23. November 2004

Tansania: Eine Chance für Zawadi

Geschichte eines kleinen TB-HIV-infizierten Mädchens aus Tansania, dass an Tuberkulose erkrankt ist.

Die Kinder grinsen, schneiden Grimassen und lachen aus schwarzen Gesichtern mit blitzweißen Zähnen. Sie sind freundlich, wie alle Menschen im Gassengewirr von Kigogo, einem Stadtviertel der tansanischen Metropole Dar es Salaam.

Doch wo die Abwässer den Müll durch die Rinnsteine spülen, wo es nach verbranntem Fett riecht und die Fliegen in der schwülen Hitze schwirren, lebt die Familie Juma. Hier lacht niemand. Aus ihrem armseligen Haus ist alle Freude gewichen. Im Hof liegen eine alte Zeitung zum Feuermachen und ein rostiger Kochtopf, auf einer verschlissenen Bastmatte hockt Zawadi. Das Mädchen in dem schwarzen Kleid mit den großen roten Blumen spielt nicht mit, wenn die Nachbarkinder durch die Gassen ihres Viertels toben. Die schwerkranke Zawadi sieht aus, als sei sie zwei, höchstens zweieinhalb Jahre alt. "In der nächsten Woche", sagt ihre Tante Tuwalelee, "wird sie schon fünf."

Zawadi wächst ohne Mutter auf. Musa Juma wurde nur 28 Jahre alt. Zuerst fesselte sie eine schwere Malariainfektion an ihr Lager, nach kurzer Gene-sung folgten erneute Fieberschübe und heftiger Husten. "Musa", so sagt Dr. Benjamin Masuba, "hatte diesen neuen Virus in ihrem Körper." Zawadis Mutter starb an Aids. Auch Vater Selemani werden nicht mehr viele Tage bleiben. Der 32-Jährige sitzt auf einen Treppenabsatz, in sich gekehrt und stumm. Mit tonloser Stimme erzählt er von den Zeiten, als seine Familie nicht hungern musste. Selemani war Tagelöhner in einer Firma für Was-seraufbereitung, wo er sauberes Trinkwasser in Flaschen abfüllen musste. Bis sich Schmerzen in seiner Brust ausbreiteten. Selemani magerte ab und schaffte den Weg zu seiner Arbeitsstelle nicht mehr. "Und ohne Arbeit, kein Geld", sagt er. Die Krankheit hat ihn derart erschöpft, dass er nicht einmal mehr die Kraft hat, resigniert mit den Schultern zu zucken.

Seitdem lebt Tochter Zawadi eine Tür weiter bei ihrer Tante und den Großeltern, die sich liebevoll um ihr Enkelkind kümmern. Doch sie sind selber völlig mittellos. Auf der Haustür der Alten kleben kleine Flaggen von Ländern wie Ungarn, Belgien oder Großbritannien. Was das für Länder sind und wo sie auf der Weltkarte liegen, da hat niemand eine Ahnung. Die Abziehbildchen aus Kaugummipackungen hat Zawadi auf die Tür aufgeklebt. "Als sie noch spielen konnte und gesund war", sagt Tante Tuwalelee. "Dann fing dieser Husten an, und Zawadi musste ständig erbrechen. Selbst nach einem kleinen Schluck Wasser."

Die Tante brachte das Mädchen in das von der Deutschen Lepra- und Tu-berkulosehilfe unterstützte Amana-Hospital. Eine Röntgenaufnahme ihrer Lunge zeigte weiße Flecken: Tuberkulose. Ob sich Zawadi bereits im Mutterleib, bei der Geburt oder durch die Muttermilch mit den immunschwächenden Aids-Viren infiziert hat, weiß Dr. Masuba noch nicht. Das muss erst noch ein HIV-Test herausfinden. Die Chancen, dass Zawadi die neue Krankheit hat, stehen nach Schätzungen von Dr. Masuba bei 75 Prozent. "Gegen das Mädchen." Er seufzt, wenn er das sagt. 

 

Ärzte vermuten, dass Zawadi bei der Geburt mit dem HI-Virus infiziert wurde.

Das vielleicht zentrale Problem ist, so schätzt Benjamin Masuba, dass die Leute im Stadtteil Kigogo im Grunde alle sehr herzlich und lebensfroh sind, aber eben nicht "very aware." Das heißt, die fehlende Aufmerksamkeit in Gesundheits- und Hygienefragen, der Mangel an Bildung und fehlende Aufklärung über die Krankheit Aids beschleunigen die Ausbreitung der HI-Viren. Dann bricht das Elend über die Menschen herein, über ahnungslose Familien wie die Jumas, die ohnmächtig und hilflos dem Sterben ihrer An-gehörigen zusehen.

Auf Drängen des regionalen Lepra- und Tuberkulose-Koordinators Dr. Masuba geht die 26-jährige Tuwalelee nun regelmäßig mit ihrer kleinen Nichte ins Amana-Hospital. Dort erhält Zawadi Medikamente zur Tuberkulose-Behandlung und regelmäßig Vitamin A, um ihrem schlechten Ernährungszustand etwas entgegen zu setzen.

"Wenn Zawadi nicht Aids hat und wenn ihre Verwandten strikt darauf achten, dass sie regelmäßig ihre Medizin einnimmt, dann, so Benjamin Masuba, stehen die Chancen "bei über neunzig Prozent". Für das Kind.

Text und Foto: Rolf Bauerdick


Kontakt:
Renate Vacker, Pressesprecherin, Telefon: (0931) 7948-132, E-Mail: renate.vacker@dahw.de
Thorsten Beil, Pressereferent, Telefon: (0931) 7948-130, E-Mail: thorsten.beil@dahw.de

 

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