28. Dezember 2020

McKean in Chiang Mai

Die Leprasiedlung McKean in den Anfängen. Foto: Archiv Gesellschaft für Leprakunde e. V.

Vom namengebenden amerikanischen Arzt in Thailand zur modernen Rehabilitationsklinik

Der amerikanische Arzt James W. McKean (1860–1949) war auch Missionar der Presbyterian Church. 1897 eröffnete McKean in Chiang Mai, Thailand, eine kleine Krankenstation, zu der auch Leprakranke kamen. Er sah das Elend dieser Menschen, die von ihren Familien verstoßen und aus ihren Dörfern vertrieben als Bettler herumzogen, und begann für sie zu sorgen.

Zunächst bat er den Prinzen von Chiang Mai um ein Stück Land zur Ansiedlung von Leprakranken, und er erhielt 1908 eine verlassene und verwilderte Insel im Fluß Ping, ungefähr acht Kilometer außerhalb der Stadt Chiang Mai. Ein Elefant hatte dort wenige Jahre zuvor die Häuser und Felder zerstört und die Menschen vertrieben. Die Insel wurde für unbewohnbar erklärt und auch nach dem Tod des Elefanten von den Menschen gemieden. Dr. McKean und neun Patienten, die eine neue Heimat suchten, zogen auf die 0,65 km2 große Insel, bauten einfache Holzhütten und begannen, das Buschwerk zu roden, um Nutzland zu gewinnen. Die Kunde von der Insel für Leprakranke verbreitete sich, die Anzahl der Bewohner erhöhte sich kontinuierlich. Dr. McKean erhielt Spenden aus Amerika, und es entstanden Holzhäuser für Patient*innen, zwei Kinderhäuser, das Krankenhaus, eine Kirche, ein Wasserturm, eine große Landwirtschaft und Werkstätten. 1920 war aus McKean, wie die Insel jetzt genannt wurde, eine Mustersiedlung geworden.Alle Arbeiten wurden von Patienten ausgeführt, es gab eine Inselpolizei, und Zahlungsmittel waren speziell für die Insel geprägte Münzen.

Das Anwachsen der Anzahl der Patient*innen übertraf einige Male das Fassungsvermögen von McKean. 1970 lebten mehr als tausend Menschen auf der Insel. Aus der Not geboren wurden junge und kräftige Patient*innen in schließlich 22 Außendörfer ausgesiedelt, um ein neues Leben zu beginnen und sich von Ackerbau und Viehzucht zu ernähren. Von der Bevölkerung der umliegenden Dörfer wurden sie zunächst strikt abgelehnt und gemieden. McKean richtete einen speziellen Dienst ein, der die Außendörfer regelmäßig besuchte, die Bewohner medizinisch versorgte und beruflich anleitete und weiterbildete.

Unter diesen vorteilhaften Bedingungen entwickelte sich ein bescheidener Wohlstand, der, sichtbar geworden, die Ablehnung von außen deutlich verringerte. Behinderung war als Armutsrisiko wahrgenommen worden, und eine Verbesserung des ökonomischen Status reduzierte sogleich die zunächst vorhandenen Ängste vor den Behinderten. Ein Prozess der Annäherung kam in Gang, und nach einiger Zeit konnte zum Beispiel ein Mann mit einer leichten Behinderung ein Mädchen aus dem nahegelegenen Dorf heiraten. Leider wurden diese Erfahrungen weder damals noch später publiziert. McKean hat, ohne es zu wissen, nach dem Prinzip der sozio-ökonomischen Rehabilitation gehandelt, 60 Jahre bevor dieser Fachbegriff entstand.

Dr. McKean berichtete 1916 über die Anwendung von Hydnocarpusöl, das aus den Samen des Chaulmoogra- Baums gewonnen wird. Das Hydnocarpusöl wirkt bakteriostatisch, hemmt also das Wachstum und folglich auch die Vermehrung der Leprabakterien. Es kam in Südostasien häufig zum Einsatz. In die Haut injiziert, sollte es die Folgen der Lepra lindern. Doch die Anwendung war schmerzhaft für die Patienten und es bestand die Gefahr der Geschwürbildung.


Veröffentlichung: Die Klapper - Mitteilungen der Gesellschaft für Leprakunde e. V. 28, 2020