14. März 2022

Audiopedia: So ermöglicht die DAHW Frauen den Zugang zu wertvollem Wissen, das Leben retten kann

Betty hatte große Angst vor Krankheiten. Doch durch die Informationen, die sie über Audiopedia erhielt, traute sie sich, sich doch behandeln zu lassen. Foto: Sabine Ludwig / DAHW

(Würzburg, 17. März 2022) – Eine Open-Source-Plattform für hörbares Lernen eröffnet neue Möglichkeiten der Gesundheitsaufklärung. Anlässlich des Welt-Tuberkulose-Tages am 24. März zeigt die DAHW, wie durch den Einsatz innovativer Informations- und Kommunikationstechnologien neue Chancen entstehen.

Uganda, West Nile Region: Die Frauen sitzen im Kreis, lachen und wiegen ihre Körper. In der Hand halten sie ein Gerät, wie man es von Audio-Führungen im Museum kennt. Populäre rhythmische Musik wird unterbrochen von gesprochenen Nachrichten, die die Frauen aufhorchen lassen. Plötzlich ist es still. Konzentriert wird der Stimme gelauscht. Es geht um Tuberkulose, die Übertragungswege und Symptome.

„Gerade in den abgelegenen Regionen des Globalen Südens ist das Wissen über die Krankheit Tuberkulose immer noch nicht ausreichend vorhanden“, erklärt Carolin Gunesch, die bei der DAHW Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe für Spezialprojekte und Innovationen zuständig ist. Die Hilfsorganisation ist mit aktiver Projektarbeit in einigen dieser Länder vertreten, so zum Beispiel in Uganda. „Wir waren ganz gezielt auf der Suche nach Tools, um die soziale und verhaltensverändernden Kommunikation (Social and Behavior Change Communication / SBCC) zu verbessern. Denn die Frage, wie man (über)lebenswichtiges Gesundheitswissen trotz vielschichtiger Barrieren zu marginalisierten, größtenteils nicht alphabetisierten Bevölkerungsgruppen bringen kann, beschäftigt uns schon seit vielen Jahren“, schildert Gunesch. „So stießen wir auf Audiopedia.“ Erster Meilenstein in der Lösungsfindung war das Kooperationsprojekt mit URIDU, das 2020 im Rahmen eines Hackathons des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) durchgeführt wurde. Basierend auf dem URIDU-Projekt „Audiopedia“ wurden der marginalisierten Bevölkerung in 16 Ländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas Informationen zu Corona über eine breit angelegte Social-Media-Audiokampagne unabhängig von Schreib- und Lesekenntnissen der Zielgruppen zugänglich gemacht.

Learning by listening

Audiopedia steht dafür, dass Nachrichten und Informationen zu Krankheiten und anderen gesundheitsrelevanten Themen in lokalen Sprachen gut verständlich aufbereitet werden. Mithilfe der Open-Source-Plattform für hörbares Lernen werden Frauen und Mädchen im Globalen Süden mit grundlegendem Wissen versorgt, das Leben retten kann und neue Möglichkeiten eröffnet. „Indem wir Grundbildung kostenlos und für Nichtleser:innen zugänglich machen, können wir auch die Gleichstellung der Geschlechter verbessern und Frauen und Mädchen befähigen, ihren Wert zu erkennen“, ergänzt Carolin Gunesch.

Zum Hintergrund: Programme zur Gesundheits- und Ernährungserziehung richten sich in der Regel an Frauen, da sie traditionell die Rolle der Hauptversorgerinnen übernehmen. Doch etwa 500 Millionen Frauen weltweit sind Analphabetinnen. Es besteht ein großer Bedarf an einem robusten und skalierbaren Ansatz, der sich nicht auf das geschriebene Wort verlässt, um marginalisierten Bevölkerungsgruppen Wissen zu vermitteln. Audiopedia nimmt sich dieser Herausforderung an.
Die Audio-Botschaften, eingebettet in ein musikalisches Rahmenprogramm erreichen die Menschen in ihren Gemeinden und Gemeinschaften. Zwei Komponenten sind dafür erforderlich: zum einen die informative Aufklärung durch verständliche Audiodateien in der jeweiligen lokalen Sprache, zum zweiten die dafür notwendigen autarken Abspielgeräte.Carolin Gunesch erklärt, wie die DAHW Audiopedia in ihrem Hilfsprojekt in Uganda einsetzt: „Die Hard- und Software stellt den optimalen digitalen und technischen Rahmen für die Aufnahme von Nachrichten, die wir für unsere Zwecke nutzen. Die klar verständlichen, qualitativ hochwertigen Botschaften zu Tuberkulose und auch zu COVID-19, deren Ansteckungswege ähnlich funktionieren, werden auf solarbetriebene Audioplayer aufgespielt und den Menschen vor Ort für zwei bis drei Tage zur Verfügung gestellt.“

Untermalt werden die Ansprachen mit musikalischen Ohrwürmern, die darauf abzielen, dass das Programm gleich mehrmals angehört wird. „Wir beschäftigten für die Aufnahmen verschiedene Radiosprecher:innen aus der Region. Schließlich wollen wir so professionell wie möglich sein. Die Sprecher:innen sind auch für die Auswahl der Musik zuständig, da sie den Musikgeschmack der Bevölkerung kennen“, erzählt der Projektverantwortliche Jocknus Tekere.
DAHW setzt auf aktive Einbeziehung der Zivilgesellschaft 

