31. August 2012

Bericht der Geschäftsführung

Gesundheit für die Ärmsten

Insgesamt 243 Projekte in 26 Ländern hat die DAHW Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe im Jahr 2011 mit 12.513.405,65 Euro unterstützt. Das sind die nackten Zahlen, die am Jahresende festgestellt wurden. Darüber hinaus gibt es aber noch viele weitere Faktoren, die wichtig sind für den Erfolg der nachhaltigen Arbeit der DAHW in den Partnerländern.

Die im Vorjahr erneuerte strategische Planung der DAHW hat zu Veränderungen geführt, die die Arbeit der DAHW in Deutschland 2011 begleitet haben. Die Rahmenbedingungen, die der ehrenamtliche Vorstand in enger Abstimmung mit den hauptamtlichen Mitarbeitern im In- und Ausland bestätigt hat, die Personalstruktur in der Würzburger Zentrale und in den Projektländern sowie das Spendenaufkommen und dessen zukünftige Sicherung waren die drei wichtigsten Aspekte.

In dem im Vorjahr entwickelten Leitbild der DAHW heißt es: „Unsere Vision ist eine Welt, in der kein Mensch unter Lepra, Tuberkulose und anderen Krankheiten der Armut und ihren Folgen wie Behinderung und Ausgrenzung leidet.“ Im Berichtsjahr 2011 haben wir mit Eifer daran gearbeitet, diese Vision umzusetzen und die Planung für die zukünftigen Herausforderungen darauf auszurichten.

Neue Strukturen für nachhaltige Arbeit

Als eine erste Konsequenz sind aus den bislang fünf Abteilungen der DAHW in Deutschland vier geworden. Aus den beiden bislang eigenständigen Abteilungen Presse/Public Relations und Fundraising, wurde die neue Abteilung Öffentlichkeitsarbeit & Fundraising. Die zahlreichen Schnittpunkte bei der Arbeit mit Spendern, Ehrenamt, Presse oder Bildung können nun effektiver genutzt werden.

Diese schlankere Struktur ermöglicht kurze Wege zur Entscheidungsfindung sowie schnelle Prozesse bei neu zu entwickelnden Maßnahmen.

Dass dies notwendig sein wird, hat die Entwicklung der Individualspenden aus den vergangenen Jahren gezeigt. Die rückläufige Zahl der Einzelspender konnte auch 2011 nur durch die Erhöhung der Durchschnittsspende kompensiert werden. Im Berichtsjahr 2011 konnte die DAHW erstmals seit vielen Jahren wieder mehr Spenden und Zuschüsse einnehmen als geplant. Dieser Überschuss ist in die Rücklagen geflossen und wird nun im kommenden Jahr die Arbeit der DAHW sichern. In den vergangenen Jahren musste aus den Rücklagen mehrmals der über die Einnahmen hinausgehende Finanzbedarf für die Projekte ausgeglichen werden. Details dazu sowie die genauen Zahlen sind im Bericht des Schatzmeisters zu finden.

Programm- und Projektarbeit

Der Bedarf für Unterstützung der Menschen, die von Lepra, Tuberkulose oder Buruli Ulcer betroffen sind, ist weiterhin hoch.

In Äthiopien, Jemen, Senegal, Nord- und Süd-Sudan, Tansania, Togo, Uganda, Nigeria, Pakistan und Sierra Leone sind die Regierungen nicht in der Lage, spezielle Lepra- oder Tuberkulose-Programme alleine zu finanzieren. Zum einen fehlen schlichtweg die Finanzen, zum anderen erhalten andere Erkrankungen bei den nationalen Gesundheitsministerien mehr Aufmerksamkeit, weil sie leichter zu behandeln, mehr internationale Geldgeber daran interessiert oder weil sie einfach weniger stigmatisierend sind. Hier setzt die DAHW an und bietet personelle und logistische Unterstützung.

