14. Januar 2022

Bringt die mRNA-Technologie neue Chancen für die Lepra-Impfstoff-Forschung?

Seit 2004 Jahren wird nach einem Impfstoff gegen Lepra geforscht. Neue Hoffnung schenkt die mRNA-Technologie, die im Zuge der Corona-Impfstoff-Forschung zur Anwendung kam. Foto: IDRI

(Würzburg, 12. Januar 2022) – „Der potenziell geeignete Lepra-Impfstoff ‚LepVax‘ geht nach 17 Jahren Forschung 2021 in die entscheidende Phase“, so lautete die gute Nachricht, die anlässlich des letztjährigen Welt-Lepra-Tags von der DAHW Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe aus dem Forschungsbereich vermeldet werden konnte.

Im Frühjahr hätte in Brasilien mit der Phase 1b der klinischen Studie begonnen werden sollen. Doch da sämtliche Testkapazitäten für die COVID-19-Impfstoff-Entwicklung gebraucht wurden, kam es erneut zu Verzögerungen. „Wir hoffen, dass wir im 2. Quartal 2022 endlich starten können“, berichtet Dr. Christa Kasang, Forschungskoordinatorin bei der DAHW. Aber die Pandemie habe auch etwas Gutes mit sich gebracht: „Die mRNA-Technologie birgt auch für unsere Forschung neue Chancen und könnte uns helfen, dem Ziel, die Lepra bis 2035 zu besiegen, deutlich näherzukommen“, so die Biologin.

Was im Falle des SARS-CoV-2-Virus in nur einem Jahr möglich war, dauert bei anderen Krankheitserregern Jahrzehnte: Die Suche nach einem Impfstoff gegen das Ebola-Virus beispielsweise währte 20 Jahre. „Möglich wurde die Corona-Impfstoff-Entwicklung in Rekordzeit durch optimierte Verfahrensabläufe, Bearbeitungs- und Bewertungsprozesse“, weiß Dr. Christa Kasang von der DAHW. Zudem waren klinische Prüfungsphasen kombiniert und Untersuchungen gebündelt worden. „Ein weiterer beschleunigender Faktor war, dass unter dem Druck der COVID-19-Pandemie massiv in die Weiterentwicklung der mRNA-Technologie investiert wurde, auf der die beiden populären Corona-Impfstoffe Biontech und Moderna beruhen. Das wiederum könnte nun uns in der Forschung nach einem Lepra-Impfstoff zugutekommen“, so das Advisory Board Member der LepVax-Forschungsinternative, die von der Internationalen Vereinigung der Lepra-Hilfswerke (ILEP), der Leprosy Research Initiative (LRI) und dem Forschungszentrum IDRI (Infectious Disease Research Institute) unterstützt wird.

Vorteile gegenüber Lebend- und Totimpfstoffen

Zwar stellen Messenger-RNA-Impfstoffe eine neue Generation von Impfstoffen dar, doch die technischen Grundlagen wurden bereits vor ca. 30 Jahren gelegt. „Das Ziel einer Impfung ist, dass der Körper einen Erreger kennenlernt und eine passende Immunantwort gegen ihn entwickeln kann“, erläutert Dr. Kasang. „Vereinfacht erklärt, werden mit der neuen Technologie nicht mehr abgeschwächte oder abgetötete Erreger in den Körper eingebracht – wie bei Lebend- oder Totimpfstoffen –, sondern lediglich der genetische Bauplan des Virus. Auf dessen Basis können unsere Immunzellen dann selbst passende Antigene herstellen. Dabei gelangt die mRNA nie in den Zellkern, das heißt, das Genom unserer Zellen wird nicht verändert“, stellt die Wissenschaftlerin klar.

Dieses Verfahren bietet neue Chancen für die Herstellung von Lepra-Vakzinen. Denn bisher mussten die vier identifizierten Anti-Gene gegen den Lepra-Erreger, das Mycobacterium leprae, in aufwändigen und kostenintensiven Verfahren hergestellt werden. „Jetzt benötigen wir nur noch die genetische Sequenz der Proteine dieser vier Substanzen im Lepra-Impfstoff, um sie in mRNA umwandeln zu können. Das spart einiges an Zeit und Ressourcen.“

Ausrottung der Lepra nur durch intensivierte Forschung

Im Rahmen ihrer „Roadmap zur Bekämpfung der vernachlässigten Tropenkrankheiten (neglected tropical diseases, NTDs)“ hat die Weltgesundheitsorganisation WHO es sich zum Ziel gesetzt, die Lepra Schritt für Schritt in den endemischen Ländern zu eliminieren – und sie bis 2035 weltweit auszurotten, also die Übertragung der Lepra zu unterbrechen, sodass die Inzidenz (Zahl der Neuerkrankungen) faktisch auf Null reduziert wird. „Dieses ambitionierte Ziel der WHO ist nur erreichbar, wenn wir die Forschung nach einem Impfstoff und besseren Diagnostika intensivieren“, konstatiert Dr. Kasang. „Zudem ist es wichtig, die einzelnen Aktivitäten in den geographischen Hotspots innerhalb eines Landes zu verstärken. Also nicht ‚national‘ auf die Lepra zu schauen, sondern auf die Subregionen und die jeweils spezifischen Anforderungen.“ Dazu führe die Global Partnership for Zero Leprosy (GPZL) zusammen mit nationalen Lepra-Kontrollprogrammen in ausgewählten Ländern aktuell Überprüfungen der Lepra-Aktivitäten durch. „Auf Basis der Erkenntnisse werden wir für jedes Land individuelle Fahrpläne zu ‚Zero Leprosy‘ erstellen.“

Der „Werkzeugkasten“ im Kampf gegen Lepra

Im Moment sei die sog. Lepra-Post-Expositions-Prophylaxe (LPEP) – die Einmalgabe des Antibiotikums Rifampicin für Kontaktpersonen von Lepra-Patient:innen zur Unterbrechung der Übertragung – neben der aktiven Fallsuche, Diagnose und Behandlung von Betroffenen das wichtigste Instrument im Werkzeugkasten. „In Zusammenarbeit mit einem internationalen Konsortium testen wir derzeit, welche verschiedenen Ansätze für die Implementierung dieser LPEP-Standardmaßnahme für die nationalen Gesundheitsprogramme sinnvoll und bezahlbar sind,“ führt Christa Kasang aus. Aber auch bei dieser „PEP4LEP“-Studie, die mit finanzieller Unterstützung der EDCTP/EU und der LRI von der DAHW, der Niederländischen Leprahilfe (NLR), den Nationalen Gesundheitsprogrammen sowie der Erasmus-Universität in Äthiopien, Tansania und Mosambik durchgeführt wird, kam es zu coronabedingten Verzögerungen. Die Lepra-Expertin hofft, dass die Arbeit trotz Pandemie bald in gewohntem Tempo weitergeführt werden kann. „Sonst rücken unsere Ziele und damit das Ende des Leids, das Lepra nach wie vor verursacht, in immer weitere Ferne.“


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