an langfristigen Folgen der Erkrankung oder müssen mit starken Nebenwirkungen der Behandlung umgehen – kein guten Voraussetzungen für die Jobsuche. Ohne ein geregeltes Einkommen aber, das hygienische Wohnverhältnisse und den Zugang zu sanitären Einrichtungen garantiert, ist das Risiko für eine erneute Erkrankung oder eine Verschlechterung des Gesundheitszustands drastisch erhöht.

Die DAHW und ihr Partner vor Ort verfolgen mit ihrem vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) unterstützten Projekt daher einen Ansatz, der dieser Problematik Rechnung trägt: Sie berücksichtigen sowohl medizinische als auch soziale Komponenten. Einerseits werden die Gesundheitsstationen innerhalb der Gefängnisse gestärkt, die Screenings der Gefangenen verbessert und die Zusammenarbeit mit Gesundheitseinrichtungen außerhalb der Gefängnisse ausgebaut. Dabei gibt es bereits große Erfolge: „Wir haben zum Beispiel unter den Insass:innen, die wegen anderer Beschwerden die Gesundheitszentren in den Haftanstalten aufsuchten, extrem viele TB-Fälle gefunden“, so Dr. Kreibich. „Schon im ersten Projektjahr waren es mehr als doppelt so viele Fälle wie erwartet – und das wiederum zeigt, dass Tuberkulose in Gefängnissen ein völlig unterschätztes Problem und das Vorkommen deutlich höher ist als in der äthiopischen Bevölkerung im Allgemeinen.“

Andererseits geht es auch um die Rehabilitation der Insass:innen. „In den Haftanstalten werden ohnehin wenige Weiterbildungsmaßnahmen angeboten – und die bestehenden Möglichkeiten können Frauen oder von Krankheiten geschwächte Männer kaum annehmen, zum Beispiel schwere handwerkliche Tätigkeiten“, erklärt Dr. Kreibich. „Deshalb haben wir versucht, die Bandbreite an Ausbildungsrichtungen so zu erweitern, dass sie etwa auch Menschen mit Beeinträchtigungen wahrnehmen können. Es werden jetzt zum Beispiel Hairdressing, Nähen oder kosmetische Berufe angeboten.“ Das Ziel: Den Betroffenen die Möglichkeit zu geben, nach der Haft für ihren Lebensunterhalt sorgen zu können – und damit auch für die eigene Gesundheitsversorgung.

Die DAHW erhofft sich, dass viele der vor Ort entwickelten Strukturen über die Projektdauer hinaus fortbestehen können. Das Projekt endet im Dezember 2023 – mehr als 33.800 Menschen werden dann davon profitiert haben. Wenn auch danach die Versorgung von Tuberkulose-Patient:innen in den Haftanstalten und die bessere Zusammenarbeit zwischen den Gesundheitsstationen vor und hinter den Gefängnismauern gewährleistet bliebe, wäre das ein großer Erfolg.


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