In einem sechswöchigen Intensivtraining über Behandlung und Rehabilitation von Leprakranken im Januar und Februar 1981 in Karigiri, Südindien, hatte ich mich auf meine dann folgende Tätigkeit in Thailand vorbereitet. Ich begann danach, im Auftrag des Deutschen Aussätzigen Hilfswerks (DAHW) e.V. für das McKean Rehabilitation Center auf der Lepra-Insel im Fluss Ping in Chiang Mai, Nord-Thailand, zu arbeiten. Innerhalb von drei Jahren sollte ich dort eine Abteilung für Ergotherapie aufbauen und zugleich die Vermarktung der Holzschnitzarbeiten von Patient*innen neu organisieren.
Am Tag nach der Ankunft kaufte ich mir ein Motorrad und begann mit dem Sprachtraining. Sechs Monate lang lernte ich vormittags Thai und arbeitete nachmittags auf der Insel. Später kam noch Nordthai dazu, die Sprache der älteren Patienten. Sowohl die Sprachkurse als auch meine blaue Suzuki waren gute Investitionen. Mit dem Motorrad durchstreifte ich während meiner freien Zeit den Norden Thailands, mit dem Vehikel der Sprache erreichte ich die Menschen, konnte mit ihnen kommunizieren und mich mit ihnen auseinandersetzen. Meine erste Aufgabe war es, einen riesigen Lagerbestand von Teakholzschnitzereien abzubauen. Die Produkte von Holzschnitzern auf der Insel und in den Außendörfern wurden von McKean kontinuierlich aufgekauft. Der Weiterverkauf ruhte jedoch, weil seit längerer Zeit niemand für die Kundenkorrespondenz in englischer Sprache zur Verfügung stand. Durch die lange Lagerung hatte sich die mit Wachs polierte Oberfläche des Holzes unansehnlich grau verfärbt. Ein Verkauf in diesem Zustand war nicht möglich, eigentlich blieb nur die Entsorgung. Erst als ich mich auf Thai unterhalten konnte, erfuhr ich von einem Holzschnitzer, wie man die Ware retten konnte. Das Wachs wurde abgebürstet oder mit Benzin abgewaschen, dann die Oberfläche mit Sandpapier angeschliffen und mit einer dünnen Lackschicht versehen.
Nun ging es um Käufer. Ich durchstöberte die Kundenkorrespondenz früherer Jahre, notierte die Adressen von guten Abnehmern in England, Amerika und Kanada und schickte ihnen Angebote, die bei Abnahme großer Mengen Preisnachlässe gewährten. Die Strategie ging auf, und Mitte 1982 war alles verkauft. Wir hatten umgerechnet etwa 280.000 DM eingenommen. Die Produktion im Voraus wurde gestoppt, die Schnitzer bekamen nur noch Aufträge, wenn Bestellungen von Kunden vorlagen.
Naay Chan war ein guter Schnitzer, hatte aber bei der für gefühllose Hände gefährlichen Arbeit seine Finger verloren. Nun fixierte er die scharfen Schnitzmesser mit Bandagen, eine wackelige Lösung, bei der er sich oft verletzte. Unterstützung lehnte er kategorisch ab, erst nachdem ich genug Nordthai beherrschte, um mich mit ihm unterhalten zu können, fasste er Vertrauen zu mir.