15. Januar 2022

65 Jahre aktive Lepra-Arbeit in Afrika, Asien und Lateinamerika

Die DAHW ist seit 65 Jahren in Würzburg beheimatet, seit sieben Jahren mit Sitz in der Raiffeisenstraße. Foto: Judith Mathiasch/DAHW

Als Leprahilfswerk 1957 gegründet, setzt sich die DAHW bis heute für die Betroffenen ein

(Würzburg, 14. Januar 2022) – Am 18. Januar 2022 feiert die DAHW Geburtstag. „65 Jahre DAHW stehen für 65 Jahre aktive Lepra-Arbeit“, so bringt es Geschäftsführer Burkard Kömm auf den Punkt. Denn die Organisation wurde als Leprahilfswerk gegründet. Mit Blick nach Äthiopien startete der deutsche Journalist Hermann Kober gemeinsam mit seiner Frau Irene und einigen Freunden einen Spendenaufruf und gründete am 18. Januar 1957 in Zell am Main das Deutsche Aussätzigen-Hilfswerk (DAHW), das später in DAHW Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe e. V. umbenannt wurde. Der Rest ist Geschichte …

Lepra ist seit den 1980er-Jahren heilbar, dennoch erkranken weltweit immer noch jedes Jahr mehr als 200.000 Menschen neu an der bakteriellen Infektionskrankheit. „Lepra ist und bleibt unser zentrales Betätigungsfeld“, so Geschäftsführer Burkard Kömm, obgleich die DAHW sich heute auch um Tuberkulose und vernachlässigte Tropenkrankheiten (NTDs) wie Buruli Ulcer, Schistosomiasis, Leishmaniose oder auch Chagas kümmert. „Im Mittelpunkt unserer Arbeit steht bis heute stets der Mensch, der aufgrund einer armutsassoziierten Erkrankung von der Gesellschaft ausgeschlossen wird und keinen Zugang zu einer adäquaten Gesundheitsversorgung hat“, erklärt Kömm. „Wir bekämpfen die Ursachen der Übertragung dieser Krankheiten ebenso wie das Stigma, dass mit ihnen verbunden ist. Und wir setzen uns dafür ein, dass Menschen mit Behinderung – gleich welcher Ursache – vollständige Teilhabe am gesellschaftlichen Leben erhalten.“

65 Jahre Lepra-Arbeit: ein Rückblick

Die Aufgaben, vor der die DAHW in ihrer aktiven Lepra-Arbeit heute steht, haben sich trotz aller Entwicklung in 65 Jahren nur bedingt geändert. Bis heute haben von Lepra Betroffene in den Ländern des Globalen Südens häufig keinen Zugang zu medizinischer Versorgung. Zudem ist Lepra eine „sichtbare“ Krankheit: Betroffene leiden unter Stigmatisierung und Ausgrenzung, auch dann noch, wenn sie vom Erreger der Lepra geheilt sind. Leprabedingte, irreparable Behinderungen
oder Amputationen zeichnen viele ein Leben lang. Daher setzt die Arbeit der DAHW seit jeher auf mehreren Ebenen an. Neben der aktiven Fall-Findung und der medizinischen Versorgung steht auch das Thema „Empowerment“ im Fokus: die Befähigung von Betroffenen, selbstbestimmt und eigenverantwortlich zu leben.

Dass die DAHW heute erfolgreich in mehr als 20 Projektländern weltweit aktiv ist, hätte sich vor 65 Jahren in einer kleinen Wohnung in einer Würzburger Stadtrandgemeinde niemand vorstellen können. „Damals wusste noch keiner, dass so viele Menschen weltweit von Lepra betroffen sind“, erinnert sich Irene Kober. Mit ihren 96 Jahren ist sie das einzige noch lebende Gründungsmitglied der DAHW. Ihr Mann Hermann Kober hatte damals von seinem Kollegen Franz Graf Magnis vom Leid der von der „biblischen Krankheit“ betroffenen Menschen in Äthiopien erfahren und eine Reportage dazu veröffentlicht. Darin schrieb er über den französischen Lepra-Arzt Dr. Féron, der in Bisidimo/Äthiopien mit dem Fahrrad in weit entlegene Regionen fährt, um von Lepra betroffene Menschen zu behandeln – und bat um Spenden. Mit beeindruckender Resonanz: „Die Hilfsbereitschaft der Menschen hat uns damals regelrecht überwältigt. Innerhalb kürzester Zeit hatten wir 10.000 Mark gesammelt“, weiß Irene Kober zu berichten. Am 17. Januar 1957, ihrem 31. Geburtstag, gründeten die Kobers beim Kaffeekränzchen mit fünf weiteren Engagierten in Zell am Main das Deutsche Aussätzigen-Hilfswerk. Am Tag darauf erfolgte die Registrierung im Vereinsregister.