Dadurch haben die jeweiligen nationalen Ministerien einen großen Anreiz, Lepra- und Tuberkulose-Programme weiterhin durchzuführen. Der Großteil der Unterstützung geht in diesen Ländern aber nach wie vor oft direkt in die Krankenhäuser und Gesundheitsstationen in den armen Regionen, damit die Patienten medizinische Hilfe bekommen.

Auch in Ländern wie Brasilien, Indien oder Kolumbien hilft die DAHW bei der Aus- und Weiterbildung von Personal im Gesundheitswesen vom einfachen Gesundheitshelfer bis zum Arzt. Obwohl es diesen Ländern wirtschaftlich bereits etwas besser geht, fehlt für die Lepra-Arbeit in großem Umfang immer noch das Verständnis bei den Politikern und Entscheidungsträgern in den Ministerien. Außerdem werden die Ärmsten der Armen auch in diesen Ländern nach wie vor erheblich vernachlässigt – speziell wenn sie an einer Krankheit wie Lepra erkranken.

In den Ländern Ägypten, Afghanistan, Kamerun, Madagaskar, Guinea Bissau und Mozambique verfügt die DAHW über langjährige Kooperationen mit zuverlässigen Projektpartnern vor Ort. Diese betreiben Hilfsprojekte wie Krankenhäuser, Behandlungs- oder Ausbildungszentren, in denen die Patienten direkte Unterstützung erhalten oder Personal ausgebildet wird.

Tuberkulose-Patient im Lakka-Hospital bei Freetown, Sierra Leone / Foto: Jochen Hövekenmeier

In 119 Projekten hat sich die DAHW um knapp 40.000 Menschen gekümmert, die akut an Lepra erkrankt sind, in weiteren 40 Projekten um 74.000 ehemalige Patienten, die an den Folgen der Lepra wie körperlichen Behinderungen leiden. Dazu kommen noch 55.000 ehemalige Lepra- Patienten, die in den DAHW-Projekten medizinisch betreut werden, um weitere körperliche Schäden und Verstümmelungen zu vermeiden. Mehr als 94.000 Menschen hat die DAHW mit Einkommen schaffenden Maßnahmen, Aus- und Weiterbildung oder anderer sozialer Unterstützung geholfen.

In 90 Hilfsprojekten ist die Tuberkulose ein Schwerpunkt der Arbeit. Insgesamt 417.000 Patienten haben durch diese Unterstützung Zugang zu Diagnose und Therapie erhalten. 80 Kindern, die an der schlimmen Schwester der Lepra, dem Buruli Ulcer erkrankt sind, konnte in zwei Projekten in Togo geholfen werden. Außerdem verantwortet die DAHW in Togo die flächendeckende Kontrolle dieser Krankheit und ist aktiv beteiligt an der Entwicklung und Erforschung neuer Methoden zur Diagnose und Behandlung dieser seltenen Krankheit.

Zur Wirkungsbeobachtung hat sich die DAHW mit 42 weiteren Organisationen in der Initiative „NGO-Ideas“ zusammengeschlossen. Insgesamt 13 Mitglieder aus Deutschland und 30 aus den Ländern des Südens erarbeiten geeignete Instrumente für eine effektive Projektarbeit und prüfen deren Wirkung. Dies geschieht gemeinsam mit den betroffenen Bevölkerungsgruppen - eine wichtige Voraussetzung, um feststellen zu können, ob für die Menschen etwas Positives bewirkt wurde. Bei einem Arbeitstreffen in Indien haben die Partner zahlreiche verschiedene Punkte festgelegt, die für eine effektive Wirkungsbeobachtung wichtig sind. Die Auswertung des Projekts NGO-Ideas wird im Laufe des Jahres 2012 erfolgen.

