11. März 2022

„ACE-TB“: DAHW Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe geht neue Wege im Kampf gegen Tuberkulose

Durch GeneXpert steigt die Entdeckungsquote von TB-Erkrankungen stark an. Umso mehr Patient:innen können umgehend behandelt werden. Foto: Sabine Ludwig / DAHW

Durch die aktive Einbeziehung der lokalen Gemeinden und der Zivilgesellschaft können deutlich mehr Betroffene diagnostiziert und behandelt werden.

„Accelerating Community & Civil Society Engagement to End TB in Uganda“ – so lautet der vollständige Name eines ganz besonderen Hilfsprojekts der DAHW Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe. Kurz: ACE-TB. Auf Deutsch etwa: Verstärktes Engagement der lokalen Gemeinden und der Zivilgesellschaft zur Beendigung der Tuberkulose in Uganda. 

„Die Tuberkulose ist eine Krankheit, die untrennbar mit den zivilgesellschaftlichen Gemeinschaften verbunden ist – sowohl wirtschaftlich als auch sozial“, erklärt Dr. Saskia Kreibich, Global Health Beraterin bei der DAHW. „Deshalb haben wir dieses gemeindezentrierte TB-Projekt ins Leben gerufen. Es war und ist nicht zuletzt auch die COVID-19-Pandemie, die deutlich gezeigt hat, dass die Gemeinschaften im Mittelpunkt aller Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit stehen müssen.“

Eine patientenzentrierte Versorgung und die Stärkung lokaler Gesundheitsstrukturen stehen im Vordergrund des Projekts. Die Besonderheit liegt dabei in der Einbindung von Patient:innen und ihrer Gemeinde-Akteure in die TB-Kontrolle – einschließlich lokaler Regierungsstrukturen, religiöser und kultureller Führungspersönlichkeiten, traditioneller Heiler, Familien und TB-Überlebenden. 

„Unsere Vorgehensweise trägt dazu bei, dass deutlich mehr Betroffene diagnostiziert und behandelt werden können. Dies ist ein wichtiger Schritt, um die Erkrankten selbst zu heilen und gleichzeitig die Übertragungsketten zu unterbrechen. Dem Ziel, die Tuberkulose in der endemischen Region bis 2030 zu eliminieren, kommen wir damit ein gutes Stück näher – wenngleich uns die Pandemie natürlich stark zurückgeworfen hat“, ergänzt Dr. Kreibich.

Gemeinsam gegen Tuberkulose

Insbesondere bei der Ermittlung von Kontaktpersonen, der präventiven Therapie und der Unterstützung der Behandlung setzt die DAHW auf die Einbeziehung der Bevölkerung. Um die weit verbreitete Tuberkulose nachhaltig unter Kontrolle zu bringen, setzen die Kooperationspartner gezielt darauf, das Engagement der Gemeinden und der Zivilgesellschaft zu fördern und zu qualifizieren. So werden zum Beispiel besonders vertrauenswürdige Gemeindemitglieder wie Lehrkräfte oder Gemeinderäte ausgebildet und in die Tuberkulose-Arbeit mit einbezogen. Sie helfen, Vorurteile und Stigma gegenüber TB abzubauen, neue Fälle im Umfeld der Betroffenen zu finden und Patient:innen samt Angehörigen – auch über die Therapie hinaus – auf psychosozialer Ebene zu unterstützen.

Insgesamt 150 Gemeindearbeiter:innen werden bis heute in 30 Gesundheitseinrichtungen eingesetzt. Sie sind für rund 7.500 Haushalte zuständig. 90 TB-Patient:innen wurden zudem in einkommensschaffenden Maßnahmen geschult und erhielten ein Startpaket (z. B. Saatgut, Geflügel). 

Die Fortschritte sind klar erkennbar: In den sechs ausgewählten Distrikten Ugandas in der Subregion West Nile (Arua/Terego, Madi-Okollo, Nebbi, Zombo, Yumbe und Maracha) konnten durch aktive, integrierte Initiativen zur Einbindung der Bevölkerung sowohl die Erkennung von Tuberkulosefällen als auch die Behandlungserfolgsraten und die langfristige TB-Kontrolle erhöht werden. Auf diese Weise werden jährlich mehr als 400 zusätzliche Patient:innen gefunden, die Fallmeldungsrate stieg von innerhalb eines Jahres von 86 % auf 90 %, die Behandlungserfolgsraten von durchschnittlich 84 % auf mindestens 85 % und die Heilungsraten in Maracha und Yumbe von weniger als 55 % bzw. 70 % innerhalb von 3,5 Jahren auf mindestens 70 %. 

