Als Joyce von den Männern mit der Machete sprach, rührt sich keiner mehr auf seinem Plastikstuhl. „Sie kommen aus dem Nichts. Dann bringen sie dich um“. Die Südsudanesin spricht leise, doch ihre Worte sind klar. Endlich muss sie nichts mehr verstecken. Weder sich selbst, noch die Geschichten über die Rebellen, die ihr Dorf ausrotteten. Weder vor den Frauen, die neben ihr sitzen, noch vor den Psychologen, die ihr Fragen stellen. Auf dem kleinen Stück Wiese neben einer Strohhütte ist die junge Mutter an einem sicheren Ort und unter Gleichgesinnten. Wenn nachts die Albträume kommen, weiß sie: „Ich bin nicht allein mit meinem Problem.“
Sich mit anderen über die traumatischen Erlebnisse auszutauschen, ist einer der Therapieansätze von Ocheka Richard Okot. „Das offene Gespräch ist für viele eine Chance, mit ihren schmerzhaften Erinnerungen klarzukommen“, sagt der Psychologe. Er arbeitet für die „Transcultural Psychosocial Organisation“ (TPO), die in Kooperation mit der DAHW ein Projekt für traumatisierte geflüchtete Frauen gestartet hat. Gemeinsam mit seinem Kollegen hat er uns die Möglichkeit gegeben, an einer Therapiestunde im Camp „Palorinya“ teilzunehmen. Im Halbkreis sitzen wir um eine Gruppe Frauen aus dem Südsudan, die von ihren Erlebnissen erzählt.
Wo der Vater ihres 4-jährigen Sohnes sei, fragt der Psychologe. Joyce zuckt mit den Schultern. „Den habe ich dort gelassen.“ Die Flucht musste schnell gehen. Mitten in der Nacht kam das Motorrad, das sie samt Kind nach Uganda brachte. Mehr als einen Koffer Kleider war nicht drin, und für ein Auto mit mehr Platz reichte ihr Geld nicht. Dass sie jetzt in Sicherheit sei, weiß keiner, auch nicht ihr Mann. Hoffnung zurückzukehren, habe sie nicht. „Nur wenn Frieden kommt“, sagt Joyce. Der Ton in ihrer Stimme verrät, dass sie selbst nicht daran glaubt. „Wir bleiben, auch wenn wir seelisch zerstört sind.“ Die Gespräche in der Gruppe helfen ihr sehr, die Dinge zu verarbeiten.Auch Aboro quälen die Gedanken. Die Frau trägt ein gelbes TShirt und stillt ihr Baby auf dem Arm. Acht Kinder hat sie, eines ist behindert. „Ich konnte es keine Nacht mehr ertragen, im Busch zu schlafen“, sagt sie. Tagsüber kochte sie zu Hause, nachts musste sie samt Kind im Rollstuhl fliehen. „Hätte ich es nicht gemacht, hätten sie uns eben umgebracht.“ Wenn sie vor Albträumen nachts nicht schlafen kann, betet sie zu Gott.