17. November 2023

Memento-Preis für vernachlässigte Krankheiten in Berlin verliehen

Die Auszeichnungen für die Memento-Preisträger:innen 2023 (Foto: Ansgar Silies)

Die Auszeichnungen 2023 gehen an Arbeiten zu neuauftretenden Viren, "stillen Epidemien" und gestärkten Gesundheitssystemen weltweit - wir gratulieren!

Berlin, 16.11.2023: Die Bundestagsabgeordnete Tina Rudolph (SPD) hat heute den Memento Politikpreis für ihr Engagement gegen die gravierenden Ungleichheiten in der globalen Gesundheits-versorgung erhalten. Jan Felix Drexler, Professor für Virusepidemiologie an der Berliner Charité, wurde für seine Leistungen in der Forschung und Entwicklung zu Diagnostik bei neuen Viruserkrankungen mit dem diesjährigen Memento Forschungspreis ausgezeichnet. Der freie Journalist Martin Zinggl erhielt den Memento Medienpreis. Sein geplantes Projekt widmet sich der Bekämpfung von Hepatitis in der Mongolei. Forschungs- und Medienpreis sind jeweils mit 5.000 Euro dotiert, der Politikpreis ist undotiert. Die feierliche Preisverleihung fand am Abend in Berlin statt.

Hintergrund
Der Memento Preis für vernachlässigte Krankheiten wird 2023 zum zehnten Mal verliehen. Das zivil-gesellschaftliche Bündnis hinter der Auszeichnung besteht seit der Gründung aus Ärzte ohne Grenzen, Brot für die Welt, der BUKO Pharma-Kampagne und der DAHW Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe. Ziel ist es, mehr Aufmerksamkeit und Engagement in den Bereichen Politik, Forschung und Medien für vernachlässigte Gesundheitsbedürfnisse von Menschen in ärmeren Ländern zu schaffen.

„Der Abend hat ein notwendiges Schlaglicht geworfen auf die Themen, die auch uns in unserer Arbeit jeden Tag beschäftigen", sagt Manuel Koch, der die DAHW im Memento-Bündnis vertritt: "Wie wichtig es ist, dorthin zu gehen, wo die Betroffenen sind. Welche Bedeutung ein guter Zugang zu schwer erreichbaren Regionen des Globalen Südens hat. Und, dass es unabdingbar ist, Diagnostikmöglichkeiten und Forschungsmittel dorthin zu bringen, wo sie benötigt werden – auch wenn politische und marktwirtschaftliche Systeme im Weg stehen. Daran arbeiten nicht nur wir als DAHW, sondern viele Menschen in Medien, Politik und Wissenschaft. Die Preisträger dieses Jahres stehen stellvertretend für diese Menschen. Sie haben mit ihrer Arbeit eindrücklich gezeigt, wie sich die globalen Ungerechtigkeiten im System auf die Menschen selbst und die mediale Darstellung, wissenschaftliche Erforschung und politische Wahrnehmung ihrer Situation auswirken.“

Für eine gerechte globale Gesundheitsversorgung – der diesjährige Politikpreis
Die Politikpreistragende Tina Rudolph, Sprecherin für globale Gesundheit der SPD-Bundestagsfraktion und Mitglied im Unterausschuss Globale Gesundheit, engagiere sich in ihrer Arbeit mit Nachdruck für eine gerechtere Gesundheitsversorgung weltweit, so die Politik-Jury des Memento-Bündnisses. Die Abgeordnete selbst mahnt: „Als Weltgemeinschaft werden wir uns immer wieder mit Heraus-forderungen von globaler Tragweite auseinandersetzen müssen. Ob eine nächste Pandemie oder die Folgen des fortschreitenden Klimawandels - gut bestehen werden wir sie nur durch Solidarität. Es muss Einigkeit darüber herrschen, dass wir nie wieder eine so gravierende globale Ungleichheit zulassen, wie beim Zugang zu Gesundheitsgütern während der Covid-19-Pandemie.“ Als weitere Lehre aus Covid-19 tritt Tina Rudolph zudem dafür ein, starke Gesundheitsstrukturen zu schaffen: „Es sollte unser Ziel sein, dass Gesundheitssysteme von solchen Herausforderungen nicht unvorbereitet getroffen werden und zudem über resiliente Strukturen verfügen. Generell müssen sie in der Lage sein, die medizinischen Bedürfnisse der Bevölkerung auch wirklich angemessen abzudecken – gerade, wenn es um vernachlässigte Gruppen und armutsassoziierte Krankheiten geht."

