09. September 2004

Uganda: "Meine Würde habe ich hier wiedergefunden"

Für viele ausgestoßene Leprakranke ist Buluba, das größte Lepra-Zentrum in Uganda, zur neuen Heimat geworden. Dort werden sie nicht nur geheilt, sondern bekommen auch eine neue Zukunft. Einer von ihnen ist Zewulensi Kafuko.

Buluba - Zufluchtstätte für Leprakranke

Wenn Zewulensi trinkt, presst sie beide Hände fest gegen das Glas. Immer wieder schwappt Wasser heraus. Entschuldigend wirft die alte Frau ein schüchternes Lächeln in die Runde. Sie stellt das Glas vorsichtig auf dem Tisch ab und zeigt erklärend ihre Hände vor. Die 76-Jährige hat keine Finger mehr, auch das Gefühl in den Händen hat ihr die Lepra genommen - und damals, als die Krankheit ausbrach, auch ihre Würde.

Die Lepra machte Zewulensi zur Aussätzigen, bis sie nach Buluba kam, dem größten Lepra- und Tuberkulosezentrum in Uganda, das vom DAHW schon seit den 60er Jahren maßgeblich unterstützt wird. "Hier sahen alle so aus wie ich", sagt Zewulensi. "Ich wurde angenommen, keiner hat sich vor mir geekelt. Meine Würde habe ich hier wiedergefunden." Ihre Finger und Zehen aber waren verloren. Dafür kam die Behandlung zu spät.

Zehen von Ratten abgebissen

 

Die ersten Anzeichen der Lepra entdeckte Zewulensi, als sie 15 war. "Plötzlich waren da helle Flecken auf meiner Haut", berichtet sie und deutet auf ihre Stirn und ihre Arme. Zunächst nahm das keiner richtig ernst. Als klar wurde, dass das Mädchen Lepra hatte, kümmerten sich die Eltern zwar liebevoll um ihr Kind, von der übrigen Familie wurde es aber fortan gemieden. Lepra war und ist die Verbannung in die Einsamkeit. Und auch wenn die Eltern zu Zewulensi hielten, über die möglichen Folgen der Krankheit und die Notwendigkeit der schnellen Hilfe aber wussten sie nicht Bescheid. Auch das Geld für den Transport zum Krankenhaus konnten sie nicht erübrigen.

Trotz eitriger Entzündungen spürte Zewulensi schließlich gar nichts mehr: Die Lepra hatte die Nerven ausgeschaltet. Verletzungen fielen ihr kaum noch auf, die Geschwüre fraßen sich durch Muskeln und Knochen. Nach und nach verlor Zewulensi ihre Glieder an Händen und Füßen. "Einige Zehen haben mir die Ratten abgebissen", sagt sie nüchtern.

Ausgestoßen aus der Familie

Nach dem Tod ihrer Eltern verstärkte sich das seelische Martyrium. "Die Familie wollte nichts mit einer Aussätzigen zu tun haben. Ich wurde beschimpft und ausgestoßen." Zu dem Zeitpunkt hatte die junge Frau es jedoch geschafft, ein bisschen Geld aus dem Ackerbau beiseite zu legen. Damit gelangte sie schließlich nach Buluba, wo die Krankheit endlich gestoppt werden konnte und das Selbstwertgefühl zurückkehrte. "Hier waren viele Kranke wie ich. Hier war ich keine Aussätzige mehr."

Nach der Behandlung blieb Zewulensi in Buluba am Nordufer des Viktoriasees. Wohin hätte sie auch zurückkehren sollen? Sie schaffte es schließlich, ein Stückchen Land zu erwerben. Und zu bewirtschaften: Statt Almosen gab man ihr neue Energie. Mittlerweile lebt die 76-Jährige in einem Dorf nahe dem Krankenhaus, integriert in die Gemeinschaft. Seit kurzem ist sie sogar Besitzerin eines Hauses und einiger Schweine. Die Anschubfinanzierung kam unter anderem von der Deutschen Lepra- und Tuberkulosehilfe. Für die Rückzahlung der Schulden ist Zewulensi selbst verantwortlich. Darauf ist sie stolz.

Text: Silvia Vogt