In Uganda führt die Hilfsorganisation derzeit ein innovatives Hilfsprojekt durch. Unter dem Namen „ACE-TB“ ("Accelerating Community & Civil Society Engagement to End TB in Uganda") bezieht die DAHW die Bevölkerung und Zivilgesellschaft aktiv in die Erkennung, Behandlung und Kontrolle von Tuberkulose mit ein. Die Implementierung von Audiopedia in das bestehende Projekt wird die Verbreitung präziser und qualitativ hochwertiger Botschaften zu Tuberkulose und COVID-19 durch die bereits vorhandenen Gemeindemitarbeiter:innen in den lokalen Randgemeinden nicht nur ergänzen, sondern auch intensivieren.

Mit Audiopedia verfügen die Gesundheitsmitarbeitenden über eine technische Möglichkeit, relevantes Wissen zu Krankheiten und anderen Themen gleichzeitig einer Vielzahl von Menschen zugänglich zu machen. Sie können ihre eigene „Reichweite“ deutlich erhöhen. Es werden viel mehr Menschen mit Grundinformationen versorgt, als das in persönlichen Kontakten möglich ist. „In diesen schwierigen Zeiten der Pandemie haben wir festgestellt, dass dies ein innovativer Weg ist, um unsere Reichweite innerhalb der Gemeinschaft und der Gesellschaft als Ganzes zu maximieren“, bringt es ein Gesundheitsmitarbeiter auf den Punkt.
Nichtsdestotrotz sind die Helfer:innen vor Ort und können bei Bedarf vertiefende Fragen beantworten, erste Untersuchungen vornehmen und bei Erkennen von Symptomen die Patient:innen an ein Krankenhaus oder eine Gesundheitsstation überweisen.

Digitale Wege zu mehr Gesundheit

Durch den Einsatz technischer und digitaler Hilfsmittel können gerade die Menschen Zugriff auf Gesundheitswissen erhalten, die der Gefahr der armutsassoziierten Tuberkulose besonders ausgesetzt sind. Nur wer Übertragungswege, Symptome und Präventionsmaßnahmen kennt, kann sich und andere schützen. Dazu gilt es, Mittel und Wege zu finden, um Sprachbarrieren und die digitale Kluft in den Projektregionen zu überwinden.

„Eine soziale und politische Teilhabe bedarf des Zugangs zu Informationen“, weiß Carolin Gunesch. „Auch im Bereich der Gesundheitsprävention und -aufklärung sind sie essenziell. Digitale Kommunikationstechnologien wie Audiopedia haben hier großes Potenzial, Lücken zu schließen – doch wer nicht lesen kann, keine der Hauptsprachen spricht, keinen Strom und/oder Internetzugang hat, dem nutzten diese Angebote wenig.“ 

Dabei sei die Vermittlung von Basis-Gesundheitswissen auch im Kampf gegen Tuberkulose entscheidend: Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung könne schwere Verläufe, Behinderungen oder auch den Tod verhindern. Auch der Stigmatisierung dieser Krankheit wirke Aufklärung entgegen.

Infokasten: Audiopedia

Audiopedia ist ein weltweites Online-Projekt, das relevante und auf lokale Bedürfnisse angepasste Audio-Inhalte (Sprache) zur Verfügung stellt. Insbesondere Frauen und Mädchen im Globalen Süden werden mit grundlegendem Wissen versorgt. Die Informationen zu Themen wie Gesundheit und Ernährung richten sich in der Regel an Frauen, da sie traditionell die Verantwortung in den Familien tragen. Die Inhalte stehen kostenlos zur Verfügung.

Basis ist die unkompliziert nutzbare Internetseite www.audiopedia.io, die es interessierten (gemeinnützigen) Organisationen ermöglicht, relevante Inhalte zu kommunizieren. Audiopedia bietet auch verschiedene technologische Lösungen an, um Inhalte sowohl für Lese- und Schreibkundige als auch für Analphabet:innen zugänglich zu machen. So zum Beispiel solarbetriebene Audioplayer als auch die Verbreitung von Gesundheitsinformationen über Messenger Dienste wie WhatsApp. Derzeit stehen auf der Website ungefähr 5.000 Audioclips mit einer Gesamtlaufzeit von 150 Stunden in 11 Sprachen zur Verfügung.

Interessierte Organisationen, wie z.B. die DAHW, nutzen das System, um spezifische Informationen in den lokalen Sprachen vor Ort zu produzieren und im Rahmen ihrer medizinischen und sozialen Projekten durch verschiedene Technologien den Gemeinden zugänglich zu machen.

Audiopedia ist ein Projekt der gemeinnützigen deutschen Organisation URIDU (uridu.org)


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WELT-TUBERKULOSE TAG

Obwohl die bakterielle Infektionskrankheit vermeidbar und behandelbar ist, versursacht sie nach wie vor großes Leid und fordert unzählige Menschenleben.