15. Dezember 2023

Die Arbeit der DAHW in Nigeria trägt Früchte - ein Bericht aus Adazi

Im St. Joseph Hospital im nigerianischen Adazi werden Buruli Ulcer-Patient:innen behandelt - vor allem Kinder und Jugendliche (Foto: Toby Nwafor / DAHW)

Die DAHW ist seit langem in Nigeria aktiv. Unter anderem unterstützen wir dort Patient:innen, die an Buruli Ulcer erkrankt sind. Eine heimtückische Krankheit, die auch für Kinder sehr gefährlich ist. Über unser erfolgreiches Engagement dort berichtet Sabine Ludwig.

„Unser Ziel ist es, im Zuge des Lokalisierungsgedankens zunehmend Kraft und Kapazitäten in die Projektländer zu verlagern und Verantwortung in nationale Hände zu legen. In Nigeria ist uns das mit RedAid Nigeria in Enugu geglückt“, betont Patrick Georg, Vorstand der DAHW Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe. Die langjährige Hilfsorganisation und ihr erfahrenes Team mit Sitz in Würzburg hat das geschafft, was unter erfolgreicher Entwicklungszusammenarbeit verstanden wird. Langfristig und nachhaltig sollen Hilfsprogramme vor Ort umgesetzt werden, mit lokalen Kräften und Expertinnen und Experten sowie Monitoring und bedarfsgerechter Unterstützung von einer international agierenden Partner- oder Stammorganisation wie der DAHW in Deutschland.

Über eine staubige Buckelpiste fährt ein Teil des Teams von RedAid Nigeria rund zwei Stunden in den Nachbarstaat Anambra nach Adazi, wo es im katholischen St. Joseph-Krankenhaus freudestrahlend begrüßt wird. Dr. Okechukwu Ezeakile, Arzt und Berater, wird vom Verwaltungsleiter Kenneth Okafur schon erwartet. Der Austausch liegt dem Priester sehr am Herzen. Patientenakten werden gelesen und Pläne für neue Schulungen der Mitarbeitenden erstellt. Das schönste für Priester Kenneth ist, so sagt er, wenn die Patienten nach der Behandlung ein Lächeln zeigen. In St. Joseph werden vor allem Buruli Ulcer-Patienten behandelt.

Buruli Ulcer - die heimtückische Krankheit

„Die Krankheit bricht meistens vor dem 15. Lebensjahr aus“, sagt Chirurg Iloka Evaristus und begrüßt den zwölfjährigen Isaac Olson im Krankenbett. Der weint heute viel, denn er hat Sehnsucht nach seinen Schulfreunden, die er schon lange nicht mehr gesehen hat. Der Junge leidet unter Blutarmut, ist stark unterernährt und sein rechtes Bein trägt einen Vollverband. „Mit starken Schwellungen und einem offenen Bein kam er vor zwei Wochen zu uns“, erklärt Dr. Evaristus. Isaac war vorher bereits in einem anderen Krankenhaus näher an seinem Zuhause gewesen, doch dort konnte ihm keiner helfen. „Das St. Joseph-Krankenhaus ist spezialisiert auf Buruli Ulcer“, ergänzt Evaristus, „wir begannen gleich mit der Behandlung.“ Generell umfasst sie Hauttransplantationen, aber auch Amputationen. Unterstützend werden Physiotherapie, Gesundheitsaufklärung und Nachsorge gemacht.

Buruli Ulcer fällt unter die sogenannten Vernachlässigten Tropischen Krankheiten (Neglected Tropical Diseases, NTDs) und betrifft vor allem Kinder und Jugendliche. Wie sich die Betroffenen infizieren, ist noch immer ein Rätsel. Experten vermuten stehende Wasser, mit denen sie in Berührung kommen, sowie Armut und damit einhergehende mangelnde Hygienemöglichkeiten. Genau wie Lepra wird Buruli Ulcer als „Krankheit der Armut“ bezeichnet und trägt daher auch den Namen „die kleine Schwester der Lepra“.

Isaacs Vater steht an seinem Bett und versucht, den jüngsten Sohn zu trösten. Ein Familienmitglied ist während der ganzen Behandlungszeit dabei. Das gilt für alle Patienten. Erst als Schwester Rita Ajaero den Jungen umarmt, versiegen die Tränen. „Die Kinder bleiben oft monatelang im Krankenhaus und verlieren den Anschluss an Schule und Freunde zuhause“, erzählt sie. Isaac blickt auf sein verbundenes Bein. als wäre es ein Fremdkörper. „Wir werden ihn wohl noch ein halbes Jahr hierbehalten müssen, Hauttransplantationen stehen an, und er muss kräftiger werden“, ergänzt Dr. Evaristus. „Buruli Ulcer zerstört das Leben unserer Kinder. Gerade in dem Alter, in dem sie ihre Zukunft noch vor sich haben, schlägt die Krankheit unbarmherzig zu.“

