13. Juli 2016

"Zu Weihnachten wünsche ich mir Gesundheit und meine Familie"

Ein 14-jähriger indischer Junge lernt, die Folgen der Lepra zu besiegen

Anji V. ist glücklich. Seit einem halben Jahr besucht er die Schule in Sivananda, im mittleren Süden von Indien und ist in dieser Zeit nicht gehänselt worden, war nie Ziel des Spotts oder wurde nie als "Leprakranker" ausgegrenzt. Und das liegt nicht daran, dass die anderen etwa Angst vor ihm hätten, weil er mit Abstand der größte und älteste in seiner Klasse ist. Das ist in dieser Schule fast normal, dass ein Kind mit 14 Jahren die 5. Klasse besucht. Denn viele Kinder hatten vorher kaum die Möglichkeit, regelmäßig eine Schule zu besuchen.

Anji erging es nicht anders: Vor fünf Jahren starb sein Vater. Die Familie hat auf einer Müllhalde alles eingesammelt, was sich irgendwie noch verkaufen ließ: Meistens hat der Lohn aber nicht mal für ein Abendessen gereicht. Anji musste daher oft bei seinem Onkel an einem kleinen mobilen Imbiss arbeiten. Dafür bekam er zwar keinen Lohn, aber wenigstens etwas zu Essen - auch, wenn es kaum für alle gereicht hat.

Wenn Anji überhaupt einmal die Schule besuchen durfte, plagte ihn der Hunger. Lernen konnte er so hungrig kaum. Und dann kamen die Knötchen im Gesicht. Erst an den Ohren, später deutlich sichtbar auf dem Kinn. Anji wurde zum Spott seiner Mitschüler. Er schämte sich sehr und ging deshalb lieber arbeiten.

 

Fast drei Jahre dauerte es, bis die Mutter auf die Idee kam, dass Anji an Lepra erkrankt sein könnte. Die Fahrkarten zum Lepra-Zentrum in Sivananda kosteten fast einen Wochenlohn, aber dafür gab es Gewissheit: Anji hatte Lepra. Ein Jahr lang wurde er dort behandelt und konnte endlich die Schule besuchen. Ohne den entwürdigenden Spott, den er früher schon erlebt hat. Hier stammen alle Kinder aus von Lepra geplagten Familien oder sind, wie Anji, selbst daran erkrankt.

"Wir mussten ihn damals richtig aufpäppeln", erinnert sich Dr. Ananth Reddy, medizinischer Leiter des Hospitals, "Anji war unterernährt und viel zu klein für sein Alter. In diesem Jahr bei uns konnte er sich auch davon erholen und schnell wachsen." Nach einem Jahr wurde Anji als geheilt entlassen und kam zurück nach Hause. Dort arbeitete er wieder auf der Müllhalde und ging nur sporadisch zur Schule. Denn dort wussten inzwischen alle von seiner Lepra-Erkrankung.

Zum beißenden Spott kam nun noch die völlige Ausgrenzung, kein anderes Kind wollte mit Anji spielen. Der Lehrer wies ihm einen neuen Platz zu: allein, in der letzten Bank. Selbst seine Brüder wollten nicht mehr, dass er beim Essen neben ihnen saß, sofern es etwas zu essen gab.