17. März 2021

Von Rinder-Tuberkulose und anderen Zoonosen

Tuberkulose ist eine Zoonose: Der Erreger kann von Tieren auf den Mensch übertragen werden. Foto: Jochen Manz / DAHW.

Um Krankheiten, die von Tier zu Mensch oder von Mensch zu Tier übertragen werden können, zu bekämpfen, setzt die DAHW künftig verstärkt auf „One Health“.

(Würzburg, 15. März 2021) – Tollwut, Ebola, HIV und Vogelgrippe zählen dazu. COVID-19 ist eine, ebenso Tuberkulose. Und Lepra könnte eine sein. Die Rede ist von Zoonosen: von Krankheiten, die von Tier zu Mensch oder von Mensch zu Tier übertragen werden können. Etwa 800 bis 900 von 1.400 Infektionskrankheiten, die den Menschen befallen können, haben ihren Ursprung bei Wirbeltieren – und es werden immer mehr. Unter anderem aufgrund des Bevölkerungswachstums, des Eindringens in die Lebensräume der Tiere, des zunehmenden globalen Handels und Reiseverkehrs sowie infolge der Massentierhaltung. Um Zoonosen nachhaltig zu bekämpfen, sollten Human- und Veterinärmedizin zusammenarbeiten und zudem die Umweltfaktoren und Lebensumstände in den betroffenen Regionen mit einbezogen werden. Dieser Ansatz der „One Health“ („Eine Gesundheit“) gewinnt auch in der Arbeit der DAHW Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe zunehmend an Bedeutung.

Zoonosen können durch Viren, Bakterien, Parasiten, Pilzen oder Prionen (Proteine, die im tierischen Organismus vorkommen) ausgelöst und vom Tier auf den Menschen durch Schmierinfektionen oder Bissverletzungen, über die Luft oder kontaminierte Lebensmittel (Fleisch, Milch, Eier) übertragen werden. Oder aber es sind sog. belebte Vektoren im Spiel wie Stechmücken, Wanzen oder Zecken, die den Erreger auf den Menschen übertragen, ohne selbst zu erkranken.

Eine Zoonose war bis weit in die 1990er-Jahre hinein in Deutschland weit verbreitet: die Rindertuberkulose, auch bovine Tuberkulose genannt. Dank flächendeckender Reihenuntersuchungen bei Rindern (sog. Tuberkulinproben) in den 1950er- bis 1970er-Jahren ist der Rinderbestand in Deutschland seit 1997 „amtlich anerkannt tuberkulosefrei“. In vielen Einsatzländern der DAHW Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe jedoch ist die Rinder-TB nach wie vor verbreitet und wird auch aufgrund einer mangelhaften Tier- und Lebensmittelhygiene nach wie vor auf Menschen übertragen. Sei es durch den Verzehr von kontaminiertem rohen Fleisch oder von Rohmilchprodukten sowie durch den direkten, engen Kontakt mit kranken Tieren. Da viele Tiere jedoch infiziert, aber nicht symptomatisch krank sind, fällt der TB-Befund oft erst bei der Schlachtung auf.

„One Health“ als zielführender Ansatz

Neben der Tuberkulose zählen noch weitere Zoonosen zu den Mandatskrankheiten der DAHW. So zum Beispiel Chagas, Schistosomiasis (Bilharziose), Lymphatische Filariose (Elephantiasis) und Leishmaniose. Zudem wird bei Buruli Ulcer, Lepra und Frambösie vermutet, dass sie von Tieren bzw. Vektoren übertragen werden können. „Vermutet“ deshalb, da bei allen diesen sog. vernachlässigten Tropenkrankheiten (Neglected Tropical Diseases, NTDs) die Übertragungswege zumeist nicht ausreichend erforscht und der Ursprung der Erreger oft nicht abschließend geklärt ist.

„Gerade weil oft gar nicht klar ist, wie und wo sich Menschen mit Krankheiten infizieren, ist es für ihre nachhaltige Prävention und Kontrolle unerlässlich, dass die Übertragungswege und Ursachen mit interdisziplinären und sektorübergreifenden Maßnahmen angegangen werden“, weiß Dr. Saskia Kreibich, Public-Health-Beraterin bei der DAHW. „So wie bei dem holistischen One-Health-Ansatz vorgesehen, bei dem Akteure der Humanmedizin, Veterinärmedizin und Umweltwissenschaften zusammenarbeiten.“ 2019 stellte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) gemeinsam mit der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) und der Weltorganisation für Tiergesundheit (OIE) einen gemeinsamen „Dreierleitfaden für Zoonosen“ („Tripartite Zoonoses Guide“, TZG) vor, der auf dem One-Health- Ansatz basiert.

