04. Juli 2023

Fachtagung gewährt Einblicke in die Pionierarbeit der DAHW – damals und heute

DAHW-Pionier der ersten Stunde: Franz Söllner, der 1958 nach Bisidimo ging (Foto: Judith Mathiasch)

„Wir gehen dorthin, wo die Straßen enden“, dieses Motto galt 1958 für die DAHW, und es gilt auch heute noch. Das wurde bei der zweiten Fachtagung im Würzburger Headquarter deutlich, als sich Pioniere der DAHW über ihre Arbeit austauschten.

Würzburg, 04.07.2023: Rund fünfzig Dias hat Franz Söllner mitgebracht zur Fachtagung der DAHW Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe, und sie bieten dem Publikum beeindruckende Einblicke in die Anfänge der Organisation. Denn Franz Söllner war selbst Teil des ersten Teams, das in Äthiopien die Lepra-Station Bisidimo aufbaute, die – inzwischen zu einem renommierten Referenzzentrum geworden – bis heute ein leuchtendes Beispiel gelungener Entwicklungszusammenarbeit ist.

Söllner berichtete im Rahmen der zweiten DAHW-Fachtagung im Würzburger Headquarter über seine Arbeit. Das Thema der Veranstaltung: „DAHW-Pionierarbeit – damals und heute“. Er spricht mit Leidenschaft über das „Damals“ – aber der DAHW, das wird schnell deutlich, ist er bis heute von Herzen verbunden.

„Ich möchte mithelfen“, das sei sein Gedanke gewesen, als er sich 1958 mit einer Gruppe von Handwerkern nach Äthiopien aufmachte, sagt Söllner heute. Der gelernte Landwirt, bei seiner Ankunft gerade zwanzig Jahre alt, arbeitete drei Jahre lang in Bisidimo, stellte Blocksteine für die Gebäude her, grub Wasserbecken, bereitete den Boden für den Ackerbau – und pflanzte Bäume. „Vor vier Jahren war ich zuletzt in Bisidimo“, so Söllner, „und dort wartete das schönste Geschenk auf mich: Die Bäume, die ich damals gepflanzt habe, waren in voller Blüte.“

Denn Söllners Engagement für Bisidimo war nach seiner Rückkehr nach Deutschland 1961 bei Weitem nicht zu Ende: Zehn Jahre später war er wieder dort – diesmal als Projektleiter, begleitet von seiner Frau und der kleinen Tochter. Er sorgte unter anderem dafür, dass äthiopische Fachkräfte in jeder Abteilung des Bisidimo-Krankenhauses arbeiteten, und er förderte die Ausbildung sogenannter Lepra-Assistent:innen, die Betroffene in den Gemeinden mit Medikamenten versorgten.

Er selbst sah sich nie in der Rolle des „Gebenden“, sagt Söllner heute: „Ich habe viel empfangen in Äthiopien“, betont er. „Freundlichkeit, Dankbarkeit. Einander annehmen, geben und empfangen, das ist unsere Aufgabe.“

Bisidimo sei ein Wunder, so drückt es gleich darauf Ahmed Mohammed aus, DAHW-Regionalrepräsentant in Äthiopien, der für seinen Vortrag live aus Addis Abeba zugeschaltet ist. Das medizinische Zentrum hat in den vergangenen 65 Jahren nicht nur Regierungswechsel überstanden, sondern auch kriegerische Auseinandersetzungen – das sei keine Selbstverständlichkeit. Mohammed, selbst seit über dreißig Jahren für die DAHW tätig, würdigt die Verdienste der Pioniere: „There is no today without yesterday”, sagt er.

Über das „today“ berichtet in ihrem Vortrag Dr. Saskia Kreibich, Global-Health-Beraterin der DAHW, auch heute noch gingen sie und ihre Mitarbeiter:innen dorthin, wo die medizinische Versorgung ausbaufähig ist – in afghanische Bergdörfer etwa, ins nigerianische Niger-Delta oder in nur per Boot erreichbare Flusslandschaften in Bangladesch. Sie selbst reiste erst kürzlich in die extrem schwer zugänglichen sudanesischen Nuba-Berge, um die dortige Lepra-Arbeit voranzubringen. Aber Dr. Kreibich betont: „Es geht nicht darum, an einen bestimmten Ort zu kommen, sondern darum, bestimmte Menschen zu erreichen.“ So konzentriert sich die Arbeit der DAHW auf besonders vulnerable Gruppen im Rahmen der Mandatskrankheiten Lepra, Tuberkulose, Buruli Ulcer und anderer NTDs. Das können Angehörige bestimmter Personengruppen sein, etwa Menschen mit Behinderung, Frauen, Kinder und Geflüchtete. Aber auch Einwohner:innen fragiler Staaten gehören dazu, etwa Bürger:innen im Südsudan, Sudan und Jemen, in Liberia, Sierra Leone und Afghanistan. Im Südsudan etwa ist die DAHW der einzige ILEP-Partner, der dort noch die Lepra-Arbeit unterstützt.

Ganz wichtig für die medizinische-soziale Arbeit der DAHW: „Wir arbeiten nicht nur für, sondern gemeinsam mit den Menschen“, fasst es Dr. Kreibich zusammen, und Franz Söllner im Publikum nickt energisch. Dieser Anspruch, so sehr sich die Arbeit der DAHW, über die Jahrzehnte auch verändert hat, eint die Pioniere von damals und heute. Ebenso wie das Versprechen: Wir gehen dorthin, wo die Straßen enden – und wir lassen niemanden zurück.


Die Fachtagungen der DAHW finden vierteljährlich als Abendveranstaltung im Würzburger Headquarter statt. Waren sie bisher nur für Mitglieder und Mitarbeiter:innen der DAHW zugänglich, soll künftig auch eine breitere Öffentlichkeit daran teilnehmen können. Vorträge und Austauschmöglichkeiten im Rahmen eines Programms werden dabei ergänzt durch ein geselliges Zusammensein im Anschluss. Wir freuen uns auf Ihre Teilnahme im Herbst und werden den Termin rechtzeitig hier auf der Website und in unserem Newsletter bekannt geben.