22. März 2023

Wie die Tuberkulose-Arbeit der DAHW in Nigeria nachhaltig Erfolge erzielt

Die Freiwilligen des DAHW-Projekts sammelten bei ihren Besuchen im Niger-Delta Sputum-Proben der Einwohner:innen und klärten die Gemeinde über Tuberkulose auf. (Foto: DAHW / RedAid Nigeria)

Um einen nachhaltigen Effekt zu bewirken, nutzt die DAHW Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe in ihren Projekten vermehrt gemeindebasierte, ganzheitliche Ansätze. Die Organisation sieht ihre Aufgabe nicht darin, punktuell Erfolge zu erzielen und dann wieder zu verschwinden. Vielmehr soll ihre Arbeit die Basis schaffen für einen bewussten Umgang mit Lepra, Tuberkulose und anderen armutsassoziierten Krankheiten. Dass dieser Ansatz funktioniert, zeigt sich an einem Tuberkulose-Projekt in Nigeria.

Würzburg, Enugu, 24.03.2023: Die Verbindung ist zunächst nicht ideal, manchmal hängt ein Video, ab und zu stockt der Ton, aber dann läuft die Technik und der Bildschirm teilt sich in viele kleine Fenster, aus denen Menschen winken. Einige von ihnen sitzen in Büros in der nigerianischen Stadt Enugu, andere in Wohnzimmern oder unter Bäumen im Schatten – an unterschiedlichsten Orten in Nigeria. Die Freude über das Wiedersehen ist groß. „Es ist lange her“, stellt einer von ihnen fest, und eine junge Frau sagt: „Es ist so schön, von euch zu hören. Ich habe euch vermisst.“

Im Videocall befinden sich Dr. Joseph Chukwu, Dr. Charles Nwafor, Dr. Ngozi Ekeke, Dr. Ezeakile Okechukwu und Dr. Ngozi Murphy-Okpala – fünf Ärzt:innen, die in Nigeria für die DAHW tätig sind. Außerdem haben sich sieben junge Leute hinzugeschaltet, Nigerianer:innen aus verschiedenen Regionen. Sie alle waren an einem DAHW-Projekt beteiligt, das zwischen 2017 und 2020 in 15 Bezirken Nigerias implementiert wurde, um die Verbreitung der Tuberkulose (TB) einzudämmen.

TB ist weiterhin ein Problem in Nigeria – im Jahr 2021 infizierten sich schätzungsweise knapp eine halbe Million Menschen mit der Krankheit. Nun, kurz vor dem Welt-Tuberkulose-Tag am 24. März 2023, kommen die Teilnehmer:innen an dem DAHW-Projekt online zusammen, um an ihre gemeinsame Arbeit zurückzudenken. Denn diese, das wird im Gespräch schnell klar, war nicht nur für die Menschen, denen sie medizinische Hilfe verschafft hat, von großer Bedeutung – sondern auch für die Mitarbeiter:innen selbst.

Viele Dörfer im Niger-Delta sind von der Außenwelt abgeschnitten

Das Projekt fand nicht irgendwo in Nigeria statt: Die Teams konzentrierten sich auf Gebiete im Niger-Delta, die für Außenstehende kaum zugänglich sind. Brass zum Beispiel, eine Insel, die ausschließlich per Boot erreichbar ist, aber auch andere Orte: Zu ihnen führen keine Straßen, die Wege sind schlecht und noch dazu sind in der Gegend unterschiedliche Milizen unterwegs, die für Reisende ein erhebliches Sicherheitsrisiko darstellen. Es gibt also kaum eine Möglichkeit, dorthin zu gelangen und umgekehrt gibt es für die Einwohner:innen kaum einen Weg heraus – auch nicht, um sich medizinisch behandeln zu lassen, etwa bei einer Tuberkulose-Infektion.

„Wir haben das als Herausforderung gesehen“, sagt Dr. Ekeke, mitverantwortlich für das DAHW-Projekt. „Im Niger-Delta gab es damals viele TB-Fälle, aber die Menschen hatten keinen Zugang zu medizinischer Hilfe. Also haben wir die medizinische Hilfe zu ihnen gebracht.“ Die Idee: Kleine Teams aus geschulten Laien besuchen die Gemeinden, klären über Tuberkulose und andere Krankheiten auf, nehmen Sputum-Proben und untersuchen offensichtlich symptomatische Verdachtsfälle gleich an Ort und Stelle.

Wie aber sollen diese Teams in die Gemeinden vordringen – ohne Straßen, übers Wasser, in Gegenwart der bewaffneten Milizen? Dafür machte sich das DAHW-Team um Dr. Ekeke, Dr. Chukwu, Dr. Nwafor, Dr. Murphy-Okpala und Dr. Okechukwu eine weitere Herausforderung zunutze: In Nigeria gibt es viele bestens ausgebildete junge Leute, die aber Probleme haben, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. „Sie sind jung, dynamisch, energetisch und motiviert“, erklärt Dr. Ekeke – und so war es nicht schwierig, sie für die Tuberkulose-Arbeit in den schwer zugänglichen Gebieten zu begeistern.

