19. März 2010

Den Tod vor Augen

Eine ganze Familie aus Rawalpindi / Pakistan von Tuberkulose bedroht

Fast 10 Mio. Menschen weltweit erkranken jedes Jahr an Tuberkulose, mehr als 1,7 Mio. Menschen sterben daran. Je ärmer die Menschen leben, um so schneller erkranken sie und um so schlechter sind ihre Chancen, die Krankheit zu überleben. In der pakistanischen Millionenstadt Rawalpindi gibt es jedoch einen Lichtblick: Die Ärztin und Ordensfrau Dr. Chris Schmotzer kümmert sich dank der Unterstützung der Deutschen Lepra- und Tuberkulosehilfe (DAHW) um Patienten und ihren Familien, die von Tuberkulose bedroht sind.

Hanna und ihre Familie kennt sie schon seit einigen Jahren, nachdem Hannas Vater an Tuberkulose gestorben und die Mutter auch daran erkrankt war. Inzwischen zählen auch Hanna und ihre kleine Schwester zu ihren Patienten. Dr. Chris Schmotzer konnte allen helfen – bis auf dem Vater, der bereits gestorben war, bevor die Familie in ihr Hospital kam.

„An Hannas Familie können wir sehen, wie gefährlich Tuberkulose gerade für die Bewohner der Armutsviertel sind“, sagt die aus dem fränkischen Hersbruck stammende Ärztin und geht sogar noch weiter: „Hier wird genau deutlich, was getan werden muss, um den betroffenen Menschen zu helfen. Es zeigt uns aber auch, was in früheren Zeiten falsch gelaufen ist.“

Früher wurden die Lebensumstände bei Tuberkulosepatienten zu wenig berücksichtigt, besonders in den riesigen Armutsvierteln der Millionenstädte von Indien und Pakistan. Hier leben Großfamilien mit vier bis sechs Kindern in einfachsten Behausungen in einem Zimmer mit 10 bis 15 Quadratmetern. Die Folge: Ist einer aus dieser Familie an TB erkrankt, wird dieser den größten Teil der Familie anstecken. So hat wahrscheinlich Hannas Vater seine Familie angesteckt.

Als Hannas Mutter an den gleichen Symptomen wie ihr Mann litt, ging sie zu einem Heiler. Einen richtigen Arzt konnte sie sich nicht leisten, schließlich musste sie ihre fünf Kinder allein versorgen. Aber dieser Mann gab ihr Medikamente, und schon nach wenigen Wochen ging es ihr wieder besser. Die Medikamente brauchte sie von nun an nicht mehr, dachte sie.

Doch dadurch erkrankte die Mutter vor anderthalb Jahren an der gefährlichen multiresistenten Tuberkulose (MDR-TB). Eine Behandlung dieser Erkrankung ist mit normalen Medikamenten nicht möglich – hier helfen nur spezielle Medikamente, die ungefähr 20 mal so teuer sind.

Nur ein paar Wochen später waren Gesundheitshelfer der DAHW in dem Slumgebiet, in dem Hannas Familie lebt. Sie haben die Menschen aufgeklärt, wie gefährlich Tuberkulose ist, dass Untersuchungen sowie Behandlungen kostenlos sind. Hanna ging zur Untersuchung und wurde sofort stationär aufgenommen, damit sie nicht ihre Geschwister anstecket.



Fast ein Jahr war Hanna im Hospital, in dieser Zeit wurde auch ihre Familie bislang zwei Mal untersucht. „Das machen wir inzwischen bei allen Patienten, denn die häufigste Ansteckung erfolgt innerhalb der Familie“, erinnert sich Dr. Schmotzer. Hannas Schwester Ester wird seit wenigen Monaten behandelt, die drei kleinen Brüder sind bislang noch nicht erkrankt. Bei der Mutter hat Dr. Schmotzer gleich bei der ersten Untersuchung die gefährliche MDR-TB erkannt.

Obwohl ihre Behandlung deutlich schwieriger und für das Hospital deutlich kostspieliger war, ist die Mutter heute wieder gesund. „Das Ergebnis der Behandlungen in dieser Familie steht als Beispiel für unsere Arbeit“, folgert die Ärztin und zählt auf: „Wir investieren hier in Aufklärung, ohne die Hanna und ihre Mutter nicht zu uns gekommen wären, wir behandeln auch schwierige Fälle mit resistenten Bakterien wie bei der Mutter und wir untersuchen die Familienangehörigen mehrmals, sonst hätten wir Esters Erkrankung nicht bemerkt. Ohne diese Arbeit würden die beiden Mädchen und ihre Mutter heute nicht mehr leben.“

Zum guten Schluss sorgt die resolute Ärztin auch für die Zukunft ihrer kleinen Patientinnen: Hanna geht jetzt wieder zur Schule und wird dort auch verpflegt, Ester wird ihr bald folgen. So kann die Mutter mit ihrem kleinen Einkommen besser für die drei Söhne sorgen, bis auch die zur Schule gehen können. Für Dr. Schmotzer ist dies der vielleicht wichtigste Baustein im Kampf gegen Tuberkulose: „Nur durch Bildung verhindern wir, dass aus diesen armen Familien jedes Jahr mehrere Patienten zu uns kommen.“

„TB ist und bleibt halt eine Krankheit der Armut“, sieht sich die Ordensfrau und Medizinerin bestätigt: „Obwohl wir helfen, wo es nur eben geht, kommen täglich mehr Menschen, die unsere Hilfe benötigen.“ Das kleine Hospital kann die große Anzahl der Patienten kaum noch bewältigen und muss dringend ausgebaut werden. Ein wenig Hilfe aus Deutschland wäre ihr dabei schon recht: „Sie glauben gar nicht, wie viel man hier mit wenig Geld schon erreichen kann.“

Autor: Jochen Hövekenmeier

Fotos: DAHW



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