08. Oktober 2021

Welttag der psychischen Gesundheit am 10. Oktober

Therapiesitzung für Frauen, die aus dem Süd Sudan oder der Demokratischen Republik Kongo nach Uganda geflohen sind. Foto: Laura Lewandowski / DAHW

Vulnerable, also besonders gefährdete Personengruppen wie die Menschen in unseren Projekten, die von Lepra, anderen vernachlässigten Tropenkrankheiten (neglected tropical diseases, NTDs) oder von Tuberkulose – und Auswirkungen wie körperlichen Behinderungen - betroffen sind, haben zunehmend auch mit psychischen Belastungen und Erkrankungen wie Angstzuständen oder Depressionen zu kämpfen. Anlässlich des Welttags der psychischen Gesundheit am 10. Oktober blickt die DAHW auf all diejenigen, die aufgrund von Armut und/oder Krankheit unter Stigmatisierung und Diskriminierung leiden.

Die „World Federation for Mental Health“ (WFMH), die den jährlich stattfindenden Welttag der psychischen Gesundheit initiiert hat, stellt diesen 2021 unter das Motto „Psychische Gesundheit in einer ungleichen Welt“.

Professor Gabriel Ivbijaro, WFMH-Generalsekretär spricht in seinem Aufruf zum diesjährigen Welttag der psychischen Gesundheit über die immer noch viel zu hohe Zahl der in Armut lebenden Menschen, die Missachtung der Menschenrechte und den großen Mangel an Gleichberechtigung gegenüber Menschen aufgrund ihrer Herkunft, ethnischen Zugehörigkeit oder sexuellen Orientierung. All das hat große Auswirkungen auf die psychische Gesundheit der Menschen. Dabei haben zwischen 75 % und 95 % der Menschen mit psychischen Störungen in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen überhaupt keinen Zugang zu psychosozialen Diensten, während der Zugang in Ländern mit hohem Einkommen nicht viel besser ist.

Missstände, die die DAHW Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe nur bestätigen kann. Auch in unseren Einsatzländern bleibt der Zugang zu psychosozialen Diensten für viele von Lepra, TB und anderen vernachlässigten Krankheiten betroffenen Menschen verwehrt. Menschen, die auch mit psychischen Problemen zu kämpfen haben. Geflüchtete, die durch das Erlebte, die Enge und die katastrophalen Hygienebedingungen in den Camps krank werden. Kinder und Jugendliche, deren Eltern unter Lepra oder anderen Krankheiten leiden und die die Familie fast alleine versorgen müssen. Menschen mit Behinderungen, die aufgrund der Pandemie und der plötzlich verhängten Ausgangssperren keine Hilfe mehr erfahren haben und alleine nicht zurechtkommen. Menschen, die der Hunger krank macht – körperlich und psychisch.

Konsequenzen einer ungleichen Welt

Gerade von Lepra betroffene Menschen sind noch immer mit gesellschaftlich wie politisch resultierender Diskriminierung und Ausgrenzung konfrontiert. Hinzu kommt, dass Menschen und Familien, die von NTDs, TB, oder einer Behinderung betroffen sind, oft auch an Selbst-Stigmatisierung leiden, indem sie sich und ihre Lebensumstände für ihre Erkrankung und Situation verantwortlich machen. Scham, Scheu und sozialer Rückzug sind häufig begleitende Verhaltensmuster. Hinzu kommt die gesellschaftliche und politische Stigmatisierung, indem z.B. unbegründete Angst vor Ansteckung vorherrscht oder keine Systeme existieren, um auch Menschen mit Behinderungen gleichwertige Möglichkeiten zu bieten. All dies beeinträchtigt ihre Bildungschancen, schmälert ihre Chance auf ein Einkommen und drängt sie und ihre Familien weiter an den sozialen Abgrund.

Stigmatisierung und Diskriminierung wirken sich mit der Zeit negativ auf das

Wohlbefinden und die psychische Gesundheit von Menschen aus, was zu mangelndem Selbstwertgefühl, Depressionen, Angstzuständen bis hin zu – im schlimmsten Fall –Suizidversuchen führen kann.

