22. Juni 2023

DAHW-Expertin zu neuer Gesetzgebung im Senegal: „Das Ergebnis jahrzehntelanger Arbeit!“

Ein Treffen der DAHW-Teams aus Deutschland und Senegal sowie Freiwilligen und dem Team der Parlamentsabgeordneten Aissatou Ndiaye (in Gelb, neben ihr die Westafrika-Expertin der DAHW, Sahayarani Antony). Foto: Mahamath Cisse / DAHW

Die Nachricht, dass der Senegal ein diskriminierendes Gesetz aufgehoben hat, das die Einrichtung sogenannter „Lepradörfer“ erlaubt, hat die DAHW-Westafrika-Expertin Sahayarani Antony jubeln lassen: „Die Aufhebung des Gesetzes ist ein wichtiger Meilenstein in unserer Arbeit im Senegal, die seit mehr als 20 Jahren andauert“, erklärt sie. Mehr zu den Hintergründen erfahren Sie im Interview:

Rani, was genau sind eigentlich diese Lepra-Dörfer, die es im Senegal nun nicht mehr geben soll?

Sahayarani Antony: Lepra ist eine der ältesten Krankheiten, die die Menschen kennen. Eine Behandlungsmöglichkeit wurde jedoch erst in den 1980er Jahren entwickelt. Bis dahin wurde die Ausbreitung der Krankheit vor allem eingedämmt, indem man die betroffenen Personen von der Gemeinschaft abgesondert hat. Mit der Einführung der MDT (Multi-Drug-Therapy) und weiterer Forschung wurde es aber möglich, die Krankheit zu behandeln. Dieser Meilenstein machte auch die Existenz der Leprakolonien überflüssig. Da die meisten Betroffenen jedoch bereits einen Großteil ihres Lebens in den Leprakolonien verbracht hatten und es in ihren eigenen Dörfern keine alternative Lebensgrundlage für sie gab, haben sie sich in den Lepragebieten und um sie herum niedergelassen. Heute leben dort drei bis vier Generationen dieser Familien. Da die ursprüngliche Infrastruktur nur für die von Lepra betroffenen Personen gedacht war und vor fast 80 Jahren und in einigen Fällen sogar noch früher gebaut wurde, reicht sie aber nicht aus, um eine große Bevölkerung zu versorgen.

Trifft das auch auf die Dörfer im Senegal zu?

Sahayarani Antony: Im Senegal entstanden die Lepra-Kolonien zwischen 1903 und 1930. Im Jahr 1976 wurde dann ein separates Gesetz erlassen, das die Einrichtung sogenannter VRS-Dörfer vorsah – „villages de reclassement social des lépreux“, also etwa „Dörfer zur sozialen Wiedereingliederung“. Die heutigen VRS-Dörfer sind überfüllt und es mangelt an grundlegenden Einrichtungen wie Stromversorgung, fließendem Wasser, Toiletten oder Zufahrtsstraßen, da diese Dörfer verwaltungstechnisch nicht vom Staat abgedeckt sind, sondern unter dieses besondere Gesetz fallen und besondere Bestimmungen haben. Daher sind diese Dörfer auf der Verwaltungskarte nicht sichtbar und haben daher auch keinen Zugang zu den staatlichen Dienstleistungen, die anderen Dörfern zur Verfügung stehen. Darüber hinaus ist der Begriff „VRS“ mit einem Stigma behaftet. Wenn ein Kind in der Schule sagt, dass es aus einem VRS-Dorf kommt, wird es oft verspottet oder diskriminiert. Es gibt Fälle, in denen Kinder deshalb die Schule abgebrochen haben.

Was genau wurde Anfang Juni im Senegal beschlossen?

Sahayarani Antony: Die Arbeit dazu dauert schon seit Jahrzehnten an - die DAHW hat dabei mit vielen verschiedenen Akteuren zusammengewirkt. Im Jahr 2004 wurde der erste Entwurf zur Aufhebung des Gesetzes ausgearbeitet, 2018 wurde der Entwurf zur Überprüfung in Umlauf gebracht und dann an die Versammlung weitergeleitet. 2022 wurde das Gesetz verabschiedet und jetzt, im Jahr 2023, wurde es angepasst und das ursprüngliche Gesetz aufgehoben.

Was bedeutet das für die von Lepra betroffenen Menschen im Senegal?

Sahayarani Antony: Das bedeutet, dass die VRS-Dörfer rechtlich gesehen nicht mehr als solche existieren werden und wie alle anderen Dörfer anerkannt werden. Damit haben sie auch Anspruch auf staatliche Dienstleistungen, also Wasser, Strom, Zugangsstraßen und so weiter. Aber die meisten Menschen wissen bislang nichts davon. Daher müssen die Gemeinden, die breite Öffentlichkeit und die verschiedenen Regierungsstellen sensibilisiert werden, damit diese Informationen die Öffentlichkeit erreichen.

Was unternimmt die DAHW im Senegal gegen solche Gesetze und zur Unterstützung von Lepra-Betroffenen?

Sahayarani Antony: Die DAHW war maßgeblich an der Advocacy-Arbeit beteiligt, die zur Aufhebung dieses Gesetzes geführt hat. Gemeinsam mit dem nationalen Verband der Lepra- und NTD-Betroffenen haben wir kontinuierlich Lobbyarbeit geleistet. Darüber hinaus haben wir – gemeinsam mit der Damien-Stiftung und anderen ILEP-Partnern – nicht nur den Zugang zu medizinischer Behandlung initiiert, sondern auch Kindergärten vor Ort eingerichtet, den Zugang zu Hilfsmitteln erleichtert und Maßnahmen zur Schaffung alternativer Einkommensmöglichkeiten ergriffen. Auch in der Forschung sind wir sehr aktiv – immer mit dem Ziel, die medizinische Versorgung und die soziale Eingliederung zu verbessern.


 

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