Mit ihm wolle man die betroffenen Länder dabei unterstützen, „eine nachhaltige und funktionierende Zusammenarbeit an der Schnittstelle Mensch-Tier-Umwelt zu erreichen“, schreibt die WHO. Zudem könne der Leitfaden in Verbindung mit den in Entwicklung befindlichen operativen Instrumenten helfen, die nationalen Kapazitäten aufzubauen oder zu stärken. „Gerade in Ländern mit sehr limitierten Ressourcen im Bereich Personal oder Ausstattung und mit schwächeren Infrastrukturen können sich Synergien bei den Gesundheitsdienstleistungen im human- und im veterinärmedizinischem Bereich ergeben“, so Kreibich. „Aber auch in der Wasser-, Sanitär- und Hygieneversorgung (WASH), in der Landwirtschaft und bei der Lebensmittelsicherheit.“ Auch mit Blick auf das Thema Antibiotikaresistenzen könne der One-Health-Ansatz hilfreich sein, da sie sich zunehmend zwischen Mensch, Tier und Umwelt verbreiten.

Die DAHW will bei der Planung künftiger Projekte den One-Health-Ansatz verstärkt mit einbeziehen. Aktuell setzt sie beispielsweise in ländlichen Regionen Äthiopiens ein Projekt um, bei dem unter anderem auch die Rinder-TB im Fokus steht und mit holistischen Maßnahmen bekämpft werden soll. Mehr dazu auf www.dahw.de/welt-tuberkulose-tag

Zusatzinformationen zur Rinder-TB

Bei der bovinen Tuberkulose handelt es sich um eine ansteckende, chronisch verlaufende Infektionskrankheit, die vorwiegend bei Rindern, aber auch bei anderen Tieren wie zum Beispiel bei Rotwild, Wildschweinen oder Dachsen auftritt. Die Erreger der Rinder-TB sind v.a. das Mycobacterium bovis oder das Mycobacterium caprae. Diese gehören der gleichen Gruppe an wie die Erreger der Tuberkulose-Erkrankung des Menschen (Mycobacterium tuberculosis).

Bei Landwirt*innen war die Rinder-TB in Deutschland lange eine gefürchtete Krankheit. Bis heute zählt sie gemäß der "Verordnung zum Schutz gegen die Tuberkulose des Rindes“ zu den anzeigepflichtigen Tierseuchen. Betroffene Betriebe müssen umgehend Bekämpfungsmaßnahmen umsetzen wie zum Beispiel die Untersuchung aller Rinder des Bestandes und die Tötung erkrankter Tiere. Zuletzt sorgte ein Fund von Rinder-TB bei einem Betrieb in Oberbayern im Januar 2021 für Schlagzeilen. Dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft zufolge tritt die Rinder-TB zudem zurzeit vermehrt in Spanien, (Nord-)Irland und Großbritannien auf.

Die vereinzelten Fälle, die in Deutschland noch auftreten, sind meist auf Rinder zurückzuführen, die Kontakt mit infizierten Wildtieren hatten. Daneben kommt es in Deutschland im Jahr zu ca. 50 Fällen von Rinder-TB bei Menschen, wobei diese wahrscheinlich auf den Kontakt zu infizierten Tieren vor vielen Jahrzehnten  zurückzuführen sind. Oder die Ansteckung erfolgte in einem anderen Land, in dem nicht alle Milchprodukte pasteurisiert werden. Weltweit erkranken Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge jedes Jahr etwa 150.000 Menschen an einer Rinder-Tuberkulose. Um die 11.000 versterben vermutlich jährlich infolge der Erkrankung. Weil der Erregertyp beim Menschen aber nur selten sequenziert wird, ist meist gar nicht klar, ob es sich um eine zoonotische Erkrankung handelt. Daher könnte das wahre Ausmaß sogar noch deutlich höher liegen.

Die Symptome einer TB, die durch das Mycobacterium bovis verursacht wird, gleichen denen einer TB, die durch das Mycobacterium tuberculosis verursacht wird: Husten, Appetitlosigkeit, Gewichtsabnahme, Abgeschlagenheit, Nachtschweiß und leichtes Fieber. Auch die Behandlung entspricht der Standartbehandlung der Tuberkulose.


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WELT-TUBERKULOSE TAG

Obwohl die bakterielle Infektionskrankheit vermeidbar und behandelbar ist, versursacht sie nach wie vor großes Leid und fordert unzählige Menschenleben.