Die Freiwilligen finden leichter Zugang zu den Gemeinden

Und noch etwas zeichnete die Freiwilligen ganz besonders aus: Sie waren in diesen Gebieten zuhause. Wie es einer von ihnen, ein junger Mann namens Romeo Tonwe, ausdrückt: „Die Leute kennen unsere Familien, wir verstehen ihre Dialekte“ – es gibt eine Vertrauensgrundlage. Und die Teams ließen sich von den Gefahren der Reise nicht schrecken. „Manchmal waren wir zwei Tage lang mit dem Boot unterwegs“, erklärt Romeo Tonwe. „Es war lebensbedrohlich. Aber wir kennen uns in dieser Gegend aus und wir hatten keine Angst.“

Ihre Orts- und Menschenkenntnisse kamen den Freiwilligen auch nach ihrer Ankunft in den Gemeinden zugute. „Man kommt abends an“, erklärt Tarekebina Bernice Jackson, die nach ihrem Abschluss als medizinische Laborassistentin zum Team stieß, „und der erste Weg führt zu den Autoritätspersonen in der Gemeinde. Denn ohne deren Zustimmung passiert dort überhaupt nichts.“ Sobald sie aber überzeugt sind, dass das Gesundheitsteam den Erkrankten im Dorf helfen kann, geht alles ganz schnell, erzählt die junge Frau: „Noch in der Nacht wird die Nachricht verbreitet, dass ein Team gekommen ist, um Tuberkulose-Erkrankten zu helfen. Und am nächsten Tag kommt eine riesige Menschenmenge zusammen. Die müssen wir dann erst einmal aufteilen: Wer hustet, kommt auf diese Seite, wer keinen Husten hat, bitte auf die andere.“

Das System funktioniert. „In diesen Gebieten gab es anfangs kaum Meldungen über TB-Fälle“, sagt Dr. Murphy-Okpala. „Aber gegen Ende unseres Projekts haben wir beeindruckende Ergebnisse gesehen.“ Das ist kaum verwunderlich angesichts des Engagements, das die jungen Freiwilligen an den Tag legten. „Ein junger Mann, den wir untersuchten, konnte kaum genug Sputum für eine Probe produzieren“, erzählt Romeo Tonwe. „Er meinte, der Husten sei gar nicht so schlimm, aber wir überzeugten ihn, sich testen zu lassen. Und es stellte sich heraus: Er litt an einer multiresistenten Tuberkulose. Hätten wir das nicht herausgefunden, wäre er gestorben – ohne je zu erfahren, woran.“

Die Arbeit trägt Früchte – noch lange nach Ende des Projekts

Tatsächlich zeigen sich die Freiwilligen auch heute, lange nach ihrem Einsatz, überzeugt von der Arbeit, die sie in den Gemeinden im Niger-Delta geleistet haben. „Da war dieses Kind“, erinnert sich Sunday Andiebi, ein junger Mann, der sich in Brass engagierte, der eingangs erwähnten Insel-Gemeinde. „Es war vier Jahre alt und zeigte Lähmungserscheinungen. Der Vater wusste nicht, was er tun sollte, aber ein Bekannter erinnerte sich daran, was wir bei einem Besuch gesagt hatten: Wenn ein Kind geschwollene Lymphknoten hat und andere Symptome, muss es ins Krankenhaus.“ Zu diesem Zeitpunkt war kein Gesundheitsteam vor Ort. Aber die Freiwilligen des DAHW-Projekts hatten für genau solche Fälle ihre Telefonnummern hinterlassen und die Familie des Mädchens kontaktierte sie. Das Kind wurde ins Krankenhaus gebracht und geröntgt. „Es war Tuberkulose“, erklärt Sunday Andiebi. „Sie wurde behandelt und bereits nach wenigen Monaten konnte dieses Kind, das alle abgeschrieben hatten, wieder laufen.“

Die Nachhaltigkeit des Projekts sei auch dessen größter Erfolg, sagt der junge Mann, als er sich an diese Geschichte erinnert: „Heute können die Menschen in Brass Symptome identifizieren, die auf Tuberkulose hindeuten – auch wenn wir gerade nicht da sind.“ Tarekebina Bernice Jackson stimmt ihm zu: „Wir haben die Leute dafür sensibilisiert, was sie in unserer Abwesenheit tun können. Sobald wir einmal da waren, können sie auch ohne uns aktiv werden.“ Selbst wenn sie heute in diesen Gebieten unterwegs seien, sagt sie, würden sie erkannt – als Leute, die eine großartige Sache getan haben. Das kann auch Romeo Tonwe berichten: „Manche Leute dort“, sagt er, „nennen mich Doktor.“


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