03. Juni 2020

Von Lepra Betroffene schreiben Offenen Brief an italienischen Außenminister

Leprakolonien und die Ausgrenzung von Betroffenen ist in vielen Ländern noch immer Realität. Die Bewohner, egal ob betroffen oder nicht, werden oft ihr ganzes Leben lang diskriminiert. Foto: Mario Schmitt / DAHW

Nachdem der italienische Außenminister Luigi Di Maio in einem Facebook-Video sagte, Italien sollte wegen der Corona-Krise von anderen Ländern nicht wie eine Lepra-Kolonie behandelt werden, haben mehrere Lepra-Betroffenengruppen einen Offenen Brief verfasst, um ihrer Empörung Ausdruck zu verleihen, dass ein Politiker die Krankheit als negative Metapher verwendet und damit überholte Stereotypen aufrechterhält und die Stigmatisierung der Betroffenen verstärkt.

Die Initiative wurde koordiniert von der Global Partnership For Zero Leprosy (GPZL) und der Internationalen Vereinigung der Lepra-Hilfswerke ILEP. Als Mitglied beider Vereinigungen unterstützt die DAHW die Absender*innen des Briefes und ihre Forderung nach einem sensiblen Umgang mit Sprache.

Der Brief in der deutschen Übersetzung:

Sehr geehrter Herr Minister,

als Personen, die von der Hansen-Krankheit, besser bekannt als Lepra, betroffen sind, fühlten wir uns entmutigt, als wir heute in internationalen Medienberichten Ihre Aufforderung an andere Nationen lesen mussten, "Italien wegen des Coronavirus nicht wie eine Lepra-Kolonie zu behandeln" (ZITAT). Andere nationale und internationale Führungspersönlichkeiten haben in der Vergangenheit in öffentlichkeitswirksamen Reden eine ähnliche Sprache verwendet.

Auch wenn es als Schlagzeile gut klingen mag, hat die Verwendung von "Lepra" als negative Metapher Konsequenzen, die weit über den politischen Bereich hinausgehen, weil sie alte und überholte Stereotypen aufrechterhält und die Stigmatisierung und Diskriminierung von uns, den von Lepra betroffenen Menschen, verstärkt.

Die Lepra ist keine Krankheit der Vergangenheit. Jedes Jahr wird bei mehr als 200.000 Menschen Lepra diagnostiziert und man geht davon aus, dass es mehr als zwei Millionen Betroffene gibt, die nicht diagnostiziert und nicht behandelt werden. Eine negative soziale Einstellung gegenüber Lepra-Patient*innen stellt ein Hindernis für die Behandlung dar und erschwert die Bemühungen, die Ansteckung mit dieser Krankheit weltweit zu stoppen.

Lepra ist eine heilbare Krankheit. Dennoch werden Menschen, die von dieser Krankheit betroffen sind, an vielen Orten auf der ganzen Welt immer noch marginalisiert und ausgeschlossen. Wir selbst haben die Erfahrung gemacht, von Familie und Freunden ausgegrenzt, von Arbeitsplätzen entlassen, von Menschen diskriminiert und beleidigt zu werden und viele andere Verletzungen unserer Menschenrechte zu erleben. Deshalb arbeiten wir jeden Tag hart daran, diese Realität in allen Gemeinschaften zu verändern.

Von Lepra betroffene Menschen sind Menschen mit Hoffnungen und Träumen wie alle anderen auch. Die meisten Betroffenen träumen nur von einem normalen Leben: von einem Ort, an dem sie friedlich leben und arbeiten können, umgeben von ihrer Familie und ihren Freunden. Sie wollen nicht durch ihre Krankheit definiert werden.

Die COVID-19-Pandemie war für viele verheerend, hat aber besonders die von Lepra betroffenen Menschen getroffen. Dies wurde in einem Brief der UNO-Sonderberichterstatterin für die Beseitigung der Diskriminierung von Leprakranken und ihren Familienangehörigen, Alice Cruz, einer Menschenrechtsführerin, die auch den Missbrauch der Lepra als Metapher angeprangert hat, ausführlich dargelegt.

Es ist von grundlegender Bedeutung, sicherzustellen, dass das Wort Lepra immer ohne die Last der Stigmatisierung verwendet wird. Einige Länder haben die Initiative ergriffen, den Namen der Krankheit zu ändern. Doch auch wenn eine solche Änderung nicht überall auf der Welt stattgefunden hat, haben Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und Behörden die Pflicht, vorsichtig mit den Tausenden von Betroffenen und den Millionen von Menschen umzugehen, deren Leben weltweit von dieser Krankheit beeinträchtigt wurde.

Wir bitten Sie deshalb respektvoll, Lepra nicht als negative Metapher zu verwenden und stattdessen die Menschen in Italien, Europa und auf der ganzen Welt zu unterstützen, die dafür kämpfen, die Diskriminierung von Lepra-Betroffenen zu beenden.

Wir glauben, dass diese Form der Diskriminierung gegen uns nicht das Ziel Ihrer Erklärung war, aber das ist die Wirkung, die sie auf uns gehabt hat. Im Vertrauen auf Ihren guten Willen wären einige von uns glücklich und geehrt, mit Ihnen zusammenzukommen und dieses Thema weiter zu diskutieren.

Im Namen der von Lepra betroffenen Menschen auf der ganzen Welt:

Organisationen und Personengruppen, die von Lepra betroffen sind

HANDA (China)
IDEA Nepal
PERMATA (Indonesien)
Sam Utthan Apal Bihar (Indien)
FELEHANSEN (Kolombien)
HEAL Disability Initiative (Nigeria)
IDEA Ghana
Morhan (Brasilien)
Purple Hope initiative (Nigeria)
IDEA Nigeria
ENAPAL (Ethiopien)
APAL (Indien)
Comunidad de Apoyo (Paraguay)
Comunity of people affected by leprosy in Rajasthan (Indien)
IDEA Refaco (Kenia)
ILEP Panel of Women and Men affected by Leprosy
Global Leprosy Champions IDEA INTERNATIONAL

Personen, die von Lepra betroffen sind:

Evelyne Leandro
Lilibeth Nwakaego Evarestus
Rachna Kumari
Jayashree P Kunju
L H Subodha Galahitiyawa
Amar Timalsina
José Ramirez
Mathias Duck
Mohan Arikonda
Ganesh Muthusamy
Sathya Arikonda
Linda Lehman
Braj Kishor Prasad
Sanjay Kumar
Anand Raj
Lucrecia Vazquez
Mainas Ayuba
Kofi Nyarko
Paula Brandao
Suresh Dhongde
Yurani Granada Lopez
Sofia Castañeda
Isaias Dussan
Felicita Bogado
Jimoh Hammed
Joshua T. Oraga
Dan and Babs Izzet

Der Brief im englischen Original:
Link zu externer ILEP-Webseite.


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Gemeinsam mit zwölf weiteren Organisationen ist die DAHW in der Internationalen Vereinigung der Lepra-Hilfswerke aktiv