Äthiopien: Wiege der DAHW

Alles begann mit Äthiopien. Kobers Artikel gab den Anstoß dafür. Ein Lepra-Hospital in der kleinen Ortschaft Bisidimo war das Pilotprojekt der DAHW und von Beginn an der Dreh- und Angelpunkt ihrer aktiven Lepra-Arbeit. Ab 1957 wurde es gebaut und umgehend strömten an Lepra erkrankte Menschen aus dem ganzen Land dorthin. Inzwischen ist Bisidimo ein allgemeines Krankenhaus, das die gesamte Region medizinisch versorgt, und zudem zum Referenzhospital für Lepra avanciert.

Die Zahl der DAHW-Mitglieder und Förder:innen stieg seit den 1960er-Jahren immer weiter an. Die Hilfsorganisation stellte Verbindungen zu Lepra-Stationen in Afrika, Asien und Südamerika her und unterstützte Betroffene weltweit. „Neben Bisidimo und unserer aktiven Lepra-Arbeit in Äthiopien ist Pakistan, wo die DAHW seit 1961 tätig ist, sicherlich das zweite bedeutende Land in der Geschichte unserer Lepra-Arbeit“, berichtet Kömm. Mehr als 50.000 an Lepra erkrankte Menschen verdanken ihre Heilung dem Wirken der „Mutter der Lepra-Kranken“ Dr. Ruth Pfau. 1996 erklärte die Weltgesundheitsorganisation WHO Pakistan zum ersten Land in Südasien, das Lepra in den Griff bekommen hatte. Nicht zuletzt ein Verdienst von Ruth Pfau, die 2017 von der DAHW zur Ehrenbotschafterin für die weltweite Lepra-Arbeit der DAHW ernannt wurde, bevor sie am 10. August 2017 im Alter von 87 Jahren verstarb.

Durchbruch mit der „MDT“

In den 1970er-Jahren unterstützte die DAHW in ihren Projektländern des Globalen Südens die Entwicklung flächendeckender Lepra-Kontrollprogramme in Zusammenarbeit mit Regierungen, Gesundheitsbehörden und Partnerorganisationen und begann mit aktiver Lepra-Forschung. In Zusammenarbeit mit dem Forschungsinstitut Borstel wurde eine neue Kombinationstherapie zur Bekämpfung der Lepra entwickelt. Die Behandlung von Lepra-Patient:innen in mehreren Ländern zeigte bisher noch nicht dagewesene Heilungserfolge.

1983 erklärte die WHO diese Kombinationstherapie (Multi-Drug-Therapie, MDT) zum weltweiten Standard und die Krankheit Lepra damit als heilbar. Bereits Mitte der Achtzigerjahre wurden weltweit 275 Projekte in 38 Ländern gefördert. Die Zusammenarbeit mit der Internationalen Vereinigung der Lepra-Hilfswerke (ILEP), die von der DAHW mitbegründet wurde und heute 23 Organisationen vereint, war dabei dank des Austauschs und gemeinsamer Aktivitäten von großem Nutzen. Als die DAHW 1990 die ILEP-Generalversammlung in Würzburg ausrichtete, war man sich einig, die Behandlung mit Kombinationstherapien zu forcieren und das Stigma der Krankheit Lepra endlich zu überwinden.

Konsequent für eine leprafreie Welt

Dafür steht auch der neue Name DAHW Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe e.V., der seit dem 9. Januar 2003 verdeutlicht, dass von Lepra Betroffene keine Aussätzigen mehr sind. „Es war uns wichtig, den stigmatisierenden Begriff aus unserem Namen zu streichen. Auch wenn die DAHW bis heute bei den langjährigen Unterstützer:innen wohl ‚das‘ DAHW bleiben wird“, hält Geschäftsführer Burkard Kömm fest. Seit über zehn Jahren leitet er die Geschichte der spendenfinanzierten Organisation, die in der Würzburger Zentrale und im Außenbüro in Münster rund 50 und weltweit weitere 250 Mitarbeiter:innen beschäftigt.