Neue Viren & adäquate Diagnostik für den Globalen Süden – der diesjährige Forschungspreis
Neuauftretende Viren (emerging viruses) und von ihnen verursachte Erkrankungen, wie Chikungunya- oder Zika-Fieber, treten vorwiegend in Ländern niedrigen und mittleren Einkommens erstmals auf. Erreger können durch engen Kontakt zwischen Mensch und Wildtieren überspringen - etwa bei Landnutzungsänderungen in Gegenden mit hoher Biodiversität. Der Forschungspreistragende Jan Felix Drexler arbeitete u.a. in Benin und Brasilien zu neuauftretenden Viren und ist selbst an der Entwicklung innovativer diagnostischer Tests in der Praxis beteiligt. Er hebt hervor: „Der Globale Süden ist in internationalen Kooperationen unterrepräsentiert und wird von Firmen im Globalen Norden, die Diagnostika entwickeln, meist nicht als relevanter Markt betrachtet.“ Dies führt dazu, dass keine adäquaten und bezahlbaren Diagnosemöglichkeiten für emerging viruses in den Regionen vorhanden
sind, wo sie am stärksten gebraucht werden: „Diagnostika für neuartige Viren sind für den Einsatz in ärmeren Ländern oft nicht ausreichend getestet. Da es meist keine lokal entwickelten und produzierten Alternativen gibt, werden sie dennoch für viel Geld importiert, zusätzlich fallen hohe Zölle und Vertriebsgebühren an. Entsprechend findet unzureichende und verspätete Diagnostik statt. Die Folgen betreffen wieder die gesamte Weltgemeinschaft, wie auch während Covid-19 gesehen.“ Drexler appelliert für mehr Wissensaustausch und konstatiert: „Es ist extrem wichtig, auf Augenhöhe mit Partner*innen im Globalen Süden zu kooperieren.“

Die stille Epidemie in der Mongolei – der diesjährige Medienpreis
Mit einer „stillen Epidemie“ setzt sich das Rechercheprojekt des Medienpreistragenden Martin Zinggl auseinander. Sein Fokus liegt dabei auf der Mongolei. Gesundheitsprobleme durch Hepatitis B und C sind dort häufig. Beide Erkrankungen begünstigen Leberzirrhose und Leberkrebs, die entsprechenden Sterblichkeitsraten in der Mongolei zählen zu den höchsten weltweit. „Weil die meisten Betroffenen nichts von ihren Infektionen wissen, leidet der Großteil an chronischen Entzündungen, oft mit gravierenden Folgen. Die Situation in der Mongolei zeigt uns, wie eng verbunden übertragbare und nicht-übertragbare Krankheiten sein können.“, so Zinggl. Sein geplantes Projekt wird die Arbeit einer mongolischen Chirurgin hervorheben, die sich für mehr Aufklärung, frühere Diagnosen und günstigere Behandlungen einsetzt. Der Reporter verweist dabei auf die Bedeutung über das Land hinaus: „Dass mittlerweile zumindest Hepatitis-C-Patient*innen in der Mongolei die Möglichkeit einer bezahlbaren Therapie bekommen, ist eine enorme Erleichterung für alle Betroffenen. Doch lebensrettende Medikamente müssen überall auf der Welt bezahlbar sein, wo es Bedarf gibt.“