In Liberia hat die DAHW im Jahr 2011 mit dem Aufbau eines Lepra-Kontrollprogramms begonnen. Das bisherige nationale Lepra-Programm existiert nur auf dem Papier und verfügte über keine nennenswerte Expertise – auch eine Folge des jahrzehntelangen Bürgerkriegs in dem westafrikanischen Land. Als Folge dessen sind die Zahlen der Neuerkrankungen sowie die der leprabedingten Behinderungen in den vergangenen Jahren stetig gestiegen. Dr. Pieter de Koning, ein erfahrener Lepra-Experte, ist seit Ende des Jahres 2011 vor Ort. Im Laufe des Jahres 2012 wird er die ersten Mitarbeiter ausbilden und die medizinische Versorgung besonders in den nördlichen Regionen ausbauen.

Nothilfe und Wiederaufbau

In Pakistan haben während der verheerenden Flut vom August 2010 mehr als zwei Millionen Familien ihre Häuser und oft auch ihr gesamtes Hab und Gut verloren. Die DAHW ist mit ihren Partnerorganisationen „Marie Adelaide Leprosy Centre“ (MALC) unter der Führung von Frau Dr. Ruth Pfau und „Aid for Leprosy Patients“ (ALP) unter der Leitung von Frau Dr. Chris Schmotzer seit nunmehr 50 Jahren in Pakistan aktiv und konnte daher nach der Flutkatastrophe schnell reagieren und helfen. Die Nothilfemaßnahmen konnten noch im Jahr 2010 abgeschlossen werden, der Wiederaufbau ist auf mindestens drei Jahre angelegt.

Stunde Null: In Pakistan wurden viele Häuser komplett zerstört und müssen neu gebaut werden. / Foto: DAHW

MALC und ALP konnten mit Unterstützung der DAHW vielen Familien direkt helfen: 554 Häuser wurden im Berichtsjahr 2011 fertig gestellt, an weiteren 115 wurde mit dem Bau begonnen. 335 Familien haben Saatgut und Dünger bekommen, weitere 80 Ziegen, Kühe oder andere Einkommen schaffende Maßnahmen. In vier Dörfern wurden unterirdische Wassertanks gebaut und 65 Brunnen mit Handpumpen angelegt. Insgesamt hat die DAHW allein im Jahr 2011 den Wiederaufbau Pakistans mit 1.304.581 Euro unterstützt.

Von der Öffentlichkeit kaum beachtet lief parallel der Wiederaufbau in Kolumbien – auch hier kam es 2010 zu verheerenden Überschwemmungen, den stärksten in der Geschichte des Landes. Viele ehemalige Lepra-Patienten konnten den Wiederaufbau ihrer zerstörten Häuser und Ställe nicht allein bewältigen. Zumeist traf es diejenigen, die durch die Krankheit mit Behinderungen leben. Mit 45.000 Euro hat die DAHW im Jahr 2011 insgesamt 61 dieser Menschen unterstützt, die nun wieder selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen können.

Öffentlichkeitsarbeit und Fundraising

Die Zahl der Spender nahm 2011 nochmals leicht ab. 53.331 Menschen haben im Berichtsjahr der DAHW ihr Geld anvertraut, um damit den Menschen zu helfen, die an Lepra, Tuberkulose oder anderen stigmatisierenden Krankheiten oder deren Folgen leiden.

Eine Ursache für den Rückgang liegt neben den demographischen Aspekten darin begründet, dass die „Krankheiten der Armut“ für viele Menschen so unvorstellbar weit weg erscheinen. An Tuberkulose erkranken in Deutschland weniger als 5.000 Menschen pro Jahr, und die sind durch das funktionierende Gesundheitssystem einigermaßen gut versorgt. Bei der Lepra gibt es in Deutschland jährlich nur noch wenige Fälle, die zumeist Menschen betreffen, die sich bei einem längeren Aufenthalt in Ländern mit hohen Lepra-Raten angesteckt haben. In Deutschland ist die Wahrscheinlichkeit äußerst gering, mit diesen Krankheiten überhaupt konfrontiert zu werden.

