03. Januar 2007

Weihnachtsbrief von Ruth Pfau

Weihnachten ist vorbei. Aber das Kind, das Kind ist mit uns.

Liebe Freunde,

Weihnachten ist vorbei. Aber das Kind, das Kind ist mit uns.

Gestern hat das Neue Jahr begonnen, 2007, von dem wir so innig hoffen, dass es friedvoll verlaufen wird.

Zu dieser Weihnacht haben mir so viele Menschen ihre Wünsche und Gebete geschickt, dass es mir (so gern ich es getan hätte) nicht möglich ist, jedem zu antworten. Deshalb habe ich mich für diesen Rundbrief entschlossen.

Schön, wenn einem jeden Tag gute Wünsche und Gedenken im Gebet auf den Tisch flattern. Einige Karten waren sehr originell, selbst gebastelt, die meisten handschriftlich - alles Dinge, die sie "besonders" machen. Ich danke Ihnen allen! Ebenso denen, die von den neuen Kommunikationsmitteln Gebrauch gemacht haben. Es ist gut zu wissen, dass so viele mit uns sind.

Ich habe den Weihnachtstag (nach vielen Jahren) diesmal wieder in unserem Behindertenheim mit den Patienten verbracht. 45, 50 Patienten, oftmals Flüchtlinge aus Afghanistan, verbringen dort ihren Lebensabend - einige sind noch jung, aber sie haben nirgendwo eine Heimat, behindert, ausgestoßen - so sind wir froh, dass wir ihnen ein "Zuhause" schaffen können.

Unter ihnen ist gerade ein einziger Christ, Victor, blind und behindert, aber von einer ansteckenden Lebensfreude. Er sang für uns ein Weihnachtslied - Jeannine, meine belgische Mitschwester, die den Urdu Text auswendig kannte, stimmte mit ein, und dann gab Victor noch schelmisch eine Zugabe: ein Liebeslied, ein Volkslied aus dem Panjab - zum Entzücken der ganzen Gruppe! Ja, und dann hatten wir einen Weihnachtsbaum geschmückt (natürlich einen aus Plastik, richtige gibt es hier nicht), und alle wollten mit mir darunter photographiert werden, und dann haben wir Nüsse verteilt und pakistanische Süßigkeiten, und mittags gab es "Biriani", das pakistanische Festessen, Reis und Hühnerfleisch.

Ja, und eigentlich das "Ereignis" war das Zusammensein -.

Wir sehen es immer wieder: wie wichtig es ist, dass wir jemanden haben, für den wir so kostbar sind, dass er sich Zeit nimmt. Wichtiger als alle Medikation! 

Dass Sie in Österreich, der Schweiz, Deutschland dafür sorgen, dass wir die Mittel in Händen haben, die uns unseren Dienst ermöglichen, nun schon über 50 Jahre (2006 war unser 50-jähriges Jubiläum), das ist für mich immer das größte Geschenk.

Auch dass wir uns "nebenbei" um Menschen im Gefängnis, in der Untersuchungshaft, während der Verhandlungen kümmern können, und bei Gesuchen unterstützen. Es wäre noch soviel zu tun!, gerade auf dem rechtlichen Gebiet (leider habe ich selbst keine Ausbildung darin), Pakistan ist ja kein Rechtsstaat, und was das heißt, in einem Land zu leben, das kein Rechtsstaat ist, das lernt man erst, wenn man es selbst erlebt und die Augen und das Herz offen hält.

Ich wünsche Ihnen, auch im Namen unserer Patienten und Mitarbeiter, von Herzen Gottes Segen für das Jahr 2007, mit Frieden in der Familie, mit den Nachbarn, im Lande und in der Welt.

Ihre

Dr. Ruth Pfau, M.D., D.Sc.