24. April 2014

Sanjida kann wieder gehen!

Foto: Jörg-Henning Meyer

Patienten aus ganz Pakistan erhalten Hilfe im MALC in Karachi

Sanjida und ihr Mann Azadar (Namen von der Redaktion geändert) leben in einem kleinen Gebirgsdorf im Himalaya, ganz im Norden Pakistans. Gemeinsam mit ihren drei Kindern leben sie, wie in Pakistan üblich, in Azadars Elternhaus. Sanjida ist gerade 21, Azadar 24. Die beiden mussten sehr jung heiraten, als Azadars Mutter starb und seine drei Schwestern noch zu jung waren, um den Haushalt zu führen.

Das Leben in dieser Region ist hart: Im Winter liegt meterhoch Schnee, die wenigen fruchtbaren Monate nützen Azadars Brüder und der Vater und bewirtschaften ein paar Felder. Die Ernte reicht gerade zum Überleben der Großfamilie.Vor mehr als 4 Jahren erkrankt Sanjida. Die leichten Schmerzen im Rücken, die sie schon früher gespürt hat, werden schlimmer, sind bald unerträglich, und ihre Beine gehorchen ihr nicht mehr. Sanjida kann sich nicht wie bisher um ihre Kinder und den Haushalt kümmern. Azadar ist sehr besorgt. Er bringt seine Frau in ein Spital – doch die Ärzte wissen nicht, wie sie Sanjida helfen können.

Patienten finden Hilfe im MALC

Das Leiden der dreifachen Mutter geht weiter, bis ein Gesundheitshelfer vom Marie-Adelaide-Leprazentrum (MALC) von der jungen Frau hört. Der Helfer kennt die verschiedenen Symptome der gefährlichen Erkrankung. Er vermutet in Sanjidas Fall eine spezielle Art von Tuberkulose, welche die Wirbelsäule betrifft. Zur genauen Diagnose und Akutbehandlung muss die junge Frau aber in das Krankenhaus nach Karachi.

Das Marie-Adelaide-Leprazentrum in Karachi wurde 1960 von Dr. Ruth Pfau gegründet. Seit mehr als 50 Jahren setzt sich die deutsche Ärztin und Ordensschwester in Pakistan für kranke, in Armut lebende Menschen ein. Zunächst widmete sie sich in dem Krankenhaus vor allem Leprapatienten.

Heute ist die Behandlung und Heilung von Lepra nur ein Teil der Arbeit, denn dank des unermüdlichen Einsatzes von Ruth Pfau und ihren Helfern ist es gelungen, die Zahl der an Lepra erkrankten Menschen drastisch zu senken. Die frei gewordenen Kapazitäten nutzt das Team im MALC nun, um vermehrt auch andere Krankheiten der Armut, wie Tuberkulose und verschiedene Haut- und Augenkrankheiten zu behandeln.

Mit den Jahren ist MALC zu einer großen Hilfsorganisation in Pakistan geworden. Im ganzen Land betreibt es insgesamt 12 Rehabilitationsprogramme und -projekte für Menschen, die an Lepra oder Tuberkulose erkrankt sind. Im Rahmen eines Rehabilitationsprogramms für Menschen mit Behinderungen erfahren gerade Patienten, die durch Lepra Schädigungen an Gliedmaßen behalten haben, aber auch Menschen mit anderen Behinderungen, große Unterstützung.

Neben der eigentlichen Behandlung durch Physiotherapie und der Bereitstellung von Prothesen oder orthopädischen Hilfsmitteln bietet das MALC den Betroff enen Hilfen im Alltag, unterstützt sie sowohl finanziell als auch organisatorisch dabei, ein selbstbestimmtes Leben führen zu können.

Nur die richtige Behandlung bringt Heilung

Auch wenn Sanjida Glück hat, als der MALC-Mitarbeiter die richtige Diagnose stellt und sie an das MALC verweist, der Weg aus ihrem Heimatdorf bis nach Karachi ist weit und die Reise teuer. Knapp 10.000 Rupies, das sind umgerechnet ca. 70 Euro, kostet die mehr als 1.000 km lange Fahrt mit Bussen vom Gebirgsdorf im Norden in die Millionenstadt Karachi am Indischen Ozean.

Nur mit Hilfe der Familie kann Azadar die Reise für sich und Sanjida bezahlen. Wegen der andauernden Schmerzen muss Azadar seine Frau die ganze Zeit auf dem Arm tragen oder auf dem Schoss sitzend halten. Als die beiden im Krankenhaus in Karachi ankommen, kann Sanjida nicht sprechen, nicht sitzen, nicht gehen.

Intensive Untersuchungen bestätigen den Verdacht des Lepra-Assistenten: Sanjida leidet an einer speziellen Form der Tuberkulose. Bei der Rückenmarkstuberkulose schwillt das Gewebe rund um die Wirbelsäule an und drückt auf die Nerven. Die Nervenbahnen werden dadurch unterbrochen. Die Akutbehandlung besteht aus Medikamenten und viel Ruhe. Nach fünf Tagen kann Sanjida das Gehtraining intensivieren und Anwendungen in der Physiotherapie bekommen. Dafür gibt es im MALC eine eigene Physiotherapie-Station.

Wieder auf den Beinen

Sanjida erholte sich zusehends, konnte endlich auch wieder sprechen. Zwar war die Verständigung mit den Ärzten und Krankenpfl egern im Spital schwierig – kaum jemand spricht die Sprache der weit gereisten Gäste aus dem Norden –, aber es gibt eine Sprache, die jeder versteht: Mehr als alle Worte sagte Sanjidas glückliches Lachen, als sie mit einer Gehhilfe die ersten Schritte in ihrem Zimmer und auf dem Gang der Klinik machen konnte.

Noch größer war Sanjidas Freude, als sie es endlich bis auf die Straße vor der Klinik schaffte. Mit Sanjida und Azardar freute sich auch Ruth Pfau. Die Genesung der jungen Frau hatte sie genau verfolgt: „Sie kann wieder völlig hergestellt werden, wenn man es mit dem Training, den Übungen und später mit der Arbeit im Haushalt nicht übertreibt.“

Als die akute Erkrankung vorbei war, wurde es für Azardar und Sanjida Zeit, die weite Rückreise anzutreten – finanziert vom Sozialfond des MALC. Sanjida wollte endlich wieder nach Hause, zu ihren Kindern. Sie freute sich, dass sie jetzt wieder selbst für ihre Familie da sein konnte – auch wenn sie noch viele Monate Medikamente einnehmen musste und noch längere Zeit Schonung brauchte.