19. Januar 2024

Unterstützung von Lepra-Betroffenen: Hilfe am richtigen Ort und zur richtigen Zeit

Woinshet Urgessa, ehemalige Leprapatientin und heutige Vorsitzende der Shashemene Leprosy Affected Persons Association in Äthiopien (Foto: Temesgen Woyessa)

Um Menschen, die von Lepra betroffen sind, gezielt unterstützen zu können, arbeitet die DAHW Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe eng mit sogenannten Selbstvertretungsorganisationen zusammen. So kann sichergestellt werden, dass die Projekte größtmögliche Wirkung erzielen. Ein Beispiel aus Äthiopien zeigt, wie die Hilfsorganisation gemeinsam mit Betroffenen daran arbeitet, Lepra und das die Krankheit begleitende Stigma zu überwinden.

Würzburg / Addis Abeba, 27.01.2024: Woinshet Urgessa weiß genau, was es bedeutet, an Lepra zu erkranken. Die Äthiopierin, heute 38 Jahre alt, war im Teenageralter, als sie die ersten Symptome bei sich entdeckte. Von ihrem Heimatort reiste sie in die Hauptstadt – 130 Kilometer, zu Fuß. Zwei Jahre lang wurde sie im von der DAHW Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe unterstützten Krankenhaus ALERT in Addis Abeba behandelt, doch eine Rückkehr nach Hause kam für die junge Frau danach nicht in Frage: Sie fürchtete das Stigma, das in Äthiopien eng mit der Lepra verbunden ist. Um sich und ihre Familie zu schützen, blieb sie der Heimat fern.

Aber Urgessa fand sich nicht ab mit ihrer Rolle als Ausgestoßene. Sie schloss sich einer Betroffenenorganisation an, der Shashemene Leprosy Affected Persons Association, und hat mittlerweile den Vorsitz inne. Zudem ist sie Vorstandsmitglied der Ethiopian National Association of Persons Affected by Leprosy (ENAPAL). Sie ist fest entschlossen, für die Rechte von Betroffenen einzustehen, um zu verhindern, dass andere ihr Schicksal teilen müssen.

Das betrifft beispielsweise Stigmatisierung und Diskriminierung: „Hier hat die Arbeit der DAHW bereits einen wichtigen Beitrag geleistet“, sagt Urgessa. „Aber da das Problem tief in unserer Gesellschaft verwurzelt ist, müssen wir unermüdlich daran arbeiten, das Bewusstsein in der Gesellschaft zu schärfen.“

Mit beiden Organisationen – Shashemene und ENAPAL – arbeitet die DAHW Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe eng zusammen. DAHW-Vorstand Joachim Beringer erklärt, die Kooperation helfe einerseits schon im Vorfeld enorm dabei, die richtigen Maßnahmen auszuwählen: „Das Ziel ist, in unseren Projekten hohe Wirksamkeit zu erzielen – das heißt, die Unterstützung soll zur richtigen Zeit am richtigen Ort ankommen.“ Andererseits gehe es um professionelle Reflektion während der Projektarbeit: „Wir müssen ständig hinterfragen, ob die angestrebten Ziele auch wirklich erreicht werden. Dabei beziehen wir immer wieder die Betroffenen und ihre Selbstvertretungs-organisationen mit ein.“ So könne man den Bedarf der Menschen besser analysieren und identifizieren und damit die Arbeit vor Ort so fokussieren, dass diese Bedarfe gedeckt werden.

DAHW-Projektkoordinatorin Carolin Gunesch hat erst kürzlich bei einem Projektbesuch in Äthiopien selbst erfahren können, wie wichtig diese Einbeziehung ist. „Ich habe einen Herrn kennengelernt, der Mitglied der Shashemene Association ist“, erzählt sie, „und habe mich lange mit ihm unterhalten. Erst später habe ich festgestellt, dass er eine Beinprothese hat – man bemerkt sie wirklich erst, wenn man ganz genau hinschaut.“ Der ehemalige Leprapatient hat inzwischen auf eigene Initiative und mit Unterstützung der DAHW ein kleines Transportunternehmen eröffnet. „Das ging nur dank der Prothese“, erklärt Gunesch, „mit einem Rollstuhl beispielsweise wäre das undenkbar gewesen. Die Straßen in Äthiopien sind oft für Rollstuhlfahrer:innen nicht besonders gut zugänglich und so hätte er diese Arbeit, die ihm nun ein regelmäßiges Einkommen sichert, nicht bewältigen können.“

Es sind Hinweise wie diese, die oftmals die Konzeption eines Projekts entscheidend prägen – etwa, wenn eben entschieden wird, ob als Unterstützung für Menschen mit Behinderungen Rollstühle oder Prothesen finanziert werden sollen. Und so soll die Zusammenarbeit mit Betroffenenorganisationen auch weiter gefördert werden. Die DAHW hat daher die Entwicklung eines sogenannten Selbsteinschätzungstools unterstützt. Damit können Organisationen, die gegen Lepra und andere Vernachlässigte Krankheiten vorgehen, die Einbeziehung und Beteiligung von Betroffenen in ihrer eigenen Organisation verfolgen und messen. „Wir haben das Tool allen Programmbüros, Regionalbüros und strategischen Partnern zur Verfügung gestellt“, erklärt Vorstand Beringer. „Sie sollen nun diese Selbstbewertung durchführen und die Ergebnisse an uns zurückmelden. Mit dieser Maßnahme können wir die Einbindung der betroffenen Menschen noch gezielter vorantreiben.“

Dass das sinnvoll und notwendig ist, davon ist Projektkoordinatorin Carolin Gunesch nach ihrem Besuch in Äthiopien überzeugter denn je. „Wir unterstützen die Menschen in unseren Projekten mit Diagnosen und Behandlungen“, sagt sie, „aber es ist wichtig, dass wir noch mehr tun als das. Wir müssen ihnen zuhören, einen Einblick in ihr Leben gewinnen, ihre Lebenssituation verstehen und konkrete Ansätze, zum Beispiel zu einkommensschaffenden Maßnahmen, entwickeln. Damit unterstützen wir nicht nur die Betroffenen, sondern auch sie uns. Denn niemand kann uns besser sagen, ob unsere Konzepte die gewünschte Wirkung erzielen als die Menschen, die es betrifft.“


 

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