Die Pandemie hat diese Ungleichheit und Ungerechtigkeit noch verstärkt. Die von der Krankheit selbst Betroffenen, der Verlust des Arbeitsplatzes durch die Lockdowns, die anhaltende Unsicherheit, die Isolation, kollabierte Gesundheitssysteme und fehlende Nahrungsmittel – all das wirkt sich nicht nur physisch, sondern auch psychisch besonders auf die vulnerable Bevölkerung aus: arme oder erkrankte Menschen, Menschen mit Behinderung, Gefangene und Geflüchtete.

Mentale Gesundheit fördern

Diese Menschen stehen im Fokus der DAHW in unseren Hilfsprojekten. Wie in Uganda, wo wir uns in der Geflüchteten-Siedlung Palorinya um das körperliche, geistige und sozioökonomische Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen und ihren Betreuer*innen kümmern. In Kleinstgruppen und mit ausreichend Abstand führten wir während der Pandemie Sitzungen der kognitiven Verhaltenstherapie (CBT) sowie Trainings und Maßnahmen zur Sensibilisierung, zur psychischen Gesundheit und psychosozialen Unterstützung (Mental Health and Psychosocial Support, MHPSS) durch.

Solche Therapiesitzungen erhalten hier vor allem auch Frauen, die – aus dem Süd Sudan oder der Demokratischen Republik Kongo kommend – in Uganda Zuflucht und Schutz gesucht haben. Viele von ihnen sind alleine für die Versorgung ihrer Familie verantwortlich. Die Traumata, die sie in ihren Herkunftsländern oder während der Flucht erlebten, ihre derzeitig schwierige Lebenssituation und nicht zuletzt die Ungewissheit um die Zukunft ihrer Familie lassen sie verzweifeln. Sie verlieren den Lebensmut und die Zuversicht und sind psychisch so belastet, dass es manchen von ihnen zu schwer fällt, die eigene Familie angemessen zu versorgen. Die kognitive Verhaltenstherapie hilft den Frauen dabei, ihre Stressresistenz zu verbessern, normale soziale Funktionen wiederzuerlangen und positive Bewältigungsmechanismen zu fördern.

„Es wird immer deutlicher, dass Menschen, die von NTDs, TB oder von Behinderungen betroffen sind, nicht nur Zugang zu medizinischer Versorgung und rehabilitativen Maßnahmen benötigen, sondern dass auch die psychosoziale Versorgung verbessert werden muss“, erklärt Dr. Saskia Kreibich, Public Health Beraterin der DAHW. „Hier geht es uns vor allem um die gemeindenahe Versorgung, denn in vielen Ländern, in denen wir tätig sind, gibt es nur sehr wenige ausgebildete Fachkräfte. Die meisten von ihnen arbeiten in Städten und somit bleibt die ländliche Bevölkerung oft ohne psychische Versorgungsangebote zurück. Teilweise steht für hunderttausende von Menschen nur ein*e einzige*r Psycholog*in zur Verfügung.“

Die DAHW testet dazu z. B. in Nigeria im Rahmen eines vierjährigen Forschungsprojekts,

ob mittels eines vielschichtigen, gemeindeorientierten Ansatzes mit Patientenselbsthilfegruppen, Laienberatern und nicht spezialisiertem Gesundheitspersonal die psychische Gesundheit und das Wohlbefinden von Lepra- und Buruli Ulcer-Patient*innen verbessert werden kann.

Trotz der zahlreichen offensichtlichen Zusammenhänge zwischen vernachlässigten Krankheiten und der Beeinträchtigung der psychischen Gesundheit wird dieses Problem in vielen Ländern noch nicht erkannt. Die Früherkennung und eine bedarfsabhängige psychiatrische Behandlung und die umfassende ganzheitliche Betreuung von Menschen, die von Lepra oder anderen NTDs betroffen sind, muss gewährleistet werden. Dafür kämpft die DAHW in ihren Projekten weltweit.


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