Frage: Was sind typische Bedingungen für Betroffene, z.B. von Lepra, um sauberes Wasser zu bekommen?
Chinwe Eze: Nur gut 10 % der einfachen Bevölkerung hat in Nigera überhaupt Zugang zu sicheren Wasserquellen. Unabhängig von Behinderungen. In ländlichen Regionen sind die nächstgelegenen Wasserquellen oft 30 Min Fußmarsch oder weiter entfernt.
Cyril Johnson: In Sierra Leone haben weniger als 40 % der Menschen Zugang zu sicherem Trinkwasser. Menschen mit Behinderung sind besonders betroffen. In ländlichen Regionen sind sie auf die Hilfe anderer angewiesen oder sie entnehmen Wasser aus Bächen und Tümpeln, die sie erreichen.
Shibu George: Immer noch leben viele von Lepra Betroffene in Indien in so genannten Lepra-Kolonien und werden von der Gesellschaft stigmatisiert. Das erschwert ihnen den Zugang zu sicheren Quellen. Auch wenn die Situation heute deutlich besser ist als noch vor vier, fünf Jahrzehnten.
Frage: Welche traditionellen Überzeugungen und Überlieferungen beeinflussen das „WASH“-Verhalten?
C. Eze:Hygienisches Verhalten ist leider immer noch sehr schwach ausgeprägt. Die Nutzung von stationären Toiletten und das Waschen der Hände nach dem Toilettengang (gerade in der Natur) werden nur unregelmäßig praktiziert. Das meiste Wasser wird aus fließenden Gewässern entnommen.
C. Johnson:Traditionell halten einige Gemeinden ihr Flüsse für „heilig“ und die Quelle der Kraft und des Schutzes. Das führt dazu, dass sie ihr Wasser eher aus dem Fluss schöpfen als vorhandene Brunnen zu nutzen. Es ist ein langer Prozess, hier ein Bewusstsein zu schaffen, das die Gesundheit in den Vordergrund rückt.
S. George:In Indien wurden Glaube und Medizin schon immer in den Heilungsprozess integriert, da viele Priester, Mönche, Theologen und andere Menschen durch religiöse Motive inspiriert wurden und Medizin praktizierten. Das gesundheitsbezogene Verhalten des Menschen resultiert jedoch aus dem Einfluss mehrerer Faktoren, die durch Umwelt, Bildung und Kultur beeinflusst werden.
Frage: Welche sozialen Normen und Werte spielen eine Rolle, haben einen Einfluss auf das Verhalten?
C. Eze:Typische Normen und Überlieferungen, die das WASH-Verhalten beeinflussen, kann ich nicht erkennen. Nach meiner Beobachtung nimmt das Bewusstsein gerade bei jüngeren Menschen immer mehr zu. Schon durch die Ebola-Epidemie, die sich aufgrund der mangelnden hygienischen Standards so rasant ausbreiten konnte, sind die Menschen sensibilisiert.
C. Johnson:Für die „Beschaffung“ des Wassers sind meist die Frauen zuständig. In Dorfgemeinschaften nutzen sie oft die gleichen Wasserstellen, weil es gleichzeitig ein beliebter Treffpunkt für sie ist. Das Wasser wird in verschiedenen Behältern, je nach Verwendungszweck, aufbewahrt.
S. George:Im ländlichen Indien, wo Wasser in irdenen Töpfen gespeichert wird, glauben die Menschen, dass Lehm das Wasser reinigt und dazu beiträgt, den pH-Wert des Körpers zu regulieren, den Säuregehalt und Magenprobleme zu reduzieren. Das soll dazu beitragen, den Körper gesund zu halten.
Frage: Gibt es nach Ihrer Erfahrung geschlechts- und generationsspezifische Unterschiede in Bezug auf die WASH-Sensibilisierung?
C. Eze:Wir beobachten seit langem, dass die Aufklärungskampagnen, auch der DAHW, zu einer Veränderung führen. Gerade auch die Menstruationshygiene von Frauen hat sich deutlich verbessert.
C. Johnson:Bisher noch nicht. Entsprechende Programme sind in der Planung.
S. George: Für die Bewohner*innen der Slums ist es eine fast unlösbare Aufgabe, gute Hygiene aufrecht zu erhalten. Die ländliche Bevölkerung leidet außerhalb des Monsuns regelmäßig unter Wasserknappheit.