26. Mai 2021

Hoffnung im Kampf gegen multiresistente Tuberkulose

Wissenschaftler*innen aus dem Forschungszentrum Borstel (FZB) und dem Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) ist es gelungen, ein neues Verfahren zu entwickeln, mit dem bei einer multiresistenten Tuberkulose (MDR-TB) schnell und kostengünstig ermittelt werden kann, gegen welche Antibiotika die TB-Erreger Resistenzen aufweisen und welche alternative Medikation für eine effektive Behandlung eingesetzt werden muss.

In den letzten Jahren erkranken in vielen Ländern vermehrt Menschen an multiresistenter Tuberkulose (MDR-TB). Bei dieser Form der Tuberkulose sind die Standardmedikamente wirkungslos und müssen durch andere Medikamente ersetzt werden. Um die richtigen Medikamente für die Behandlung zu finden, sind aufwendige Resistenztestungen für jedes einzelne Medikament nötig. Diese sind teuer, können nur in speziell ausgestatteten Laboren von spezialisiertem Personal durchgeführten werden und brauchen Zeit. Das Anlegen von Bakterienkulturen und die anschließende Resistenztestung benötigen mehrere Wochen, da der Tuberkulose-Erreger sich nur langsam vermehrt. Dies ist wertvolle Zeit, in der Patient*innen noch nicht behandelt werden können und potenziell infektiös bleiben. Daher werden dringend schnellere und praktikablere Methoden zur Resistenztestung der TB-Bakterien benötigt.

Ein neues vielversprechendes Verfahren, das in Zukunft die Diagnosezeiten bei Patient*innen mit MDR-TB stark verkürzen könnte, ist die Genomsequenzierung. Dabei wird das komplette Erbgut des Tuberkulose-Erregers in einem Arbeitsgang entschlüsselt und die erkannten Mutationen dokumentiert. Bis heute wurden etwa 400 Mutationen identifiziert, die für die Ausbildung von Resistenzen gegen Antibiotika verantwortlich sind. Mithilfe dieses Katalogs kann jede Mutation einer Resistenz gegen bestimmte Medikamente zugeordnet und das sog. Resistenzprofil des Erregers direkt abgelesen werden. Dies ermöglicht, schnell eine Therapie mit mehreren wirksamen Tuberkulose-Medikamenten zusammenzustellen. Auch neu auftretende Mutationen können ggf. erkannt werden. Das Verfahren hilft, die Diagnosezeit bei resistenter Tuberkulose deutlich zu verkürzen, sodass Patient*innen früher mit der Therapie beginnen können.

Hintergrund

Mit 1,4 Millionen Todesopfern pro Jahr zählt Tuberkulose seit Jahrzenten zu den zehn häufigsten Todesursachen weltweit. Dabei ist die bakterielle Infektionskrankheit mit einem Antibiotikamix behandelbar, doch insbesondere in Ländern des Globalen Südens fehlt es oft an Zugängen zu einer medizinischen Versorgung (weitere Infos). Hinzu kommt eine besorgniserregende Zunahme resistenter TB-Bakterienstämme. Diese bilden sich, wenn Antibiotika nicht regelmäßig eingenommen werden oder eine Antibiotika-Therapie abgebrochen wird, bevor alle Bakterien getötet sind. So entwickeln die überlebenden Bakterien Resistenzen gegen die Medikamente, sodass sie wirkungslos werden. In der Folge müssen Betroffene spezielle, oft weniger wirksame Medikamente mit meist schwerwiegenden Nebenwirkungen einnehmen. Auch die Therapiezeit verlängert sich von sechs Monaten auf bis zu zwei Jahre. Zudem sind diese Medikamente häufig deutlich teurer. Wird auch diese Therapie nicht bis zum Ende durchgehalten, entwickeln die Erreger weitere Resistenzen, wodurch die Auswahl effektiver Ausweichmedikamente („Second Line“) und damit die Chance auf einen Behandlungserfolg erheblich gemindert werden.