Mit einem Sponsorenlauf sammeln Schüler aus Waldbüttelbrunn Spenden für die DAHW. / Foto: Maria Hisch

Eine wichtige Aufgabe der Öffentlichkeitsarbeit ist daher, das Bewusstsein für die Not, welche mit diesen Erkrankungen einher geht, bei den Menschen in Deutschland zu wecken beziehungsweise aufrecht zu erhalten. Für das Mandat Tuberkulose hat die DAHW gemeinsam mit anderen Organisationen das „Stop-TB-Forum“ gegründet. Das Forum soll auf das Leiden der Menschen aufmerksam machen, die an der Tuberkulose erkranken und an die ca. 1,5 Mio. Menschen erinnern, die jährlich an TB sterben.

In der Lepra-Arbeit spielt die Koordinierung innerhalb der internationalen Vereinigung der Lepra-Hilfswerke (ILEP) eine wichtige Rolle. Die DAHW ist Gründungsmitglied und bis heute das einzige deutsche Hilfswerk innerhalb der ILEP.

Innerhalb Deutschlands könnte die DAHW ihre Arbeit nicht ohne die zahlreichen treuen Ehrenamtsgruppen durchführen, die die Lepra-Arbeit der DAHW über öffentlichkeitswirksame und spendenträchtige Aktivitäten jedes Jahr neu unterstützen. Ihnen gilt unser ganz besonderer Dank.

DAHW-Geschäftsführer Burkard Kömm und Vizepräsident Franz Barthel in der Sendung "Menschen" mit Maria Saemann vom Lokalsender TV Touring. / Foto: Jochen Hövekenmeier

Die entwicklungsbezogene Bildungsarbeit der DAHW ist ein weiterer wichtiger Pfeiler in der öffentlichen Darstellung der DAHW. Durch Zusammenarbeit mit Schulbuchverlagen und Lehrern bei der Produktion ergänzender Lehrmittel zu den Mandaten der DAHW können die Inhalte in den Unterricht einfließen. Schülerinnen und Schüler sowie engagierte Lehrerinnen und Lehrer haben in zahlreichen Aktionen große und kleine Summen für den guten Zweck eingeworben.

2012: Planungen und Risiken

Auch den Etat für das laufende Jahr 2012 hat die DAHW wieder umsichtig erstellt. Mit insgesamt 10.077.230 Euro aus eigenen Mitteln sollen 215 Projekte in 23 Ländern unterstützt werden. Grundlage für diesen vorsichtigen Ansatz war die Entwicklung der Einnahmen der vergangenen Jahre. Es ist auch 2012 von einem ausgeglichenen Haushalt auszugehen.

DAHW-Repräsentantin Dr. Yvonne Harding (2. v.r.) wird mit ihrem Team vom Sozialminister Sierra Leones (li.) empfangen. / Foto: Jochen Hövekenmeier

Zu den Risiken zählen in Deutschland vor allem die abnehmende Bereitschaft der nachkommenden Generationen, eine individuelle globale Verantwortung anzuerkennen und über Spenden zu versuchen, dieser Verantwortung gerecht zu werden. Das nachlassende Wissen über Krankheiten wie Lepra und Tuberkulose führt außerdem dazu, dass die Not der Menschen, die von diesen Krankheiten betroffen sind, nicht mehr wahrgenommen wird. Demnach wird es schwieriger, mögliche Spender in Deutschland zur Unterstützung zu gewinnen.

Politische Instabilität ist in den meisten der Projektländer der DAHW ein nicht zu unterschätzendes Risiko. Zudem wird die Arbeit in den Ländern wie Nigeria, Afghanistan, Brasilien oder Pakistan auch durch kriminelle oder terroristische Aktivitäten immer wieder beeinträchtigt.

Wie sich die Lage in Liberia entwickeln wird, wo die DAHW Ende 2011 mit dem Neuaufbau des Lepra-Kontrollprogramms begonnen hat, wird sich in naher Zukunft zeigen – auch, welche Aufgaben warten werden in dem Land, in dem es nach dem langen Bürgerkrieg viele Jahre keine Unterstützung für diese Arbeit gab. Die DAHW ist jedenfalls bereit, sich diesen Aufgaben auch in Zukunft zu stellen.

Burkard Kömm
Geschäftsführer


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