„Wir setzen genau dort an, wo die Tuberkulose übertragen und behandelt wird: in der Gemeinde“, erklärt Dr. Kreibich.  „Denn wir brauchen ein gemeindebasiertes TB-Kontrollprogramm. Derzeit gibt es keine offiziell eingeführte nationale Strategie für die Einbindung von Gemeinden und zivilgesellschaftlichen Organisationen (CSO) in die Tuberkulosebekämpfung, obwohl das Nationale Lepra- und Tuberkuloseprogramm einen entsprechenden Entwurf vorliegen hat.“ 

Zum zweiten Mal an Tuberkulose erkrankt – und zum zweiten Mal geheilt

Wie das Konzept funktionieren kann, zeigt die Geschichte von Abindo Kizito (45), der schon als Jugendlicher an Tuberkulose erkrankt war und damals geheilt werden konnte. Im Januar 2021 traten erneut Symptome bei ihm auf. Es war letztendlich eine Informationsveranstaltung, die von Gemeindemitarbeitenden gemeinsam mit Gesundheitsfachkräften durchgeführt wurde, um die Bevölkerung über Tuberkulose aufzuklären, die ihm Gewissheit über seine Erkrankung brachte.

„Im Rahmen der Veranstaltung wurde ich von einem Arzt untersucht, dem ich auch von meiner früheren Erkrankung erzählte. Auch dass einige meiner Verwandten verstorben waren, nachdem sie lange von unerklärlichem Husten geplagt waren“. Abindo Kizito wurde mit einem GeneXpert-Test, einem Schnelltestverfahren, untersucht, der die TB-Erkrankung bestätigte. Sofort konnte mit der medikamentösen Behandlung begonnen werden. Parallel zu dem Betroffenen selbst wurden fünf Personen aus seiner Familie auf TB untersucht: drei weitere Betroffene wurden erkannt und behandelt, die beiden anderen erhielten eine präventive Therapie. „Die Gesundheitsmitarbeitenden brachten uns die notwendigen Medikamente, für die wir nichts bezahlen mussten, über die Monate nach Hause in unser Dorf. Die DAHW unterstützte uns außerdem in der Zeit der Behandlung mit Nahrungsmitteln. Das war eine große Erleichterung, für die wir alle in unserer Familie sehr dankbar sind“, erzählt Abindo Kizito.

Alle vier von TB betroffenen Personen der Familie Kizito sind inzwischen geheilt und vollständig gesund. Und Abindo Kizito hat das Konzept verstanden und verinnerlicht: „Ich möchte gerne an zukünftigen Informationsveranstaltungen in unserem Dorf und der näheren Umgebung teilnehmen um den Menschen von meinen eigenen Erfahrungen zu berichten. Ich will sie ermutigen, sich untersuchen und testen zu lassen.“

Stigmatisierung beenden, psychosoziale Versorgung verbessern

„Neben der Unterstützung und Stärkung aller wichtigen Gesundheitsdienste zur TB-Versorgung, nehmen wir uns ganz besonders auch dem Stigma und der verbesserten psychosozialen Behandlung von TB-Patient:innen an“, betont Dr. Kreibich. Aufgrund der Pandemie wurden die TB-Dienste unterbrochen, Ressourcen mussten für die COVID-Bekämpfung umgeschichtet und genutzt werden – auch das hat dafür gesorgt, dass sich das psychosoziale Verhalten der Betroffenen geändert hat. Stigmatisierung und Angst – häufig aufgrund von Fake News in den sozialen Medien – tragen bis heute dazu bei, dass die Menschen zögern, sich in Behandlung zu begeben. 

 „Die Gemeindemitglieder äußerten den Bedarf an Instrumenten, die sie bei der Verbreitung zuverlässiger und qualitativ hochwertiger Botschaften und als Gegenmittel verwirrender und falscher Botschaften einsetzen können – in Bezug auf Tuberkulose, COVID und die Impfungen gegen letztere“, erzählt Dr. Kreibich. Auf der Suche nach einem robusten und skalierbaren Ansatz, der auch marginalisierten Bevölkerungsgruppen belegbares, wertvolles und aktuelles Wissen vermittelt, stieß die DAHW auf Audiopedia, ein globales Online-Projekt, das relevante und lokalisierte Audio-Inhalte mit leicht nutzbarer Hard- und Software kombiniert. Mithilfe solarbetriebener Audioplayer werden Nachrichten und gesprochene Beiträge rund um das Thema Tuberkulose den Betroffenen zugänglich gemacht. „Die Implementierung von Audiopedia in unser ACE-TB Projekt war ein voller Erfolg“, weiß Dr. Kreibich. Die Hard- und Software ist für uns mehr als nur ein Tool, es ist ein ganz eigenes, neues Konzept der

Aufklärung, der Bewusstseinsschaffung und der sozialen und verhaltensverändernden Kommunikation (Social and Behavior Change Communication / SBCC).


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Obwohl die bakterielle Infektionskrankheit vermeidbar und behandelbar ist, versursacht sie nach wie vor großes Leid und fordert unzählige Menschenleben.