Für einen erkrankten Menschen, der ausschließlich vom Betteln lebt, bedeutet ein Lockdown weitaus mehr als nur geschlossene Geschäfte. Keine Menschen auf den Straßen? Keine Einnahmen, kein Essen. So einfach und gleichzeitig tragisch ist die Wirkungskette einer Pandemie für Betroffene wie Ertibane Mohammed aus Äthiopien.
Ertibane ist 55 Jahre alt, geschieden und seit Jahrzehnten von einer sichtbaren Behinderung als Folge ihrer Lepra-Erkrankung gezeichnet. Gemeinsam mit ihrer siebenjährigen Adoptivtochter lebt sie in extremer Armut in Kuyera, einer der ältesten Lepra-Siedlungen Äthiopiens. Sie bestreitet den gemeinsamen Lebensunterhalt durch Betteln. "Gott weiß, was morgen ist", sagt Ertibane nach jeder gesicherten Mahlzeit, womit sie auf die Großzügigkeit anderer Menschen anspielt, von der jede Mahlzeit abhängt.
Im Frühjahr 2020, mit Beginn der Pandemie, änderte sich alles. Die Moschee, die sie sonst täglich zum Betteln aufsuchte, wurde aufgrund des mit COVID-19 verbundenen Notstandsgesetzes geschlossen. Wo keine Menschen mehr ein- und ausgehen dürfen, versiegt auch die Einkommensquelle für Frauen wie Ertibane, die aufgrund ihrer Lebensumstände betteln müssen. Bereits nach kurzer Zeit stand die kleine Familie kurz vor dem Hungertod – und das, wo die für sie so wichtige Fastenzeit, der Ramadan, kurz bevorstand. Doch daran war nicht zu denken.
Die Menschen vor dem Hungertod bewahren
Zur gleichen Zeit startete die DAHW in Äthiopien im Rahmen ihrer Corona-Intervention ein Soforthilfeprojekt in den Lepra-Siedlungen Kuyera und Bisidimo, um besonders gefährdete und marginalisierte Menschen wie auch Menschen mit Behinderungen schnellstmöglich zu unterstützen und die negativen Auswirkungen der COVID-19-Krise zu minimieren. Im Vordergrund des Projekts stand die Nahrungsmittelverteilung. Menschen, die an Krankheiten wie Lepra und/oder Behinderungen leiden, bekamen eine einmonatige Lebensmittelration zur Verfügung gestellt. So sollten Betroffene wie Ertibane während der COVID-19-Pandemie vor dem Hungertod bewahrt werden.