Kömm blickt dankbar auf die Erfolge und das Geleistete in der Vergangenheit zurück. Dennoch weiß er, dass das endgültige Ziel noch nicht erreicht ist: „Um Lepra endlich nachhaltig zu besiegen, bedarf es vermehrter Aufmerksamkeit und Anstrengung der internationalen Gemeinschaft, vor allem aber auch mehr finanzieller Investitionen. Nur mit einer Intensivierung der Forschung, dem Aufbau einer adäquaten und für alle zugänglichen Gesundheitsversorgung und der Verbesserung der Lebensverhältnisse besonders gefährdeter Personengruppen, kann unsere Vision einer leprafreien Welt Wirklichkeit werden.“

Meilensteine in der DAHW Lepra-Arbeit

1957    Gründung des Deutsches Aussätzigen-Hilfswerk (DAHW) e.V.

1958    Die ersten Entwicklungshelfer:innen starten den Aufbau der Lepra-Station Bisidimo in Äthiopien. Schon bald gehen zahlreiche Projektanträge aus Afrika, Asien und Lateinamerika ein.

1961    Das Hilfswerk beginnt mit der Unterstützung der Ordensfrau, Lepra-Ärztin und späteren DAHW-Ehrenbotschafterin Dr. Ruth Pfau.

1974    In mehreren Ländern werden nationale Lepra-Kontrollprogramme aufgebaut. Die Lepra-Forschung wird weiter unterstützt.

1983    Lepra ist heilbar! Die WHO erklärt die von der DAHW und dem Forschungszentrum Borstel entwickelte Kombinationstherapie zum weltweiten Standard.

1990    Die DAHW richtet die Generalversammlung der Internationalen Vereinigung der Lepra-Hilfswerke (ILEP) in Würzburg aus.

1996    Gründung der RuthPfau-Stiftung.

2003    Das Deutsche Aussätzigen-Hilfswerk (DAHW) wird in DAHW Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe e.V. umbenannt.

2007    Gründung der Hermann-Kober-Stiftung.

2010    Die DAHW unterscheidet bei ihren Rehabilitationsmaßnahmen nicht mehr, ob eine Behinderung aufgrund von Lepra entstanden ist oder nicht.

2018    Die WHO empfiehlt die von der DAHW mitentwickelte Lepra-Post-Expositions-Prophylaxe (LPEP) als Standard-Präventivbehandlung von Kontaktpersonen von Lepra-Patient:innen.

2020    Die DAHW ist Gründungsmitglied der neuen "Globalen Partnerschaft für die Elimination der Lepra" (Global Partnership for Zero Leprosy, GPZL).

2022    Die DAHW und ihre aktive Lepra-Arbeit feiern 65-jähriges Jubiläum

15 Jahre Hermann-Kober-Stiftung

Auch die Stiftung, die von der DAHW 2007 zum Gedenken an ihren verstorbenen Mitbegründer ins Leben gerufen wurde, feiert Geburtstag. Ziel der heute 15-jährigen Hermann-Kober-Stiftung ist die nachhaltige Absicherung der weltweiten Lepra-Arbeit der DAHW. Im Unterschied zu ad hoc verwendeten Spenden arbeitet die Stiftung mit den Erträgen, die durch die Anlage des Stiftungsvermögens erwirtschaftet werden. Die ausgeschütteten Gelder werden immer im gleichen Jahr der Projektarbeit der DAHW – in der Regel im ostafrikanischen Äthiopien, der Wiege der DAHW – zugeführt. Der Verwendungsnachweis wird bei der darauffolgenden Jahressitzung der Stiftung erbracht und ist auch im jeweiligen Jahresbericht der DAHW (www.dahw.de/jahresbericht) zu lesen.

DAHW-Gründungsmitglied Irene Kober ist ebenfalls Mitglied des Stiftungsvorstands. Sie feierte einen Tag vor der DAHW, am 17. Januar ihren Geburtstag und wird 2022 stolze 96 Jahre alt. Irene Kober empfiehlt die Stiftung, um so das Lebenswerk ihres Mannes zu erhalten und weiterzuentwickeln: „Für die Menschen, die es nicht aus eigener Kraft schaffen, das Grundrecht auf Gesundheit für sich oder ihre Angehörigen zu realisieren.“


UNITED FOR DIGNITY. VEREINT FÜR WÜRDE.

Für vernachlässigte Menschen mit vernachlässigten Krankheiten.


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