Auch Stigmatisierung und Ignoranz machen den Patienten zu schaffen. Heißt es nicht allzu oft, dass ein Fluch auf ihnen liegt? „Die jungen Leute fühlen sich hilflos und wissen nicht, wie ihnen geschieht“, sagt der Chirurg. „Ich möchte ihnen helfen, sich wieder in die Gesellschaft und auch in die Familie zu integrieren, aber angesichts der Ausgrenzung ist das schwer.“ Er erinnert daran, was aus den jungen Leuten werden, welche Berufe sie ausüben könnten, wenn die Krankheit ihr Leben nicht zerstören würde. „Ich glaube an meine Patienten und helfe ihnen, so gut ich kann. Ich sage oft, dass ich sie in zehn Jahren wiedersehen möchte, denn ich will wissen, was aus ihnen geworden ist.“

Schmerzvolle Jahre

Die zwölfjährige Nneka Ukonkwo sitzt auf ihrem Krankenbett und deutet auf ihr behindertes Bein. Auch das bringt die Krankheit mit sich: Deformationen, meist an Händen, Armen und Beinen. Erstmals kam sie 2018 in die Klinik, krabbelnd auf allen Vieren. Es folgten schmerzvolle Jahre mit Operation, Hauttransplantationen und Physiotherapie. Jetzt kann sie aufrecht laufen, aber an ihrem rechten Bein werden die Auswirkungen der Krankheit für immer zu sehen sein. „Zum Glück konnten wir bei Nneka eine Amputation verhindern“, sagt Dr. Evaristus. Jedoch erschweren ein Knochenbruch und unerklärliche Schwellungen ihre Heilung. Mit ihrer Mutter Theresa ist sie heute zur Physiotherapie gekommen.

Alle Behandlungen sind in St. Joseph kostenlos, ebenso wie Bettwäsche und Aufbaunahrung. RedAid Nigeria unterstützt die kirchliche Einrichtung dabei. Für manche Eltern ist es nicht einmal möglich, auf eigene Kosten anzureisen, da die Familien Hunderte von Kilometern entfernt leben. Transportkosten werden übernommen, Unterrichtseinheiten für Kinder bei Langzeitaufenthalten ebenfalls. Nneka lächelt und drückt sich an ihre Mutter. Sie weiß, was sie dem Krankenhaus und seinen Mitarbeitenden verdankt. „Später möchte ich gerne Krankenschwester werden, am liebsten hier in St. Joseph“, sagt sie leise.

Schwester Rita versorgt die Wunden der jungen Patient:innen. „Das zeigen wir auch den Eltern oder Familienmitgliedern, denn Sauberkeit und Hygiene sind dabei das Wichtigste. Jeder und jede wird einmal entlassen und dann muss auch zuhause für die richtige Behandlung gesorgt werden.“ Die Betreuenden wissen, was dann für eine Mammut-Aufgabe auf sie zukommt. Sie profitieren von dem Know-How der Krankenschwester. „Die Arbeit hier ist mein Leben“, sagt die Dienstälteste der Schwestern schlicht. Seit zehn Jahren widmet sie ihre Zeit dem Krankenhaus und seinen Patient:innen. „Meine Leidenschaft für die Kranken und Stigmatisierten ist immens, so kann ich die Liebe für meinen Beruf am besten beschreiben.“

Regina Pere hat das Bett im Nebenzimmer. Auch bei ihr schauen Dr. Evaristus und Schwester Rita vorbei. Mit ihren 32 Jahren ist die vierfache Mutter eine Ausnahme unter den Patient:innen. Doch der Ausbruch von Buruli Ulcer auch bei ihr beweist, dass es jeden und jede treffen kann. „Mein letzter Ausweg war St. Joseph. Vor zwei Monaten kam ich hier mit einem offenen und blutigen linken Bein an“, sagt sie kaum hörbar. „Es gab keine schützende Hautschicht mehr und die Knochen lagen teilweise frei“, erklärt Dr. Evaristus. Regina Pere weiß, dass sie sich viel zu spät behandeln ließ. „Ich hatte solche Angst vor einer Amputation“, begründet sie ihr Zögern. Sie kann es nach der langen Zeit im Krankenhaus kaum erwarten, noch vor Weihnachten nach Hause zurückzukehren.

Weggehen kommt nicht in Frage

Um der Armut und den Krankheiten zu entfliehen, machen sich viele Landsleute auf den langen und beschwerlichen Weg in ein vermeintlich besseres Leben in Europa oder anderswo. Pfarrer Kenneth Okafur hat dafür klare Worte: „Ich bleibe hier, zum einen, um meinem Land zu helfen, zum anderen, weil ich keine Vorteile sehe. Wir sind es, die unsere Heimat verändern und verbessern können. Mein Land zu verlassen ist für mich nicht erstrebenswert, denn ich würde hier fehlen.“


 

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