12. Juli 2010

Selbsthilfe stärkt ein ganzes Lepradorf

DAHW fördert zivilgesellschaftliche Strukturen in Nigeria

Fast fünf Kilo wiegt die schwere Hacke, mit der Eduard O. die Erde auf dem Cassava-Hügel lockert, damit er das Unkraut besser zupfen kann. „Wenn es lange trocken ist, geht es nicht ohne die Hacke“, sagt der Nigerianer kurz und schwingt das Werkzeug. Dabei ist es fast ein Wunder, dass er die Hacke überhaupt halten kann: drei Finger und der Daumen an der linken Hand, das ist alles, was ihm die Lepra gelassen hat. Die rechte Hand ist völlig verstümmelt.

Trotzdem ist Eduard täglich mehrere Stunden auf dem Feld, arbeitet wie fast alle im Lepradorf St. Patrick. Nur die Kinder und Alten müssen nicht mitarbeiten. Dennoch helfen sie oft, sofern es die Gesundheit oder die Schularbeiten zulassen.

St. Patrick ist auf keiner Landkarte verzeichnet und liegt direkt neben dem Hospital „Mile 4“. Ursprünglich war es die Leprakolonie, die sich mindestens „vier Meilen von Abakaliki entfernt“ befinden musste. Aus der kleinen Behandlungsstation im Dorf hat sich später das heutige Krankenhaus „Mile 4“ entwickelt.


Gemeinschaft macht stark

Das Dorf verwaltet sich mittlerweile selbst. Die Menschen hier haben sich zusammen geschlossen, um gemeinsam das Leben zu meistern, um stark genug dafür zu sein. Das genau ist der Sinn von „CBR“. Diese Abkürzung steht für „community based rehabilitation“, oder auf deutsch „Gemeinwesennahe Rehabilitation“.

Im Mittelpunkt steht die Selbsthilfegruppe, die demokratisch ihre Entscheidungen zum Wohle der ganzen Gemeinschaft trifft. Integration und Gleichberechtigung von Behinderten gehören dazu. Vor 40 Jahren war dies auch ein wichtiger Prozess in Deutschland.

Eduard macht heute früher Feierabend, denn wie jeden Montag trifft sich die Dorfgemeinschaft. Auf dem Plan stehen Entscheidungen für die ganze Woche: wer auf welchem Markt die Waren verkauft, wer gerade geerntet hat oder wer hilft, die Ernte zu verarbeiten: schälen, trocknen, mahlen und fermentieren. Aber auch darum, was mit den Einnahmen gemacht wird, wer über seine Arbeit hinaus noch einen Teil bekommt, in welche Maschinenteile, Werkzeuge oder Häuser im Dorf investiert werden soll.


Hilfe zur Selbsthilfe

Kurz vor dem Dorfplatz trifft Eduard auf Dr. Joseph Chukwu, den medizinischen Berater der Deutschen Lepra- und Tuberkulosehilfe e.V. (DAHW) in Nigeria und den DAHW-Sozialarbeiter Livinus Otu.


Livinus Otu erreicht mit seinem DAHW-Motorrad alle Patienten

Erst vier Jahre ist es her, dass er die Dorfbewohner zu einem starken Team geformt hat. Zwar hatten sie schon Jahre zuvor begonnen, Cassava anzubauen, doch weil damals jeder nur für sich selbst gearbeitet hatte, blieb außer dem Anteil für den Eigenbedarf nur wenig zum Verkauf übrig.

Dies ist heute anders. Die neu gebildete Dorfgemeinschaft traf sich nun regelmäßig. Immer mit dabei: Sozialarbeiter Otu, der speziell für diese neue Form der Entwicklungszusammenarbeit von der DAHW ausgebildet wurde. Mit Erfolg: In St. Patrick ist es egal, ob einer aus der Gemeinschaft einmal Lepra hatte, ob er an irgendeiner Behinderung leidet oder nicht.


Mit eigener Hände Arbeit

Die Verbindung zum Hospital „Mile 4“ ist immer noch sehr eng: Nicht nur, dass Dr. Chukwu regelmäßig nach seinen alten Leprapatienten sieht – auf dem Markt vor dem Krankenhaus verkauft die Dorfgemeinschaft den größten Teil ihres Cassavamehls. Und wie fast alle Angestellten des Hospitals nutzt auch Dr. Chukwu diese Möglichkeit, sich mit frischen Lebensmitteln aus der Region einzudecken.

„Ich bezahle hier auch nicht mehr als auf den Märkten in der Stadt“, erklärt der Arzt: „Und wenn ich sehe, dass diese Menschen endlich für ihr eigenes Auskommen sorgen können, dass sie von ihrer Hände Arbeit leben können, dann wäre ich sogar bereit, mehr auszugeben.“


Jeder hilft mit: Eine Dorfbewohnerin bereitet Cassava-Fladen zu

Dass ihre Arbeit ein Erfolg ist, dessen sind sich Dr. Chukwu und Livinus Otu sicher: Das Dorf ist zu einer starken Gemeinschaft geworden, die selbst für ihre Alten und Schwachen sorgt. Ein sichtbares Zeichen für den Arzt ist die Sauberkeit im Dorf: „Wenn die Menschen selbst Verantwortung übernehmen, dann liegt auch nicht der Müll überall herum. St. Patrick ist ein vorbildliches Beispiel, wie Hilfe zur Selbsthilfe wirkt.“ 

 

 

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Cassava oder Maniok (Maniho esculenta) ist ein Knollengemüste, das vorwiegend in Brasilien, Thailand, und Indonesien und Nigeria angebaut und als Beilage, Brei oder Fladen verzehrt wird.

Verwendet werden hauptsächlich die Wurzelknollen als Nahrungsmittel.

Die 15 bis 100 cm langen und 3 bis 15 cm dicken Knollen können ein Gewicht bis zu 15 Kilogramm erreichen.

Maniok enthhält in roher Form eine Blausäure freisetzende Substanz. Damit diese entweicht, muss es vor dem Genuss gegart werden.

 
 

 
 

Jeder kann ein Retter sein! Ist eine Kampagne der Deutschen Lepra und Tuberkulosehilfe e.V.

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Mile 4 - von der Leprastation zum allgemeinen Krankenhaus

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