26. Juli 2018

Porträt: Lieber eine sinnstiftende Arbeit als ein großes Haus

Eigentlich wollte er nur einen gut bezahlten Job haben. Zumindest am Anfang. Cyril Johnson hatte gerade seinen Bachelor in Politikwissenschaft, Internationale Beziehungen und Öffentliche Verwaltung abgeschlossen. Allzu viele interessante Stellenangebote gab es damals, 2006, in seinem Heimatland Sierra Leone nicht. Da kam ihm die Anzeige, dass die DAHW Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe e. V. einen Verwaltungsassistenten suche, gerade Recht.

Das Profil sagte ihm zu, „denn nach einer eher unregelmäßigen Consulting-Tätigkeit wollte ich vor allem auch meinen Lebenslauf verbessern.“ Und natürlich mehr Geld verdienen. „Um meinen Master in Betriebswirtschaftslehre, den MBA, online zu absolvieren, quasi im Selbststudium.“

Mit der DAHW in die Zukunft

Doch das waren erstmal nur Zukunftspläne. Was er bei der DAHW in den nächsten sieben Jahren erlebte beeinflusste sein weiteres Leben. „Es waren die Leprapatienten, die ich sah, diese unmittelbaren Begegnungen, die Dankbarkeit, wenn sie mit unserer Hilfe geheilt wurden. Das hat mich sehr beeindruckt“, fasst er heute seine Eindrücke in Worte zusammen. Cyril Johnson wurde fast demütig, im Angesicht des Leides, von dem er vor Beginn seines Jobs keine Ahnung hatte. „Mitleid ist nicht das richtige Wort, in mir machte sich sehr viel Mitgefühl breit“, versucht der 42-Jährige bei einem Besuch in der DAHW-Zentrale in Würzburg seine Emotionen zu erklären.

„Und schließlich stellte ich mir selbst die Frage, wie ich den Betroffenen helfen kann.“ Ein Lepra-Workshop im äthiopischen Addis Abeba und die Arbeit mit Tuberkulose-Kranken erweiterten zusätzlich seinen beruflichen Horizont. Dann endlich konnte sich der Familienvater seinen großen Wunsch erfüllen, das MBA-Studium zu beginnen und ein Jahr später auch erfolgreich abzuschließen. Und heute sieht er seine Stärken in der Zusammenarbeit mit Partnern, der Basisarbeit mit dem Gesundheitspersonal, Empowerment für Menschen mit Behinderungen und als Sozialberater.

Das große Umdenken

Doch sein Gefühl von damals hat er nicht vergessen. „Ich sah die Armut der Menschen auf dem Land, und ich fühlte mit ihnen. Das änderte mein Verhalten.“ Denn früher wollte er schnell viel Geld verdienen, sich wie seine Freunde rasante Autos und ein tolles Haus zulegen. „Ein gutes Gehalt, das war einzig und allein mein Ziel.“ Doch der Anblick der vielen Benachteiligten in seinem Land zwang ihn zum Umdenken. „Ich wollte Verantwortung für sie übernehmen, ihnen das Leben erträglicher machen. Denn es gibt nicht allzu viele Mitmenschen, die diesen Personen helfen wollen.“

Und dann kam Ebola. Der Ausbruch der Seuche war schlimmer als er jemals erwartet hätte. „Ich war in direkten Kontakt mit den Kranken und sah viele sterben.“ Angst hatte er dabei nicht. Im Gegenteil, denn er koordinierte die humanitäre Hilfe mit den Partnern vor Ort. Wie ein Jahr später auch während der Flutkatastrophe, die viele Regionen seiner Heimat zerstörte.

Seit Ende 2015 ist Cyril Johnson Repräsentant der DAHW vor Ort. „Hilfreich dafür waren meine Erfahrungen in den Jahren zuvor“, gibt der Vater von zwei Buben zu. „Ich möchte die DAHW in Sierra Leone voranbringen, auch wenn ich selbst nicht mehr hier arbeiten werde“, betont er. „Sie fit machen für die Zukunft.“