07. Oktober 2016

Tansania 2016: Der Spielplatz und die Biene

Wer heutzutage in Deutschland z.B. quer durch das Ruhrgebiet fahren muss, ärgert sich – mit Recht – über den schlechten Zustand der dortigen Straßen. Aber immerhin gibt es dort Straßen und die Städte liegen ja auch nicht so weit voneinander entfernt.

Selbst, wenn man den Weg zu Fuß gehen würde, besteht dort auch keine Gefahr, wilden und gefährlichen Tieren zu begegnen.

Ganz anders hier im Distrikt Liwale im Süden Tansanias: Bis nach Nambunju, einem kleinen Dorf rund 30 Kilometer nördlich von Liwale, brauchen wir mehr als zwei Stunden. Straßen gibt es hier nicht, höchstens kleine Trampelpfade, auf denen manchmal eines der kleinen Mopeds fährt, mit dem die Bewohner dieser entlegenen Gegend zumindest halbwegs gefahrlos in die Stadt fahren können. Zu Fuß sollte man hier nämlich nicht gehen, in den Wäldern gibt es allerlei wilde Tiere, auch Elefanten und Löwen.

In zwei Dörfern suchen wir mit den Contact Tracers weiter nach Kontaktpersonen von Lepra-Patienten. Doch die Teams müssen den beschwerlichen Weg wohl noch einige Male auf sich nehmen, denn viele der Menschen hier müssen dringend ihre Felder für die kommende Regenzeit vorbereiten. Zwei Mal pro Jahr können sie hier ernten – allerdings nur, wenn sie rechtzeitig vor dem großen Regen alles gut vorbereitet haben. Durchaus verständlich, dass dies den Menschen hier wichtiger ist als ein Forschungsprojekt zur Lepra.

Später geht es weiter nach Nandanga, immerhin auf rudimentär vorhandenen Wegen, die zumindest etwas von dem erahnen lassen, was man Mobilität nennen kann. Eigentlich hatte ich mich schon auf einen ähnlichen Empfang vorbereitet wie in den anderen kleinen Dörfern, aber hier in Nandanga haben sie auf mich gewartet und ein kleines Fest vorbereitet.

Zuerst geht es in das kleine Café von Abdala Ina, einem ehemaligen Tischler. Doch vor einigen Jahren war er an Lepra erkrankt, konnte seine Hände nicht mehr richtig bewegen. An die Arbeit als Tischler war nicht mehr zu denken. Doch in Nandanga arbeitet die DAHW schon lange nach dem Prinzip CBR, die „community based rehabilitation“, die Rehabilitation im gewohnten Umfeld. Menschen mit und ohne Behinderung schließen sich zu Gruppen zusammen und entscheiden gemeinsam, welche Mitmenschen Unterstützung bekommen, mit der sie sich eine neue Existenz aufbauen können.

Das CBR-Komitee von Nandanga hat vor einiger Zeit entschieden, Abdala Ina beim Aufbau eines kleinen Cafés zu unterstützen. Gemeinsam mit seiner Enkelin Gredesiana bietet er uns also nun Chapati an, die hier so typischen und äußerst schmackhaften Teigfladen, und dazu einen hervorragend köstlichen Ingwer-Tee. Ich bin ja nun eher ein Kaffee-Freund, aber dieser Tee war wirklich eine Gaumenfreude.

Dann ging es zur Dorfschule, und hier war der Empfang laut: Kinder auf dem Spielplatz, wie überall auf dieser Welt alles andere als leise. Schaukel, Wippe und andere Spielgeräte sind ständig in Gebrauch und erst, als die Kinder uns bemerken, laufen sie zu ihrer Lehrerin und begrüßen uns mit einem freundlichen Lied.

Nachdem die Kinder wieder in ihrem Klassenraum verschwunden sind, erfahre ich den Grund für diesen besonderen Empfang: Es ist ein Dankeschön an alle Menschen in Würzburg, ohne die es hier weder den schönen Spielplatz noch das Gebäude für die Vorschulklasse geben würde. Finanziert wurde der Bau nämlich durch die Erlöse des Internationalen Kinderfestes in Würzburg, der größten Spielwiese Bayerns.

Nach einigen weiteren Liedern müssen wir weiter, vor Einbruch der Nacht wollen wir in Ndanda sein, zwar „nur“ 40 Kilometer entfernt, aber auch wieder über kleinste Wege. Hier noch eine kleine Anekdote: Ein letzter Abstecher in die Sanitärräumen der Schule vor der langen Fahrt sorgt für die schmerzhafte Bekanntschaft mit einem dort lebenden, angriffslustigeren Tier. Ich bemerkte nicht, dass einige riesige Bienen über der dortigen Tür ihre Heimat bezogen hatten.

Eine der Bienen fand es wohl gar nicht komisch, gestört zu werden und drückte ihren Unmut durch einen schmerzhaften Stich in meinen Hinterkopf aus. Blitzartig war ich wieder draußen „Kerosin“, sagte Dr. Abasi nur, als ich ihm die Biene zeigte und die enorme Größe des Tiers, mehr als doppelt so groß wie Bienen in Deutschland. Da ich einem Arzt ungern widerspreche, fragte ich nicht groß nach und so wurde mein Hinterkopf mit Kerosin abgetupft. Und tatsächlich linderte das Brennen die Schmerzen des Stichs.Später, während der Fahrt, schwollen Augen, Nase, Mund und Ohren an, Ich muss ausgesehen haben wie ein Amateurboxer nach einem Kampf gegen einen der Klitschkos. Doch ich wusste mich in guter ärztlicher Begleitung, bekam von Dr. Abasi noch ein Antihistamin, das die allergischen Reaktionen schnell abgemildert hat.

„Fünf bis sechs Mal pro Jahr“, sagte mir der Mediziner, den hier alle kennen, „werde ich auch von diesen Bienen gestochen. Morgen früh wirst Du nichts mehr davon merken.“ Und wie es mir der erfahrene Arzt versprochen hat, sehe ich frühmorgens wieder so aus, als wäre nichts passiert. Ich bin dankbar, wegen des guten Arztes, der schon so lange mit der DAHW zusammenarbeitet und der sich so gut um die von Krankheiten der Armut betroffenen Menschen in dieser entlegenen Region kümmert.

Ich weiß diese Menschen hier in sehr guten Händen.