13. Juni 2008

Vernachlässigte Krankheiten: Buruli Ulcer verstümmelt Kinder

Ein neues DAHW-Projekt in Togo nimmt den Kampf gegen die Schwester der Lepra auf

"Wir müssen dringend etwas unternehmen“, lautete vor zwei Jahren das Fazit von Franz Wiedemann, der als Repräsentant der Deutschen Lepra- und Tuberkulosehilfe (DAHW) in Westafrika tätig ist: "Wir müssen diesen armen Kindern helfen, die von Buruli Ulcer verstümmelt werden“. Rund 70 Prozent aller Menschen, die an Buruli Ulcer erkranken, sind Kinder unter 15 Jahren.

Auslöser dieser Krankheit ist eine Infektion mit dem Mycobakterium Ulceran, das in rund 30 Ländern dieser Welt vorkommt – überwiegend in sumpfigen Feuchtgebieten. Das Bakterium ist eng verwandt mit den Erregern von Lepra und Tuberkulose, doch die Übertragungswege sind noch weniger bekannt als bei der Lepra. Aus dem gleichen Grund ist die Diagnose sehr schwierig und daher kommen viele Patienten erst dann zu einer Behandlung, wenn Arme oder Beine schon nicht mehr zu retten sind.

In den feuchten Küstengebieten von Togo ist die Krankheit weit verbreitet, besonders in kleinen Dörfern. Mit seinen 5,4 Mio. Einwohnern ist Togo außerhalb der Hauptstadt Lomé stark ländlich geprägt. Rund 2.500 Menschen sind derzeit an Buruli erkrankt. Wie bei der Lepra müssen auch hier diejenigen Betroffenen hinzugerechnet werden, die entweder noch nicht entdeckt wurden oder die schon behandelt und geheilt, aber durch die Krankheit verstümmelt wurden.

Immer öfter stieß Franz Wiedemann auf Kinder, die von Buruli Ulcer gezeichnet waren: Das Bakterium frisst sich in Armen und Beinen durch Haut, Gewebe sowie Knochen und setzt dabei ein Gift frei, das die Schmerzen unterdrückt. Als Folge wird die Erkrankung einfach ignoriert, bis die unansehnlichen Geschwüre zu Lähmungen führen, weil die Muskeln oder Gelenke zerstört sind.

Franz Wiedemann als neuem Repräsentanten fielen besonders die an Buruli erkrankten Kinder auf. Viele von ihnen kamen in die Klinik nach Tsévié im Süden des Landes, doch für noch mehr Menschen war der Weg dorthin zu weit. Mit dem deutschen Arzt und Buruli-Experten Dr. Jörg Nitschke sprach er über Möglichkeiten, bei Diagnose und Behandlung dieser Krankheit ähnlich systematisch vorzugehen wie bei Lepra und TB.

Die Idee für ein neues Projekt war entstanden: ein Buruli-Programm für das ganze Land. Nirgendwo in Togo sollen Menschen an Buruli erkranken, nur weil sie sich medizinische Behandlung oder sogar den Weg dorthin nicht leisten können. In der DAHW-Zentrale wurde das Projekt eingehend geprüft und schließlich bewilligt (vgl. S. 21).

Etwas schwieriger gestaltete sich die Suche nach Möglichkeiten der Finanzierung: Wie könnte die DAHW rund 200.000 Euro aufbringen, ohne bei anderen Projekten kürzen zu müssen? Bei der Suche nach Spenden kam die Idee einer Medienpartnerschaft auf. Die ebenfalls in Würzburg beheimatete Zeitungsgruppe Main-Post startete eine große Leseraktion: Informationen über Togo, Buruli Ulcer und die dringend notwendige Hilfe zierten von nun an die Zeitung. Die Leserinnen und Leser haben dieses Engagement honoriert und mit ihren Spenden die Hilfe für Buruli-Patienten in Togo ermöglicht. Die Redaktion hat laufend über den Fortschritt des Hilfsprojekts berichtet, bis endlich die Erweiterung des Hospitals mit Operationssaal und Labor fertig war.

Dass Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier das neue Hilfsprojekt in Togo eröffnet hat, war eine Auszeichnung für die Art und Weise, wie dieses neue Behandlungszentrum so schnell seine Arbeit beginnen konnte – dank der Hilfe einiger engagierter Redakteure, Verlagsleiter sowie zahlreicher Leserinnen und Leser.

Seit Ende 2007 läuft das Buruli-Projekt in Togo auf Hochtouren: mobile Diagnose-Teams fahren durch die entlegensten Dörfer, betreuen die Patienten und bringen sie zum Behandlungszentrum nach Tsévié. Anfangs hat Dr. Jörg Nitschke dort gemeinsam mit einheimischen Ärzten operiert, die er dabei gleichzeitig aus- und weitergebildet hat und die nun diese wichtige Arbeit übernommen haben.

Buruli Ulcer ist eine vernachlässigte Krankheit, über deren Behandlung kaum ein Mediziner im Rahmen seiner Ausbildung etwas lernt. Doch in Togo gibt es mittlerweile einige Experten für diese Krankheit – dank des neuen Hilfsprojekts der DAHW.


DAHW - Jahresbericht 2007